Zündfunke, Dienstag 18.09.12

Der Vorschlag, liebe Schwestern und Brüder, teure medizinische Leistungen an eine Altersgrenze zu binden, der hat sich in der öffentlichen Diskussion rasch als ethisch falsch und wirtschaftlich unsinnig erwiesen. Es entspricht keinesfalls unserem Freiheits- und Würdeverständnis, wenn Dritte darüber entscheiden sollen, ob nun ein Mensch bestimmte Maßnahmen, die er dringend braucht, überhaupt noch wert ist. Eine andere Frage ist freilich, inwieweit jemand selbst darüber entscheiden kann oder auch soll, was er in schwerer Krankheit oder auch fortgeschrittenem Alter noch in Anspruch nehmen will. Muss man wirklich alle medizinischen und technischen Möglichkeiten bis zuletzt ausschöpfen?
Das Evangelium erzählt bei Lukas von dem Greisen Simeon, der auf die Geburt des Erlösers gewartet hat. Ihm war vom Hl. Geist geoffenbart worden, dass er nicht sterben werde, bevor er den Messias gesehen habe. Und ich meine nun: Dieser Simeon hätte, wenn er krank gewesen und in unseren Tagen gelebt hätte, sicherlich alle Maßnahmen der Medizin ausgeschöpft, um auf den Tag X vorbereitet zu sein. Schließlich wollte er dieses entscheidende Ereignis seines Lebens ja nicht verpassen. Andererseits heißt es da dann im selben Evangelium über diesen Mann: Als nun die Eltern den jungen Jesus in den Tempel  brachten, da sagte Simeon: „Nun lässt Du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Licht der Welt gesehen.“ Das große und von ihm sehnlichst erhoffte Ereignis, die Begegnung mit dem Erlöser, war eingetreten – und jetzt konnte Simeon loslassen, jetzt musste er nicht mehr am Leben festhalten.
Ich denke, es gibt viele Voraussetzungen für ein gutes Alter und ein gutes Sterben. Eine ist gewiss die, dass man loslassen kann, weil sich das Wesentliche im Leben ereignet hat. Allerdings hat es nun niemand von uns in der Hand, sein Leben so zu gestalten, dass bis zum Tod das, was einem wichtig erscheint, auch wirklich im Leben seinen Platz hatte. Und es ist schmerzlich, Sterbende in der Qual zu erleben, dass ihr Leben eben noch nicht erfüllt sei. Aber kann man nicht auch hier und dort Beiträge leisten, die eine solche Erfüllung begünstigen? Z.B. in dem man frühzeitig Schuld vergibt oder um Vergebung bittet. Oder – wie man bei uns zu Hause zu sagen pflegt – mit warmen Händen zu schenken, als auf die Erbschaft zu verweisen? Oder miteinander zu reden, solange es noch möglich ist und die Dinge, die einem wichtig sind, auch wirklich zu tun und nicht auf den St. Nimmerleinstag oder die Rente zu verschieben?
Das alles ist keine Garantie, dass man wie Simeon am Ende erfüllt und lebenssatt sagen kann: Nun lässt du mich, o Gott, in Frieden scheiden. Aber es verbessert die Chancen auf ein gutes Lebensende ganz erheblich. Vielleicht muss man sich dann gar nicht bis zuletzt verzweifelt an medizinische Apparate ketten – sondern kann los- und sich in die Hand Gottes fallen lassen.

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Erstellt am: 18.09.2012 18:27 Uhr

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