Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Es gibt im katholischen Kirchenjahr nur einen Tag, verehrte Schwestern und Brüder, an dem uns in einem Gottesdienst gleich zwei verschiedene Evangelien vorgetragen werden – das ist der heutige Palmsonntag, mit dem die Heilige Woche – die Semana Santa – die Karwoche beginnt. Schon oft bin ich da auch von Mitfeiernden gefragt worden: Ja, muss das denn sein? Kann man es nicht beim Jubel zu Beginn der Karwoche belassen? Weshalb muss
denn an diesem Tag auf den Jubel auch noch sofort die Leidensgeschichte folgen?
Zugegeben: Es ist eine mehr als berechtigte Frage, an der auch ich lange herum überlegt habe. Doch zwischenzeitlich ist mir klar und bewusst geworden: Der Palmsonntag ist und bleibt ein Tag voller Widersprüche. Ein Tag, der uns zeigt, wie das Leben eben oft so ist. Ein Tag, der uns mitunter auch die Abgründe unserer eigenen Herzen erschreckend und schonungslos ans Tageslicht fördert.
Zunächst ist da ja die Begeisterung, die dem heutigen Sonntag auch seinen Namen eingebracht hat. Mit Palmzweigen in den Händen rufen die Menschen laut: „Hosanna! Gesegnet sei der, der da kommt im Namen des Herrn, der Königs Israels!“Doch dann die Wende, die Umkehr, der radikale Widerspruch. Jene, die da gerufen hatten: „Hosanna, dem Sohne Davids!“, die riefen nur wenig später: „Wir haben keinen anderen König als den Kaiser. Weg mit ihm, kreuzige ihn.“ Ja, so ist der Mensch. So sind auch wir manchmal, ob wir das nun wirklich wahrhaben wollen oder nicht. Heute so – morgen so. Der Palmsonntag, ist er vielleicht sogar ein Spiegelbild meiner selbst?
Wir feiern Palmsonntag – den Tag voller Widersprüche. Den Tag, der uns in den Spiegel schauen lässt. Wie oft schon riefen auch wir: „Hosanna“, waren wir von jemandem oder etwas begeistert – und wie schnell haben wir uns davon wieder losgesagt; haben wir Menschen fallen lassen, die uns anscheinend so wichtig waren. Wie das Volk, wie Petrus, Judas und Pilatus – so sind auch wir oft. Sich dessen bewusst zu werden, das kann dieser Tag der Widersprüche bewirken. Von daher ist es gut, dass wir den Palmsonntag feiern, genau in der Form, wie wir es gewohnt sind. Mit dem Evangelium, das uns das „Hosanna“ vor Augen führt, aber auch der Leidensgeschichte, die es ins Gegenteil verkehrt.
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Erstellt am: 13.04.2014 16:35 Uhr