Andrea Bolz, deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de La Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Wenn es gerecht zugeht, dann ist viel gewonnen. Dann kann ich mich darauf verlassen, dass ich auch bekomme, was ich verdient habe. Das ist nicht selbstverständlich. Gott sei Dank setzen sich immer wieder Menschen für gerechte Verhältnisse ein. Wenn es gerecht zugeht, dann ist viel gewonnen.
Manchmal ist es aber auch umgekehrt. Wenn es gerecht zugeht, dann ist alles verloren. Ich kann nichts verdienen, wenn ich nicht mehr kann. Und wenn ich für jeden Fehler das erhalte, was ich verdient habe – dann komme ich womöglich nie mehr auf die Beine. Diese Befürchtung hatten zum Beispiel die Menschen, von denen in der Bibel im Buch Daniel erzählt wird. Die hatten schwere Zeiten hinter sich. Die nicht mehr konnten, kamen gnadenlos unter die Räder.
Im Grunde haben wir es wohl nicht besser verdient, fand Daniel. Aber wenn es so weitergeht, dann gehen wir alle miteinander unter in Chaos und Gewalt. Daniel begreift: wenn Gerechtigkeit immer nur heißt, dass jeder kriegt, was er verdient – dann ist das am Ende gnadenlos und ungerecht für alle. Deshalb bittet er Gott: Hilf uns. „Wir vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ (Dan 9,18) Daniel vertraute darauf, dass Gott nicht bloß irgendein Prinzip „Gerechtigkeit“ durchsetzen und dazu ein Exempel statuieren will. Gott, der alles Leben geschaffen hat, der will, dass seine Geschöpfe leben können. Alle. Auch die, die es allein nicht schaffen. Und auch die, die schwere Fehler gemacht haben. Gott fragt nicht als erstes, was einer oder eine verdient hat. Ich gebe zu, dass mich das beruhigt. Gewiss: Bisher habe ich das meiste aus eigener Kraft geschafft. Aber wie oft habe ich schon gehofft: wenn das mal gut geht. Ich bin froh, dass Gott mich auch dann nicht aufgibt, wenn es mal nicht gut gegangen ist. Mich nicht, und die nicht, die ich lieb habe.
Alle sollen leben können. Dazu muss es gerecht zugehen. Das ist klar. Aber erst recht barmherzig. Dann kriegen die eine Chance, die aus eigener Kraft nicht weiter kommen. Wie der Sohn, von dem Jesus erzählt hat. Auf der Suche nach dem Glück war er ins Abseits geraten. Aber sein Vater gab ihm eine neue Chance. Verdient hatte er das sicher nicht. Aber er konnte wieder leben. Oder, in unseren Tagen, die jungen Leute, die hier auf der Insel leben, um sich hier auf einen Schulabschluss in Deutschland vorzubereiten. Haben Sie das verdient? Ich weiß es nicht, aber sie haben es nötig, wenn sie auf die Beine kommen sollen. Und nur darum geht es.
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Erstellt am: 09.02.2013 15:41 Uhr
