Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
„Vergib uns unsre Schuld“, das, liebe Schwestern und Brüder, so sagt mein Onkel Erwin, „finde ich immer merkwürdig, wenn man das in der Kirche betet beim Vaterunser.“ Und Tante Erika fragt: „Wieso? Manchmal drückt einen doch etwas, und wenn man um Vergebung bittet, dann fühlt man sich leichter.“ – „Ja, aber man hat doch gar keine Zeit, darüber nachzudenken“, sagt Erwin. „Man sagt: Vergib uns unsre Schuld, also man bittet, dass einem die Sünden vergeben werden, so wie man sich die Hände wäscht, damit das auch mal wieder erledigt ist. So kann man so was Wichtiges doch nicht abhaken. Man müsste sich doch erst mal selber klar werden, was einen da vielleicht drückt.“
„Hm“, sagt Erika, „ich glaub, darum geht es gar nicht. Die Sünden hat man doch schon vorher bekannt, zum Beispiel bei der Beichte oder im Gottesdienst bei den „Herr, erbamre dich“-Rufen. Und der Pfarrer hat einem da doch die Vergebung zugesprochen.“ – „Ja, und warum wird das dann beim „Vaterunser“ noch mal aufgewärmt?“ – „Na ja“, meint Erika, „vielleicht ist was ganz anderes damit gemeint. Es heißt ja auch nicht: Vergib mir meine Sünden, sondern: Und vergib uns unsere Schuld.“
„Da bringst du mich auf was“, sagt Erwin, „das bete ich dann nicht als Einzelner, das beten alle zusammen.“ – „Ja, und sie sagen: Vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Da geht es ja auch um die anderen Menschen.“ – „Also um die Beziehung der Menschen untereinander“, sagt Erwin, „ja, das leuchtet mir ein.“ – „Und die Beziehung zu Gott, natürlich“, sagt Erika.
„Ja“, sagt Erwin, „aber nicht um die einzelnen Sünden, die werden da nicht abgefragt. Die müssten doch vorbei sein, wenn man das vorher ernst genommen hat.
Aber was ist das, die Schuld, die Gott uns gemeinsam vergeben soll? Und warum sagt man das so – fast nebenbei: ‚Und vergib uns unsre Schuld.’ Als ob man sicher wäre, dass er es tut, man erinnert ihn halt mal wieder dran. Klingt ziemlich familiär.“ – „Eben“, sagt Erika, „wir sind ja auch ein Teil der Familie. Das Vaterunser ist doch von Jesus, und der hat gesagt, dass wir so beten dürfen wie er. Wir gehören zu Gott. Wir und die anderen auch. Auch die, die uns was angetan haben. Die gehören auch dazu, ob es uns passt oder nicht. Und Schuld – die ist dann, wenn wir das nicht sein wollen, ein Teil der Familie. Wenn wir uns als bockige, verstoßene Kinder aufführen. Dann stellen wir uns außerhalb der Familie. So wie Kinder und Jugendlich oft, wenn sie in der Pubertät sind.“
„Das heißt“, sagt Erwin, „Jesus hat uns eingeladen, aber gleichzeitig rechnet er damit, dass wir uns immer wieder davonmachen?“ – „Na ja“, sagt Erika, „vielleicht ist die Pubertät ja auch mal irgendwann vorbei.“
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Erstellt am: 24.09.2014 12:41 Uhr