Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Kennen Sie diese Kurzgeschichte – oder sagen wir mal diese Verse? „Ich traf einen jungen Mann, kerngesund, gut gekleidet, schicker Sportwagen – und fragte beiläufig, wie er sich fühle: „Was für eine Frage“, sagte er, „beschissen!“ Ich fragte – ein wenig verlegen – eine behinderte, ältere Frau in ihrem Rollstuhl, wie es ihr gehe: „Gut“, sagte sie, „es geht mir gut!“ Da sieht man mal wieder – dachte ich bei mir – immer hat man mit den falschen
Leuten Mitleid.“
Als ich diese Verse las, musste ich unweigerlich grinsen. Sind wir Menschen wirklich immer so, dass wir nur das Äußere sehen und jammern, was das Zeug hält? In der Tat kenne ich das gut – nicht nur von anderen, auch von mir selbst! Ganz egal wie es mir geht – ich finde immer genügend Dinge, die nicht gut laufen und ausreichend Grund zum Jammern geben. Woran liegt das? Ist ein gutes Leben etwa nicht eine lange Reihe von glücklichen Momenten? Nein!
Unser Leben wird erst lebenswert, wenn es nicht nur glatt und damit oberflächlich verläuft.
Es muss ja nicht gleich so sein, wie bei der Dame im Rollstuhl, aber sie hat begriffen, was ihrem Leben Sinn gibt! Sie hat die Erfahrung gemacht, dass ein erfülltes, glückliches Leben nichts damit zu tun hat, ob wir viel Geld haben oder wenig. Es hat auch nichts damit zu tun, ob ich körperlich unversehrt bin oder nicht.
Es gibt immer dunkle und schwere Zeiten in meinem Leben – da ist mir nicht nach Lustig sein zumute – sicherlich. Aber diese Zeiten bergen auch eine Chance in sich: sie geben meinem Leben Tiefgang. Sie lehren mich zu erkennen, was ich habe – und nicht immer nur, was mir fehlen könnte. Sie beenden manchmal die nutzlose Jagd nach immer mehr Glück.
So wie bei meinem Freund: vor einem Jahr warf ihn ein Herzinfarkt völlig aus der Bahn – heute sagt er: „Seit dem lebe ich bewusster, mein Leben dreht sich nicht mehr nur um mich und mein Glück. Ich schätze meine Frau und Familie jetzt ganz anders und kann mich auch über kleine Dinge freuen.“ Die schönen Dinge, aber auch die schweren – beide gehören zu unserem Leben, machen es reich und lebenswert: Freude und Trauer, Lachen und Weinen, Abschied nehmen und Widersehen.
Egal was dieser heutige Tag uns bringen mag. Gott hat ihn uns geschenkt und ich bin gespannt, wie wir ihn anpacken. Ob wir die kleinen Dinge entdecken, die unser Leben wirklich reich machen?
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Erstellt am: 03.03.2014 11:35 Uhr