Zündfunke, 16.10.13

Andrea Bolz, Deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
„Die, die ich bin, grüßt traurig die, die ich sein könnte.“
Ein Spruch wie geschaffen für den morgendlichen Blick in den Spiegel: „Die, die ich bin, grüßt traurig die, die ich sein könnte.“ Au Backe. Er strotzt nicht gerade vor Fröhlichkeit, dieser Spruch und lässt auf nicht allzu viel Zufriedenheit, Glück oder Wohlwollen schließen. “Die, die ich bin, grüßt traurig die, die ich sein könnte.“ Was steckt nicht alles in diesem Spruch: Wünsche, Sehnsüchte, Träume und zwar durchweg unerfüllte. Was haben wir für Vorstellungen gehabt, als wir unsere Lebensplanung begannen? Welche Visionen haben wir gehabt von uns und den Dingen, die wir uns vorgenommen haben! Und so stehen wir nun vor dem Spiegel, der so entlarvend sein kann. Immer wieder, nicht nur am Morgen, sondern immer dann, wenn wir uns selbst tief und ehrlich in die Augen schauen. Da sieht mich die an, die ich bin. So und nicht anders. Ist Leben in diesen Augen? Freude, vielleicht gar ein Strahlen? Oder ist mein Blick traurig, verbittert oder weicht er aus, mir selbst und den anderen? Die Augen sind die Fenster zur Seele. Augen lügen nicht. Sie erzählen ohne Worte wie es einem geht, wie es um einen steht. Und wenn sie einen traurig anschauen, dann ist es eben so. Dann muss und kann man sich kein Lächeln abringen. Aber erkennen und anerkennen, was mit mir los ist, das muss ich mir zugestehen. Denn, wenn Traurigkeit oder Enttäuschung darin zu sehen sind, dann haben sie ihren Grund. Und genau das zu sehen und zu betrauern ist der erste Schritt zum geraden Blick zurück zu sich selbst. Denn bei nichts und bei niemandem geht alles glatt und ohne Enttäuschungen oder Verletzungen. Und vielleicht gibt es, wenn ich von mir weg zu meinem nächsten schaue, tatsächlich auch Menschen, die mich so nehmen wie ich bin. Und nicht wie ich sein sollte oder ich mich haben wollte. Das, was mich beim offenen Blick in den Spiegel anschaut, ist mein Leben, mit allem, was drin steckt. Mit allen Macken, Ecken und Kanten mit allem Altern, für das ich mich nicht schuldig fühlen muss. Mit allen Erfolgen und allen Misserfolgen, mit Dingen, die ich zu verantworten habe, aber auch mit Dingen, für die ich nichts kann. Wenn ich immer wieder versuche, mir klar zu machen: ich kann zwar vieles steuern in meinem Leben, aber vieles liegt auch nicht in meiner Hand, sondern in der Hand Gottes. Wenn ich versuche mir das klar zu machen, dann kann ich vielleicht auch etwas gelassener in den Spiegel schauen und sagen:„ Die, die ich sein wollte, grüßt freundlich die, die ich bin.“

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Erstellt am: 17.10.2013 19:14 Uhr

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