Andrea Bolz, deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de La Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
In der Tasche einer alten, zerrissenen Jacke, die einem geisteskranken Insassen des Chicagoer Armenhauses gehörte, wurde nach dessen Tod ein Testament gefunden. Dieser Mann soll einmal Rechtsanwalt gewesen sein. Das Testament war in einer festen klaren Handschrift auf einige Fetzen Papier geschrieben. Es war so ungewöhnlich, dass es einem Anwalt übergeben wurde. Tief beeindruckt davon, verlas er es vor einem Chicagoer Nachlassgericht, welches das Testament für gültig erklärte. Auch ich möchte es ihnen vorlesen:
Das Testament lautet:
„Ich, Charles Lounsberry, der ich gesunden und zurechnungsfähigen Geistes bin, mache hiermit kund und öffentlich diesen meinen letzten Willen und mein Testament.
Den guten Väter und Müttern übergebe ich zu treuen Händen und in der Verwaltung für ihre Kinder alle die guten Worte des Lobes und der Ermutigung, und ich beauftrage besagte Eltern, diese gerecht aber freigiebig auszuteilen.
Ich vermache den Kindern insgesamt, aber nur für die Dauer ihrer Kindheit, eine jede Blume auf den Wiesen und alle Blüten der Wälder mit dem Recht, unter ihnen zu spielen, aber ich warne sie zu gleicher Zeit vor Disteln und Dornen. Und ich hinterlasse und vermache den Kindern die Ufer der Bäche, den goldenen Sand unter den Wassern, die Düfte der Weiden, die allda ihre Zweige hinein tauchen, und die weißen Wolken, die hoch über den riesigen Bäumen dahintreiben. Und ich vermache den Kindern die langen, langen Tage, in ihnen auf tausenderlei Weise fröhlich zu sein; und die Nacht und den Zug der Milchstraße schenke ich ihnen, um darüber zu staunen.
Den Liebenden vermache ich ihre ideale Welt mit allem, was sie benötigen, wie die Sterne am Himmel, die roten Rosen an der Mauer, den Duft des Weißdorn, die süßen Melodien der Musik und alles Übrige, was sie sonst noch begehren mögen, um sich die Dauer, die Schönheit ihrer Liebe einander darstellen zu können.
Und denen, die nicht länger Kinder, junge Menschen oder Liebende sind, hinterlasse ich die Erinnerung. Ich vermache ihnen die Gedichte von Shakespeare und anderen Dichtern, wenn es solche gibt, damit sie die längst vergangenen Tage in ihnen noch einmal durchleben können, ganz deutlich und wie gegenwärtig, ohne Minderung und Einbuße. Unseren Geliebten mit den schneeigen Kronen vermache ich das Glück des Alters, die Liebe und die Dankbarkeit ihrer Kinder – bis sie in ewigen Schlaf fallen“.
Jedem von uns ist etwas vermacht worden. Lasst uns also unser Erbe antreten.
Infos unter:
Erstellt am: 05.02.2013 18:43 Uhr
