Zündfunke, 12.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Ich kann mich noch erinnern, verehrte Schwestern und Brüder, wie ehrfürchtig der junge Mann die Schallplatte in der Hand hielt. Es war die Originalfassung der „Revolver“ von den Beatles aus dem Jahr 1965. Für den 17-jährigen Schallplattenfreak etwas ganz Besonderes auf dem Flohmarkt. Oder ich denke an die Fußballfans, die sich die schweißgetränkten Trikots ihrer Vereinshelden unter den Nagel reißen, wann immer diese sie unters Volk werfen und ich bin mir sicher, so manch einer hütet das wie einen Schatz.
Im Deutschen haben wir für dieses Phänomen ein seltsames Wort. Es heißt „Ehrfurcht“ und wir verwenden es dann, wenn wir vor etwas ganz Besonderem sprichwörtlich in die Knie gehen. Der Duden sagt mir, wie man Ehrfurcht am ehesten umschreiben kann: „Achtungsvolle Scheue, Respekt vor der Würde, Anerkennung der Erhabenheit.“ Gut, das gilt nun nicht unbedingt für ein Handtuch oder für ein Trikot, aber für die Personen, die es tragen oder die man damit verbindet und die für einen Normalsterblichen eigentlich unerreichbar sind.
Ich gebe zu: Ehrfurcht, das klingt heute etwas altbacken und irgendwie aus der Mode gekommen. Respekt – ja, aber Ehrfurcht? Das mag daran liegen, dass dieser Ausdruck zunächst etwas mit dem religiösen Bereich zu tun hat. Es steht für eine Haltung, in der man noch etwas wahrnimmt, für das der, der eben keine Ehrfurcht hat, blind ist: Für die Empfindungen, dass etwas heilig und unnahbar ist oder zumindest sein kann. Für die Erfahrung des Hohen, Mächtigen und Herrlichen, des Jenseitigen oder auch des Einzigartigen.
Vielen Besuchern von Kirchen scheint das ja auch abhanden gekommen zu sein. Gerade in der Urlaubszeit beobachtet man Menschen, die nur die alten Mauern sehen und sich auch dementsprechend benehmen. Es fehlt ihnen an Ehrfurcht, denn sie haben diesen Gott vielleicht noch gar nicht kennen gelernt. Diese Menschen werden mehr, ihre Zahl nimmt zu und das ist nicht gefährlich. Denn wo einer Gott nicht kennt und keine Ehrfurcht vor dem Schöpfergott empfindet, der treibt vielleicht auch leichter Raubbau an der Natur, an Gottes guter Schöpfung und da sieht menschliches Leben oft einfach als Verfügungsmasse an.
Einer, der Zeit seines Lebens darauf hingewiesen hat, wie wichtig die Ehrfurcht vor dem Leben ist, war Albert Schweitzer. „Bringt dem fremden Leben soviel an Ehrfurcht entgegen wie dem eigenen“, predigte er. Und in der „Erklärung zum Weltethos“ formuliert das so genannte „Parlament der Weltreligionen“ bereits 1993, dass die „Ehrfurcht vor allem Leben“ eine der Grundbedingungen für eine friedliche und lebenswerte Welt der Zukunft bedeutet.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:09 Uhr

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