Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsche ich Ihnen!
Früher war alles besser, heißt es, die Winter hatten Schnee, wobei sich manche in einigen Regionen in diesem Jahr sicherlich weniger gewünscht hätten; die Sommer waren nicht so verregnet, die Jugend war besser erzogen, die Menschen freundlicher und sie hatten noch Zeit füreinander. In unserer Erinnerung verklärt sich vieles, das wissen wir alle. Aber wenn man alles nur in der Erinnerung sieht, kommt die Gegenwart schlecht weg. Früher. Wer so denkt, hat jetzt kaum mehr Freude am Leben.
Manche Menschen sehen ihre Vergangenheit aber genau anders herum. Eine wenig glückliche Kindheit in den Kriegs – oder Nachkriegsjahren, eine gescheiterte Ehe, ein unglücklicher Abschnitt im Berufsleben – und am Ende bleibt nur das Missglückte im Gedächtnis haften. Der Zorn, oder die Traurigkeit decken alles andere zu, auch die vielen glücklichen Tage. Schade eigentlich, denn so werden aus den vergangenen Jahren verlorene Jahre.
Wie kommt das zustande, dieses Schwarz -Weiß? Entweder, es war früher alles besser – oder es war alles ganz furchtbar? Der Psychologe Harald Welzer (ders., Das kommunikative Gedächtnis, Eine Theorie der Erinnerung) hat untersucht, wie das Gedächtnis funktioniert. Und herausgefunden: Das Gedächtnis ist nicht eine Schublade, aus der man herausholen kann, was man irgendwann hineingesteckt hat. Das Gedächtnis ist vielmehr so etwas wie ein Künstler, ein „kreativer Designer“, der bedeutungsvolle Bruchstücke ein Leben lang neu und anders zusammenfügt. Die Erinnerung an Vergangenes ist eine Konstruktion, die aus dem entsteht, wie ich mich jetzt, in diesem Moment sehen will. Und auch, wie ich von anderen gesehen werden will. Ich mache mir meine Vergangenheit zurecht, damit sie zu dem passt, wie ich jetzt mein Leben empfinde. Das ist keine böse Absicht – so funktioniert das Gedächtnis eben… Sagt der Psychologe und mir scheint, damit lässt sich vieles erklären.
Aber weil das so ist, wäre es vielleicht gut, wenn ich in den Schubladen meines Gedächtnisses immer mal wieder ein bisschen Licht machen und genauer hinsehen würde. Damit mir auch das wieder einfällt, was damals gut war – trotz allem. Oder das, was auch früher nicht so richtig geklappt hat.
Vielleicht würde dabei helfen, was mir ein Beter in der Bibel empfiehlt (Psalm 77). Der sagt: „Ich gedenke der alten Zeit, der vergangenen Jahre… dabei denke ich an die Taten Gottes, ja ich denke an deine vergangenen Wunder.“
Zurückdenken und die guten und die schlechten Erfahrungen als Zeit mit Gott begreifen. Die guten Erfahrungen als Geschenk, für das ich dankbar sein kann. Und die schlechten: als Zeiten, in denen ich gelernt habe und gewachsen bin. Dann kann beides – das Gute und das Bedrückende – ein Teil meiner Vergangenheit sein – und ich kann es gut sein lassen, mein je eigenes Leben dankbar annehmen und auch heute und morgen Freude haben am Leben.
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Erstellt am: 11.03.2012 08:39 Uhr
