Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Vor einigen Jahren, verehrte Schwestern und Brüder, berichtete eine Zeitung über Zugvögel, die sich bei ihrem Flug über die Alpen verirrt hatten. Das ist mehr als ungewöhnlich, denn Zugvögel, das wissen wir alle, sind Meister der Orientierung – uns Menschen darin wirklich um mehr als Längen voraus.
Was aber war damals passiert? Was hatte dazu geführt, dass die Vögel auf einmal ausser acht gelassen haben, was ihnen doch von Anfang an mit auf den Lebensweg gegeben ist? Die Zugvögel, so habe ich es damals gelesen, waren in der Dämmerung von den Lichtern an der Nordeinfahrt des Sankt-Bernhard-Tunnels angelockt worden und flogen so in die schwach erhellte Röhre hinein wie in eine Falle. Bald wollten und konnten sie nicht mehr vor und nicht mehr zurück – sie gerieten in Panik und flatterten ängstlich hin und her. Die künstlichen Lichtquellen an den Wänden einerseits und dazu noch die gleisenden Scheinwerfer der hereinfahrenden Autos andererseits irritierten sie so, dass sie panisch wurden und die Orientierung komplett verloren haben. Man muss sich das mal bildlich vorstellen: Ein großer Vogelschwarm, der in einem heillosen Chaos in der Tunnelröhre des Sankt Bernhard hin und herfliegt; das Geschrei der Tiere ohrenbetäubend – die Situation für die Vögel und die Autofahrer lebensgefährlich.
Doch die Situation konnte entschärft werden: Die Feuerwehr ließ nämlich den Tunnel sperren und versuchte, die Vögel mit einem Trick aus der Röhre zu locken: Sie verwandelte die Innenbeleuchtung des Tunnels in eine fließende Lichterkette. Etappenweise wurden die Leuchtstoffröhren vor dem Vogelschwarm eingeschaltet und hinter ihnen wieder gelöscht. Auf diese Weise gelang es dem Einsatzteam, die Tiere Stück für Stück durch den Tunnel zu leiten. Die Vögel flogen stets dem Licht nach und gelangten so schließlich an den Südausgang der Tunnelröhre.
Für mich ist die Geschichte von den verirrten Zugvögeln im Sankt-Bernhard-Tunnel nicht nur eine nette Anekdote. Nein, ich sehe darin auch eine Mutmachstory – für Zeiten, in denen man im Dunkeln tappt. In der Bibel steht der Satz: „Deine Worte, Gott, sind mir auf meinem Lebensweg zu einer Lichtspur geworden, der ich folgen kann.“ Es gibt einen Weg mitten hindurch. Schritt für Schritt, immer einer Lichtquelle nach, von der ich glaube und hoffe, dass sie von jemandem entzündet wird, der die Richtung zum Ausgang kennt – auch und gerade dann, wenn ich selbst jede Orientierung verloren habe.
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Erstellt am: 16.11.2013 11:06 Uhr