Hallo und herzlich Willkommen liebe Schwestern und Brüder!
Völlig ratlos traf ich einen Freund von mir an. „Ich glaube, mein Chef dreht demnächst völlig durch“, war sein einziger Kommentar. Es war erst ein paar Monate her, als er – damals neu in der Firma – seinen Chef in den höchsten Tönen lobte. Er sei so offen, nett und wirklich ok. Und jetzt? Auf einmal war alles ganz anders. In den wenigen Wochen hatte sich eine regelrechte Hass-Liebe zwischen den beiden entwickelt. Und ich denke: Wir alle kennen solche Erfahrungen. Da klappt zu Beginn alles ganz wunderbar und ganz harmonisch – sei es nun in einem Betrieb mit dem Chef oder auch in der Familie, mit den Arbeitskolleginnen und Kollegen oder auch dem Fußballverein. Aber auf einmal wendet sich das Blatt und man fragt sich achselzuckend: Warum? Das so gute Verhältnis kühlt sich ab bis zur Feindseligkeit – in diesem Fall zwischen Chef und Angestelltem.
Ein wichtiger Punkt, und das hab ich meinem Freund auch gesagt, ist der, dass ein Chef natürlich Erwartungen an seine Mitarbeiter hat, die er oftmals gar nicht verbalisiert, sondern einfach in sich trägt. Oder der Mitarbeiter nimmt sie zwar wahr, nimmt sie sich aber nicht zu Herzen, weil er nicht bereit ist, irgendwelche Kompromisse einzugehen. Und schon ist der Konflikt vorprogrammiert. Entweder man spricht über Erwartungen und Wünsche oder es kommt zum Eklat, zum Aufstand. Dann spricht man mit anderen und sucht sich Verbündete. Der Chef schimpft auf die undankbaren, wenig kooperativen Mitarbeiter, die ihn in wichtigen Situationen im Stich lassen, was dann oftmals in dem Satz gipfelt: Alles muss man alleine machen. Und umgekehrt beschwert sich der Angestellte und Schuld – da braucht man gar nicht lange zu überlegen – hat sowieso immer der andere.
Chef sein will gelernt sein und es ist nicht einfach. Solche Chefs gibt es ja auch in der Kirche – ein heikles Thema, denn Jesus sagt ja: Bei euch soll es nicht so sein. Und wie es sein kann, das lebt er den Jüngern systematisch vor. Er ist ja sozusagen auch ein Chef – der Chef seiner Jünger. Und was da sofort ins Auge fällt ist, dass er ein Chef mit Herz ist. Er stellt seine Jünger nie bloß vor anderen und steht vor allem zu seinem Personal. Er gibt sein Leben hin für die anderen und erwartet dies auch von seinen Jüngern. Also: Mitnichten ein bequemes Leben auf Kosten anderer. Jesus sucht nach Lösungen, erklärt in Gleichnissen und zeigt seinen Jüngern, wo die Kraftquellen im Leben liegen: Im Gebet und in der Stille; so kann man auch Zeiten des Misserfolgs und der Frustration überstehen. Das Geheimnis Jesu ist dabei recht einfach. Er ist davon überzeugt, dass der Vater im Himmel letztlich die Verantwortung hat und nicht er. Er kann loslassen, kann abgeben, macht sich nicht selbst zum Mittelpunkt, zur Vater- oder gar zur Cheffigur, die mit Enttäuschungen nicht umgehen kann und jegliche Kritik persönlich nimmt. Nein, er weiß um seine Aufgabe. Er verkündet das Reich Gottes, ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit; keine machtpolitischen Interessen, sondern Dienst – mehr nicht. Ich wünsch meinem Freund von ganzem Herzen, dass sein Chef ein wenig von meinem und natürlich auch von ihrem Chef Jesus verstehen lernt, damit ihm Leben und Arbeit wieder neu gelingen können.
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Erstellt am: 27.06.2012 09:28 Uhr
