Eine alte Fabel, verehrte Hörerinnen und Hörer, erzählt von einem Bauern, der ein Vogelei fand. Er nahm es mit und ließ es von einer seiner Glucken ausbrüten. Bald darauf schon tummelte sich unter der munteren Kükenschar ein gar seltsamer Vogel. Einer, der vorbeikam und sich als Vogelkenner ausgab, meinte: „Der gehört doch da nicht her. Das ist ja ein Adler!“ – Worauf der Bauer antwortete: „Ach was, das ist ein Huhn wie alle anderen auch. Siehst du nicht, wie es pickt und scharrt?“ Nach einiger Zeit, als der Vogelkenner mal wieder des Weges kam und der Bauer nicht da war, ging er in den Käfig, nahm den Vogel auf den Arm und trug ihn auf einen Berg. Dort warf er ihn in die Luft. Und auf einmal spürte der Adler den Wind unter seinen Flügeln, bewegte sie und flog der Sonne entgegen.
„Wer bin ich wirklich?“, so fragen wir oft. Und wir könnten angesichts dieser Geschichte fragen: Bin ich wie ein Huhn? Hier und da ein bisschen herumscharren und herumhacken, ab und an ein Ei legen, laut gackern und zuletzt ab in den Suppentopf? Oder bin ich eher wie ein Adler, zu Höherem bestimmt, zum Fliegen, zum weiten Horizont, zur Ewigkeit?
Manch eine oder einer von uns fühlt sich oft eingesperrt in seinem alltäglichen Dasein wie ein Huhn im Hühnerhof. Dann packt einen die Sehnsucht nach Weite und nach einem neuen Erleben. Der eine schafft sich ein neues Auto oder ein Motorrad an und fühlt sich dadurch frei. Jemand anders versucht möglichst oft zu Verreisen, um der Enge seiner Umgebung zu entgehen. Wieder andere versuchen durch Festivitäten und allem, was unserer Ansicht nach zu solchen dazugehört, dem Alltagseinerlei zu entfliehen. Wieder andere stürzen sich in sexuelle Abenteuer und fliegen dahin im Rausch der Sinne. Aber ist es das? Ist das wirklich das Ergebnis, auf das man hinauswill? Wenn nein, müssen wir dann den Traum vom Höheren einfach aufgeben?
Ich meine, zuerst müssen wir uns darüber klar werden, wofür wir bestimmt sind. Und da bekommt für mich ein Bibelwort dieser Tage eine ganz aktuelle Bedeutung: „Aus Liebe hat uns Gott dazu bestimmt, durch Jesus Christus seine Töchter und Söhne zu werden!“ Also: Finden wir durch die Beziehung zu Gott erst unsere wahre Bestimmung. Er nimmt uns als seine Kinder an, allerdings nicht gegen unseren erklärten Willen: Es sollte ein bewusster Schritt des Glaubens sein, den wir gehen.
Ich jedenfalls bin mir sicher: Wenn wir unser Leben Jesus Christus anvertrauen, dann eröffnen sich neue Perspektiven und Horizonte für uns – und zwar sowohl für dieses Leben, als auch für die Ewigkeit. Denn Gott beschenkt uns mit seinen Gaben: Mit der Vergebung dessen, was uns belastet und was wir als Schuld mit uns herumschleppen; er befreit uns von all dem, was wir an Gewohnheiten meinen nicht ändern zu können – weil er uns immer wieder zur Veränderung ruft. Und er schenkt durch Ostern eine Hoffnung, die uns ein Leben in Fülle schenkt. Wenn ich das aber so betrachte, dann kann ich mich durchaus über die Niederungen dieses Lebens erheben – und ich fühle mich wie ein Adler!
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Erstellt am: 25.04.2012 09:28 Uhr