Zündfunke, 22.03.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Verehrte Schwestern und Brüder, heute beginne ich meinen Zündfunken in meiner Muttersprache: „Oh wenn i no scho liege dät – sait sel alt Weible wo am Bettrand sitzt“. Alles klar, ich weiß, das muss jetzt für alle Nichtschwaben unter uns ganz dringend übersetzt werden: „Oh wenn ich nur schon liegen würde, sagt jenes alte Weiblein, das am Bettrand sitzt.“
Was sich zunächst noch ganz lustig anhört, dieser schmerzlich lange Weg vom Sitzen auf der Bettkante zum Liegen im Bett, hat doch einen recht ernsten Hintergrund. Dieser Spruch stammt von alten Bauersfrauen aus meiner schwäbischen Heimat, die geplagt von jahrzehntelanger Feldarbeit in gebückter Haltung solche Rückenprobleme haben, dass sie nur schwer vom Sitzen ins Liegen kommen. Und da es mir diese Woche um Körperhaltungen geht, komme ich um das Liegen einfach nicht herum.
Vielleicht liegen Sie ja gerade, wenn Sie diese Sendung hören und bestenfalls können Sie sich noch einmal wohlig umdrehen. Liegen hat mit Wohligkeit zu tun, mit Ruhe, Entspannung und Lust. In der Bibel ist Liegen der Ausdruck dafür, wenn Frau und Mann miteinander schlafen. Liegen kann aber auch eine Last sein. Wenn man schlaflos wach liegt und sich von einer Seite auf die andere wälzt und einfach nicht in den ersehnten Schlaf kommen kann. Liegen kann eine Last sein, wenn man durch Krankheit ans Bett gefesselt ist, Wochen, Monate oder gar Jahre im Bett liegen muss. Dann braucht es eine unvorstellbare Geduld bei den Menschen, die Liegen müssen und bei den Menschen, die sie pflegen. Liegen ist die bedeutsamste Körperhaltung. Sitzen, gehen, stehen – das ist normal, das ist Alltag. Aber das Liegen, wenn es nicht mit dem Schlafen oder dem Zärtlichkeitsaustausch mit einem anderen Menschen verbunden wird, das deutet auf eine Ausnahmesituation, ja oft auf eine existentielle Situation hin, wenn bei einem Unfall die Menschen am Boden liegen. Aber das gilt nicht nur in Notsituationen; nein, liegen tut man an allen Knotenpunkten des Lebens: bei der Zeugung, bei der Geburt und beim Sterben. Am Beginn des Lebens, wenn es ernst, schön oder wichtig wird im Leben und am Ende des Lebens: wir liegen. Und da hat das Liegen zwar auch mit Ruhe zu tun, aber nicht mit der des Ausruhens, sondern mit einer Ruhe, die außerhalb aller Geschäftigkeit liegt. Eine Ruhe, die die Bedeutung der Situation spüren lässt, ihre Zeitlosigkeit. Eine Ruhe, die den Menschen  zu sich selbst bringen, aber auch auf sich selbst zurückwerfen kann. Das Liegen an den Knotenpunkten des Lebens zeigt die Größe des Menschen an und zugleich wie klein er noch ist. Es zeigt seine Hilfsbedürftigkeit aber auch seine Würde. Wenn er liegt und sich geborgen weiß. Beim Lieben und Leiden, im Leben und im Tod. 

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Erstellt am: 22.03.2014 12:10 Uhr

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