Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Kennen Sie auch solche Spiegel, vor denen man sich eigentlich nur hässlich fühlen kann? Also mir ergeht es so immer im Kaufhaus, in diesen kleinen Kabinen mit dem schrecklichen Neonlicht. Da das Wetter hier auf Teneriffa die letzten Wochen auch nicht der Renner war und die Arbeit mich derzeit oft ans Büro fesselt, da wirkt dann das Gesicht in diesem Licht so richtig kalkweiß und aschfahl. Selbst eine neue Hose oder ein neues Sweatshirt bringt da keinerlei Aufheiterung. Allerdings gibt es auch Spiegel, in die ich recht gerne schaue. Z.B. in jene, auf die das Licht so scheint, dass all jene, die davor stehen, nur in einem wirklich guten Licht erstrahlen können.
Mir fällt auf, dass Spiegelbilder doch recht unterschiedlich aussehen. Und vor allem: Es ist erstaunlich, wie sie die Laune von uns Menschen beeinflussen. Ich stelle bei mir immer fest: Je nachdem, was mir dieses Bild gerade wiederspiegelt, geht meine Stimmung schon mal empfindlich runter oder auch gewaltig rauf. Mit Menschen geht mir das ähnlich. Da gibt es doch welche, die spiegeln mir immer nur Hässlichkeiten; sie meckern an mir herum und lassen mich und auch das, was ich tue, nur in einem schlechten Licht erscheinen. Nichts gibt es, was da gut ist; anscheinend gibt es eben keines von diesen sprichwörtlich „guten Haaren“ an mir. Da muss ich mich dann aber auch nicht wundern, wenn ich mich kalkweiß fühle, mit mir selbst unfähig und unzufrieden.
Aber es gibt ja – Gott sei’s getrommelt und gepfiffen – auch die anderen; all diejenigen, die eben die guten Seiten an einem sehen. Menschen die einen Blick dafür haben, was an einem anderen schön und liebenswert ist. Die loben und bestärken können; ganz ehrlich, herzlich und ohne Neid. Die eben ein gutes Licht auf einen werfen und so zeigen können: Du bist schön, du bist ok und einzigartig! Jede und jeder von uns braucht das: dass andere ihm Positives spiegeln. Hand auf’s Herz: Keine und keiner von uns ist doch wirklich gänzlich unabhängig davon, was ihm die Spieglein an der Wand so sagen und vor allem die Menschen um einen herum, selbst wenn die betreffende Person noch so vor Selbstbewusstsein strotzt und unabhängig wirkt. Man braucht diese positiven Bilder in sich – und wir dürfen sie durchaus genießen, wenn wir sie geschenkt bekommen.
Allerdings dürfen wir auch selbst so etwas wie „gute Spiegel“ werden. Ich meine damit, nicht einfach drauf los zu loben, womöglich sogar heuchlerisch. Nein – einfach das Vorteilhafte am anderen sehen und es dann auch benennen. Übrigens ist das gute biblische Tradition. Denn das Neue Testament ist voll von Geschichten über positive Bilder. Jesus war einer, der den Menschen gespiegelt hat: Du bist wertvoll, dich möchte ich kennen lernen, dich will ich heilen. Und er sagte es gerade denen, die sonst immer nur schlechte Bilder von sich zu sehen bekamen: Sünder, Kranke, Arme und Ausgestoßene. Es verändert uns, wenn wir im Spiegel ein schönes Bild von uns sehen – erst recht, wenn der Spiegel ein menschliches Gesicht hat. Probieren Sie es mal – nicht nur zur Karnevalszeit!
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Erstellt am: 31.01.2012 14:47 Uhr