Gemeindereferentin Andrea Bolz, deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Anonymität: Ein vielgebrauchtes, nach allen Seiten hin auslegbares, geliebtes wie auch verhasstes Wort mit all seinen Ausbreitungen. Im Stadtpark von Budapest steht ein Denkmal eines Anonymus, das Gesicht verschwunden in der über den Kopf gezogenen Kapuze. Ist es das, was Anonymität ausdrückt, was es uns sagt?
Viele Menschen suchen die Anonymität- sie sträuben sich gegen die sogenannte „Sozialkontrolle“, sind froh, irgendwo zu wohnen, wo sie keiner kennt, wo sich niemand über sie beschwert, wo sie tun und lassen können, was ihnen gefällt. Solche Menschen fühlen sich wohl, wenn sie sich in ihr privates Schneckenhaus zurückziehen, sich in der großen Masse verstecken können.
Aber genau diese Art des Lebens hat auch ihre Schattenseiten, und zwar immer dann, wenn die vorher so vielgepriesene Anonymität sich in Einsamkeit oder in Vereinsamung umwandelt. Trotz vielfältiger technischer Möglichkeiten, dank oder soll ich eher sagen, trotz der sogenannten „sozialen Netzwerke“ fühlen sich viele Menschen allein. Anonym zu leben mag in jungen Jahren durchaus seinen Reiz haben, was aber, wenn mein Leben sich durch Krankheit oder Alter so verändert, dass ich nicht mehr alleine, sprich anonym leben kann? Erschreckend sind für mich Beispiele von Begräbnissen, bei denen der Seelsorger vielleicht gerade mal mit einer oder zwei Personen am Grab steht, nicht, weil alle aus dem Umfeld des Verstorbenen auch bereits verstorben sind, sondern weil keiner da ist, der um den Verstorbenen trauert. Bei solch erlebten Situationen frage ich mich schon, war es das wert? Menschliches Leben und Zusammenleben kann doch wirklich nur gelingen, wenn wir im Alltag aufmerksam füreinander sind, miteinander ins Gespräch kommen, wenn wir einander vertrauen und behilflich sind, uns mitfreuen. Großes geschieht dort, wo Menschen verzeihen können, einander Mut machen, sich gegenseitig trösten, um so für ein menschen-freundliches Klima zu sorgen. Dass ich damit nicht erst dann beginnen kann, wenn ich krank oder alt bin, versteht sich wohl von selbst – für mich jedenfalls; es scheint aber keine Allgemeingültigkeit zu besitzen, denn sonst würde es nicht so viele Menschen geben, die wirklich alleine sind, weil sie es versäumt haben in ihren guten Zeiten auf andere zuzugehen, aus ihrer selbstgewollten Anonymität herauszutreten und sich auf andere zuzubewegen. Wie bei dem Meisten im Leben ist der goldene Mittelweg nicht immer der schlechteste, ihn aber zu finden und ihn konsequent zu gehen, ist nicht immer einfach, dass ihnen und mir dies gelingen mag, das wünsche ich uns, nicht nur für den heutigen Tag.
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Erstellt am: 27.11.2013 16:22 Uhr