Zündfunke, Sonntag 14.10.12

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsch ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!

50 Jahre Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils – das war das Thema im Zündfunken dieser Woche. Und am heutigen Sonntag möchte ich mit einem Fazit diese Woche beschließen. Wie Sie diese Woche vielleicht selber bemerkt haben, ist das Konzil Fanal und Formel zugleich. Für die einen steht es für eine weltoffene, den Problemen der Zeit zugewandte Kirche; für die anderen bietet es Eckpunkte einer kirchlichen Anbiederung an den Zeitgeist und einer freiwilligen Aufgabe von Glaubenstradition.
Es ist ein Paradox der jüngsten Kirchengeschichte, dass mit dem Aufkommen der neuen Medien und dem „Web 2.0“ die kleine Schar der Antimodernisten einen enormen Zuwachs an Lautstärke erhalten hat. Über Chats, Blogs und einschlägige Internetportale wird die „Konzilskirche“ mit Verbalattacken in die Defensive getrieben – Beispiel Piusbrüder. Die Diskussion über Traditionsbruch oder Kontinuität des Konzils überdeckt inzwischen die Debatte darüber, wie weit die Kirche in den vergangenen 50 Jahren bei der Umsetzung der Konzilsbeschlüsse gediehen ist.
„Macht die Fenster der Kirche weit auf!“ Das Motto, das Papst Johannes XXIII. laut einer
unbestätigten Anekdote nach seinem Amtsantritt ausgab, ging als Weckruf durch die katholische Welt. Keine Verurteilungen sollten es sein, keine neuen Dogmen, sondern ein von der Seelsorge geprägtes Konzil; dialogisch, nicht autoritär: eine Denkfabrik für die Fragen, die die Christen im 20. Jahrhundert bewegten.
Die dreijährige Versammlung machte Geschichte und führte zu tief greifenden Veränderungen: einer liturgischen Erneuerung mit Zurückdrängung der lateinischen Messe; zu einem verstärkten Selbstbewusstsein der Ortsbischöfe gegenüber Rom, aber auch der Laien gegenüber den Bischöfen; einer Bewusstwerdung von Weltkirche und einer ökumenischen Öffnung ohne Vorbild. Niemand konnte ahnen, wie viel theologisches und kirchenpolitisches Ringen und wie viel Wehen des Heiligen Geistes dafür noch notwendig sein würden.
Eine Neuausrichtung solchen Ausmaßes ging nicht ohne innere Widerstände ab.
Der Euphorie des Konzils folgte ein Aufbruch, aber auch eine Zeit der Verunsicherung. Oft übers Ziel hinaus schießende Experimentierfreude im Gottesdienst trieb viele Katholiken in die Arme von Traditionalisten; etwa der „Priesterbruderschaft Pius X.“, die zentrale Konzilsbeschlüsse ablehnte und letztlich den Weg ins Schisma wählte. Andere engagierten sich in einer Kirche, die endlich „Ihre Kirche“ war. Und heute?
Heute halten manche ein Drittes Vatikanum für unbedingt notwendig. Doch es war der wichtigste Konzilshistoriker des 20. Jahrhunderts, Hubert Jedin, der als Essenz seiner Forschung festhielt: Jedes Konzil hat mindestens ein halbes Jahrhundert bis zu seiner vollkommenen Umsetzung warten müssen. Das wäre nun bald – und dann?

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Erstellt am: 14.10.2012 15:45 Uhr

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