Zündfunke, Samstag 21.07.12

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Niemand von uns kann sich nur in Nähe flüchten und niemand kann gleichsam nur auf Abstand leben. Einerseits kann Nähe zuviel sein und unerträglich werden; andererseits kann Abstand etwas sehr Bedrohliches an sich haben.
Beziehungen leben von beidem: von Abstand und Nähe. Nähe heißt in Kontakt kommen, vertraut sein. Da wird aus dem ich und Du ein „Wir“. Ein seltsames Wort: „Wir“ fasst zwei oder mehr Personen zusammen, so dass sie wie ein einziges Wesen erscheinen. „Gehen wir zu dir oder zu mir?“ Jede Individualität verschwindet in diesem „Wir“. Obwohl wir wissen, dass jede und jeder sein eigenes Leben leben muss, so gibt es doch diese Sehnsucht nach der Nähe zu anderen, nach der Verschmelzung im „Wir“. Die Werbung spielt da natürlich sofort mit: Sehnsucht nach Harmonie mit einem Partner, heile Familie. Die Sehnsucht nach Einklang mit der Natur und im Einssein mit dem Absoluten. Einsamkeit ist dann oft der Antrieb, Nähe künstlich zu schaffen, mit Geld, Tricks, Annoncen oder über Vermittlungsinstitute – übrigens eine seit Jahren boomende Branche.
Allerdings kann Nähe – wie bereits erwähnt – auch unerträglich werden. Wenn z.B. der andere an einem klebt wie eine lästige Klette. Doch je größer der Abstand, desto größer kann auch die Angst sein, einen vertrauten Menschen zu verlieren. Ich kann einem Menschen sehr nahe sein, obwohl ich kilometerweit von ihm entfernt bin, vielleicht sogar in einem anderen Land oder einem anderen Kontinent. Ein Brief, ein Telefongespräch, eine SMS oder ein Gedanken – und schon ist man sich sehr nahe. In diesem Sinne können einem selbstverständlich auch Verstorbene sehr nahe sein.
Nähe und Abstand. Beziehungen leben von beidem: Es erfordert Mut, auf Abstand zu gehen, um zu sehen, wo ich stehe. Abstand bringt die Chance, mir selber und anderen gegenüber klarer zu werden – und vielleicht auch ehrlicher. Abstand heißt wohlgemerkt nicht: einen Seitensprung zu machen! Da wird ja nur die eine Nähe gegen eine andere ausgetauscht. Abstand heißt auch nicht Einsamkeit, sondern es bedeutet, es auch mit sich selber – und zwar allein – auszuhalten. Ich finde es heilsam, nicht nur in Beziehungen zu agieren und zu reagieren, sondern bewusst auch mit etwas Abstand zu erkennen, was mir diese Beziehung wert ist. Für mich allein zu spüren, wo meine Grenzen und Verletzbarkeiten sind, damit ich diese Schwächen nicht am Partner auslebe. Es gibt eine Zeit der Nähe und eine Zeit des Abstands. Das gilt für jede menschliche Beziehung und ich meine, das gilt auch für die Beziehung zu Gott.

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Erstellt am: 21.07.2012 17:14 Uhr

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