Andrea Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Der folgende Text von Rainer Kunze hat mich sehr berührt: „Mein Großvater“, so beginnt er „mein Großvater war ein Steinkohlenbergmann, der 1000 Meter tief unter der Erde arbeitete. Morgens, wenn die Sonne aufging, fuhr er ins Bergwerk ein und abends, wenn sie unterging, fuhr er aus. Sechs Tage die Woche, 40 Jahre lang. Einer der schönsten Augenblicke seines Lebens sei gewesen, als er nicht mehr habe einfahren müssen und an einem Wochentage plötzlich ‚Sonne auf dem Brot’ gehabt habe.“ Sonne auf dem Brot, dieser Text hat mich so berührt, weil ich mir vorgestellt habe, wie dieser Mann 40 Jahre lang gearbeitet hat. Fleißig, gewissenhaft, verlässlich, unter Tage, dort, wo keine Sonne hinkommt. Dort hat er sein Pausenbrot gegessen. Sicher ein wohltuender Augenblick des Ausruhens, vielleicht auch der Kameradschaft unter den Kumpels. Ein Lichtblick ohne die wirkliche Sonne. Und als er im Ruhestand ist, sieht er zum ersten Mal an einem Wochentag die Sonne auf dem Brot. Da ist er frei, sieht das Brot, für das er so lange im Dunkeln gearbeitet hat, im Licht. Dieser Text hat mich auch deshalb so berührt, weil ich dabei an so viele denken musste, die ganz gewissenhaft und treu ihren Teil zum sogenannten deutschen Wirtschaftswunder beigetragen haben. Und so viel und so lange gearbeitet haben, bis sie krank wurden, oder arbeitslos, oder in Frührente gehen mussten. Der Text mit der Sonne auf dem Brot hat mich aber auch deshalb so berührt, weil ich mit ihm an all die Millionen Menschen denke, die Tag für Tag ihren Dienst, ihre Pflicht tun. Um für ihren Lebensunterhalt, für ihre Familien aufzukommen, um ihre Wohnung oder ihr Haus zu finanzieren oder auch einfach nur um mal grade so leben zu können. An sie alle, die auch oft die Sonne nicht sehen an Tagen wie diesen, wenn sie bei Dunkelheit das Haus verlassen und bei Dunkelheit von der Arbeit zurückkommen. An sie alle möchte ich heute denken, ohne aber dabei die zu vergessen, die dankbar wären, wenn sie überhaupt zur Arbeit aus dem Haus gehen könnten. Ihnen allen wünsche ich Licht für ihre Dunkelheiten. Und sei es nur durch einen schönen Wintertag, dessen Sonne die Welt ein wenig heller und klarer macht. Oder durch einen Menschen, der Licht in das Leben der anderen bringt. Wenn er seine Zeit oder sein Brot mit ihnen teilt.
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Erstellt am: 19.02.2014 10:25 Uhr