Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsch ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Wenn schon, denn schon – halbe Sachen haben wir nicht so gerne. In vielen Lebensbereichen gilt dieses Gesetz des „entweder alles“ oder „lieber gar nichts“ und diese Haltung scheint auf den ersten Blick auch nicht unvernünftig zu sein. Also buchstabieren wir doch mal das Leben nach diesem Grundsatz durch: Wenn schon, denn schon – alles oder nichts! Entweder du bist in deinem Beruf Spitze – oder du bist wertlos. Entweder du bist Katholik und glaubst alles, was die Kirche und der Papst sagt – oder du bist eben nicht katholisch. Wenn Gott an dir Gefallen haben soll, dann verbiete dir gefälligst jede Schwäche, jeden Fehler, jedes falsche Gefühl und jede Launenhaftigkeit. Und merken Sie jetzt wie eng es auf einmal wird? Also in mir wächst da die Angst, mich maßlos zu überfordern!
Deshalb tut es mir gut die Stelle im Evangelium zu lesen, in der Jesus ein Kind in die Mitte stellt und sagt: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“ Nicht ein Erwachsener, nicht ein perfekter Mensch, sondern ein Kind wird zum Zeichen und zum Mittelpunkt. Kurz vorher war es noch ganz anders. Da hatten die Jünger Jesu darüber gestritten, wer denn der Wichtigste von ihnen sei. Und dabei hatten sie durchaus den Wertemaßstab des „wenn schon – denn schon“ – „entweder alles oder nichts“ im Auge. Aber diese Haltung ist unchristlich, weil ihr etwas ganz entscheidendes fehlt – nämlich die liebende Barmherzigkeit. Und deshalb verweist Jesus auf ein Kind. Ein Kind ist eben nicht fertig, sondern muss noch reifen. Es ist noch nicht perfekt, sondern muss lernen – meist sogar durch Fehler. Es macht nichts hundertprozentig – es ist vielmehr auf dem Weg und nicht schon am Ziel. Es lernt mehr, als dass es bereits etwas kann.
Und genau so, denke ich, will Jesus sie und mich haben: als Lernende und nicht als Alleskönner. Als Barmherzige und Verstehende und nicht als Einteilende, Urteilende oder sogar Verurteilende. Als Menschen eben, die bereits den Weg schätzen und anerkennen und nicht erst das Ziel. In dem Lebensgefühl eines Kindes sieht Jesus diese Haltung verwirklicht – und deshalb stellt er es in die Mitte und umarmt es. Mit dieser Geste sagt uns Jesus: „Nehmt das an, was ihr seid – auch und gerade in den Teilen eurer Seele, die eben noch nicht fertig und perfekt sind, aber doch wahr und voller Hoffnung; lasst in euch leben, was leben möchte und weist es nicht zurück, nur weil es euch klein und mickrig, unausgebildet und unreif vorkommt. Traut Gott zu, so vor ihm existieren zu können und zu dürfen, wie ihr gemeint seid.“
In diesem Sinne – ihnen allen einen Sonntag, der sie aufatmen lässt und der ihnen die Wertschätzung deutlich macht, die sie vor Gott und in den Augen Jesu haben!
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Erstellt am: 23.09.2012 17:48 Uhr