Zündfunke, Sonntag 15.07.12

Andrea Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen, liebe Schwestern und Brüder!
Können Sie sich folgendes vorstellen: Jesus, der aus der Tasche eine Uhr zieht und zu seinen Jüngern sagt: „Freunde, jetzt muss ich aber gehen. Ich habe noch einen anderen Termin.“

Kann man sich einen gotischen Dom vorstellen, der wie ein Fertighaus schnell zusammen gezimmert wurde? Oder eine Mona Lisa, die rasch auf die Leinwand gepinselt wurde, um damit möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen? Können Sie sich den weisen Sokrates vorstellen, wie er alle zwei Minuten sein Handy zückt, weil er ungeduldig auf einen Rückruf wartet?
„Wer geduldig ist, der ist weise. Wer aber ungeduldig ist, der offenbart nur Torheit“, heißt es in der Bibel. Ohne Geduld kommt nichts Gutes und Gescheites zustande. Die Geduld ist  „die sanfte Mutter der Kultur“ (Gustav Radbruch). Wir wüssten vom Glauben nichts, wenn es nicht überaus geduldige Mönche gegeben hätte, die Wort für Wort die Bibel abgeschrieben hätten. Wir wüssten von der Liebe nichts, wenn die Menschen immer nur kurze sms geschrieben hätten, statt richtiger Liebesbriefe und Liebesromane. Wir wüssten nicht einmal, dass die Erde eine Kugel ist, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die so mutig und geduldig waren, monatelang übers offene Meer zu segeln. Auf lebensrettende Medikamente müssten wir verzichten, wenn es nicht immer wieder Menschen gegeben hätte, die geduldig nach einer Lösung suchten. Geduld ist eine Kunst, eine Kunst zu hoffen.
Schade, dass Geduld eine Tugend ist, die immer mehr aus der Mode kommt. Dabei verdanken wir ihr alles Wahre, Schöne und Gute. Erst die Geduld hält den flüchtigen Augenblick fest und gewinnt dem Vergänglichen etwas Dauerhaftes ab. Sie ist an jeder Stelle des Weges zugleich am Ziel und sie genießt in der Arbeit schon das Werk, das werden soll. Nur die Geduld siegt über die Zeit, weil sie keine Angst hat, Zeit zu verlieren. Deshalb sollten wir zuerst einmal Geduld mit uns selbst üben. Denn wenn wir uns gegenüber geduldig sein können, dann geht es auch einfacher anderen gegenüber. „Wer geduldig ist, der ist weise. Wer aber ungeduldig ist, der offenbart nur Torheit.“

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Erstellt am: 15.07.2012 13:43 Uhr

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