Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
„Mit welchem Glied sündigen wir am meisten…?“, so begann in der Predigtausbildung einer der angehenden Kollegen seine Ansprache. Gespannte Stille und oder auch verlegene Mienen bei uns allen. „Mit der Zunge!“ – antwortete er nach einer kurzen Pause. Erleichtert – vielleicht auch beschämt der eigenen Gedanken – saßen viele da und grinsten. Jetzt wissen wir es also: Mit der Zunge sündigen wir am meisten.
Dazu passt doch aber auch das Sprichwort: „Da beiß ich mir doch lieber die Zunge ab, als jetzt was zu sagen“. Doch halt: Darauf möchte ich nicht wetten, denn das könnte gefährlich ausgehen. Schließlich nehme ich oft auch kein Blatt vor den Mund und so manche Zeitgenossen haben mir auch schon – zumindest ab und an – eine lose Zunge oder ein loses Mundwerk attestiert. Und wie ist das bei Ihnen? Immer wieder – und da will ich Ihnen jetzt nichts unterstellen – erleb’ ich doch, dass über die Leute am meisten geredet wird, die nicht anwesend sind: „Haben sie schon gehört? Der hat… und die will wieder….“ Und was dann so über die Lippen kommt, das ist selten etwas Gutes. Auf die Art und Weise entstehen die tollsten Gerüchte und die übelsten Nachreden. Wie schnell ist da der gute Ruf eines Mitmenschen ruiniert, sein Name in den Schmutz gezogen? Oder: Wie rüde ist oft unser Umgangston untereinander. Da wird nicht mehr miteinander gesprochen und diskutiert, da wird nur noch geschrien. Da spricht man nicht offen; nein, hinterhältig wird formuliert, der andere mit spitzer Zunge in die Ecke getrieben. Braucht man sich da noch zu wundern, wenn das Klima vergiftet und die Beziehungen abgekühlt sind? Und das alles mit der Zunge.
Auch einer der biblischen Schriftsteller nimmt diesbezüglich kein Blatt vor den Mund. Er sagt in etwa: Die Zunge ist nur ein kleines Körperglied, und doch ist sie ein Feuer, eine Welt voller Ungerechtigkeit. Sie kann den ganzen Menschen verderben, weil niemand sie zähmen kann – dieses ruhelose Übel, voll von tödlichem Gift. Und so heißt es richtiger-weise weiter: Aus ein und demselben Mund kommen also Fluch und Segen. (Jak 3,1…)
Das Sprichwort: „Sich lieber die Zunge abbeißen“ hat seine Wurzeln auch in der Bibel. Allerdings in einem anderen Zusammenhang. Im letzten Buch, der Offenbarung des Johannes, da zerbeißen sich die Menschen z.B. vor Angst und Schmerz die Zunge. (16,10) Was nun dieses unkontrollierte Körperglied angeht, so gibt es in der Bibel auch Aussagen darüber, die alle, die ein loses Mundwerk haben, beunruhigen sollten. Da heißt es nämlich einmal, dass wir für jedes unnütze Wort Rechenschaft ablegen müssen (Mt 12,36). Dass Gott die falschen Zungen, die Lügen zuflüstern und Streit entfachen, einfach abscheulich findet (Spr 6, 16ff). Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Das sind keine göttlichen Drohungen, um uns Angst einzujagen. Es ist vielmehr ein Appell: So zu reden, dass wir dabei doch behutsam und wahrhaftig sein und bleiben sollten. „Sich lieber die Zunge abbeißen“, das ist mir ehrlich gesagt zu heftig. Doch ich will mir gerne zu Herzen nehmen, was Matthias Claudius gesagt hat: „Sag nicht alles, was du weißt – aber wisse immer, was du sagst!“ In diesem Sinne – überlegen Sie, was Sie heute sagen!
Infos unter:
Erstellt am: 04.02.2012 13:14 Uhr