Gemeindereferentin Andrea Bolz, deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Ein Indianer besucht einen weißen Mann in einer amerikanischen Großstadt. Die beiden gehen im Lärm der hupenden Autos und der ratternden Omnibusse die Straße entlang. Da bleibt der Indianer stehen: „Ich höre eine Grille zirpen.“ Der Weiße antwortet: „Hier gibt es keine Grillen, außerdem würde man sie in diesem Lärm überhaupt nicht hören.“ Der Indianer geht ein paar Schritte zu einer Hauswand, schiebt einige Blätter wilden Weins zur Seite – da sitzt tatsächlich eine Grille. Der Weiße sagt: „Indianer können eben besser hören als Weiße.“ „Da täuscht du dich“, erwidert der Indianer und wirft ein 50-Cent-Stück aufs Pflaster. Es klimpert auf dem Asphalt, und sofort drehen sich die Leute um. „Siehst du“, sagt der Indianer, „das Geräusch, das das Geldstück gemacht hat, war nicht lauter als das der Grille. Und doch hören es viele der Weißen. Der Grund liegt darin, dass wir alle stets das gut hören, worauf wir zu achten gewohnt sind.“
(Joachim Feige, Renate Spennhoff, Hrsg., Wege entdecken, Gladbeck und Stuttgart 1980, S. 146)
Aus jeder Geschichte können wir etwas herausnehmen, was zu uns und unserer Situation passt. Wenn ich diese eben gehörte Geschichte für mich überlege, so stelle ich fest, dass es mir genauso geht. Ich muss oft viel zu viel hören, was ich gar nicht hören will. Das fängt damit an, dass in allen Geschäften, in die ich komme, viel zu laute Musik läuft, die ich ganz und gar nicht hören will. Und es geht weiter mit dem Lärm der Straße und findet seinen Höhepunkt darin, dass immer und überall geredet wird. Dass Menschen ständig mit ihrem Handy telefonieren, egal ob auf der Straße oder im Café. Und dass die Leute, die daneben sitzen, die Gespräche immer mithören müssen, obwohl sie sie gar nicht hören wollen. Dieses ständige mithören müssen, obwohl ich lieber Stille hätte, löst bei mir dann oft einen sogenannten „Durchzug“ aus, das heisst, ich will einfach nicht mehr zuhören, und kriege so – dann auch nichts mehr mit. Das kann mir allerdings auch passieren, wenn ich von vielen Seiten gleichzeitig angesprochen werde, wenn mehrere Leute auf mich einreden und mir keine Chance geben, das eine, so eben Gehörte, erst einmal in mir wirken zu lassen, und darauf zu reagieren.
Ich frage mich oft, was will ich eigentlich hören? Ich habe für mich eine Antwort gefunden: ich möchte auf die Stille hören, sie in mir aufnehmen und in mir wirken lassen. Leider gelingt mir dies nicht allzu oft, oder aber, der Alltag hindert mich daran – Lärm von angenehmen Lauten und Einflüssen zu unterscheiden.
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Erstellt am: 27.11.2013 11:52 Uhr