Liebe Schwestern und Brüder!
Aus der Zeit Jesus gibt es folgende Erzählung, die Lukas in seinem Evangelium aufgeschrieben hat.
„In einer Stadt lebte ein Richter, der nicht nach Gott fragte und die Menschen verachtete. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe. Die kam immer wieder zu ihm gelaufen und bat ihn: Verhilf mir zu meinem Recht!“
Über das Alter der Frau sagt Lukas nichts, es kann eine Frau jeden Alters gewesen sein, eine Frau aber, die in der damaligen Zeit völlig rechtlos und verloren dastand, wenn sie keinen neuen Mann fand. Eine schutzbedürftige Frau also. Und in so fern ein wirklicher Fall für das Gericht… „Lange Zeit wollte der Richter nicht, aber schließlich sagte er sich: Es ist mir zwar völlig gleichgültig, was Gott und Menschen von mir halten; aber die Frau wird mir lästig, und deswegen will ich dafür sorgen, dass sie ihr Recht bekommt. Sonst kratzt sie mir noch die Augen aus“.
Schon möglich, dass vor zweitausend Jahren Begriffe wie Rechtssicherheit und Anspruch auf ein geordnetes Verfahren noch unbekannt waren. Gut möglich auch, dass diese Frau als Querulantin galt – so etwas gibt es immer wieder, bis heute. Ein Rechtsstaat aber wird damit fertig. Aber hier: der Richter hat ja nur Angst, sie könnte ihm irgendwie zu nahe treten.
Das Verhalten der Witwe macht Mut, mit Gott zu rechten und zu diskutieren, schon deshalb, weil Gott ja nicht mit dem skrupellosen Richter zu vergleichen ist.
Lukas meint: Versuch es immer wieder, wie die Witwe, suche die Beziehung, bis du sie findest. Doch Zweifel und Durststrecken sind schwer auszuhalten. Genauso auch das Leiden an dieser Welt und an der Ungerechtigkeit. Ich wünsche mir und uns allen die Kraft, diesen Schmerz nicht zu verdrängen, sondern aushalten zu können.
Das Gleichnis sagt uns: Schrei das Unrecht immer wieder heraus. Das bedeutet auch, eine lebendige Beziehung zu Gott zu haben, und Hoffnung, dass vielleicht doch etwas zu bewegen ist. So ist Beten auch ein Ausdruck für den ursprünglichen Wunsch des Menschen nach Gerechtigkeit, Frieden und einem erfüllten Leben.
Infos unter:
Erstellt am: 30.10.2014 19:21 Uhr