Zündfunke, Donnerstag 26.04.12

Guten Morgen!
Tagebücher haben es in sich. Deshalb ist mir auch ziemlich nachgegangen, was eine irakische Ordensschwester während des Krieges in ihr Tagebuch eingetragen hat. Sie schrieb da: „Es gab etwas, was mir persönlich während der Bombenangriffe geholfen hat. Wir Schwestern haben versucht, diese Ereignisse neu zu lesen. Und als Thema für uns haben wir gewählt:
‚Die Entwaffnung unserer selbst’. Entwaffnung – und zwar die von Saddam Hussein – war ja das erklärte Ziel dieses Krieges. Also haben wir in einem geistlichen Gespräch überlegt, wie wir uns selbst entwaffnen können, die eine vor der anderen. Das hat uns sehr geholfen, die Situation zu bestehen und wir haben Gott sehr deutlich gespürt.“
„Die Entwaffnung unserer selbst“ – das klingt recht eigenartig. Und doch hat es mir zu Denken gegeben. Da ist was dran. Es gibt ja auch so etwas wie Waffen, die wir Menschen im Alltag einsetzen: z.B. Worte; die können auch so etwas wie Stiche und Hiebe für andere sein – angefangen von Tratsch und Spott bis dahin, dass jemand anderes verleumdet und regelrecht fertiggemacht wird. Ich kann auch mein Wissen benutzen, um andere auszustechen. Oder man kann Geld als Waffe einsetzen, als Mittel um es anderen zu zeigen und sie zu demütigen. Jemand kann seine Macht und Stellung missbrauchen, um Mitmenschen zu unterdrücken und ihnen klar zu machen, wer das Sagen hat, wer der Herr oder die Frau im Haus ist. Spüren sie die Waffen des Alltags? Sie sind ganz unterschiedlich und auch ganz verschieden einsetzbar im täglichen Kleinkrieg… Und wenn dann damit gekämpft wird, dann es geht um durchaus Ähnliches wie bei den richtigen Kriegen: Es geht um Rache und Vergeltung. Oder es will sich jemand auf Kosten anderer Vorteile verschaffen, seinen Alltags-Machtbereich ihnen gegenüber ausdehnen. Ein anderer hat es nötig, Mitmenschen klein zu machen, um selbst groß rauszukommen. Oft werden die Alltagswaffen eingesetzt, um die eigenen Schwächen zu kaschieren und eigene Defizite wettzumachen. Manchmal ist solche Gewalt auch nur ein Ablenkungsmanöver von der eigenen Unsicherheit und Angst. Wer es nötig hat, andere klein zu machen und sich künstlich über sie zu erheben, der ist in Wirklichkeit alles andere als groß. Deshalb ist „die Entwaffnung unserer selbst“ vermutlich gar nicht so einfach. Denn sie setzt zuallererst voraus, dass ich zu mir stehen kann, wie ich bin. Wenn das aber der Fall ist, dann kann ich auch mit meinen Schwächen und Defiziten leben und darauf verzichten, andere klein zu kriegen. Und dann, dann kann es auch durchaus passieren, was ein modernes Osterlied so ausdrückt: „Manchmal feiern wir mitten im Streit ein Fest der Auferstehung. Waffen werden umgeschmiedet und ein Friede ist da.“

Infos unter:

Erstellt am: 26.04.2012 09:30 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert