Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Mittwoch, 11.01.12:
Hallo und herzlich Willkommen zu einem wunderschönen Morgen!
„Kennen Sie das? Da geht man allein ins Kino und schon treffen einen die Blicke im Foyer. Eine Mischung aus Mitleid und Distanz. Muss ja ein schlimmes Schicksal sein, wenn man so ganz alleine ins Kino geht. Keine Freunde, keine Familie, niemanden, der einen lieb hat. Aber das stimmt alles nicht. Nein, ich hatte einfach Lust mal etwas allein zu machen.“
Dem Autor dieser Textzeilen kann ich eigentlich nur beipflichten. Auch ich gehöre zu der Kategorie Menschen, die gerne mal etwas alleine machen. Die es genießen, ab und an einfach nur mit sich selbst zu tun zu haben. Zeit für sich selbst zu haben.
In den Ohren vieler Zeitgenossen klingt das gut und aufregend. Aber wenn man es mal richtig austestet, hat man ganz schnell den Ruf eines Sonderlings weg. In einer Zeit, in der jeder nervös auf sein Handy schaut, wenn es mal 5 Minuten nicht diese komischen Pieps- und Klingelgeräusche von sich gegeben hat oder wo man am Wochenende ganz hektisch herum telefoniert, um am Montagmorgen ja nicht ohne Wochenend-Eventerfahrung dazustehen, da sind Menschen, die ganz gezielt mal allein sein wollen, wirklich etwas sonderbare Menschen – oder nicht?
Dabei hat Alleinsein eigentlich echt Kultur. Alle großen religiösen Männer nahmen sich Zeit zum Alleinsein. Das beginnt schon bei Abraham und Mose, und es setzt sich fort bei Jesus und auch anderen Religionsstiftern wie Mohammed und Buddha. Oder denken wir nur an die vielen Frauen und Männer, die den christlichen Glauben erst für sich entdeckten, als sie sich eine gewisse Zeit dem Alleinsein ausgeliefert und über ihr Leben nachgedacht haben. In der Einsamkeit hat man viel Zeit zum Nachdenken; man macht eine Menge Erfahrungen mit sich selbst und entdeckt oft die besten Ideen für sein Leben. Und am Ende – ja da wissen die meisten mehr über sich und Gott und die Welt als zumindest davor. Nicht zu vergessen: Das Alleinsein setzt unheimlich viel Energien frei. Das beginnt schon damit, dass ich nach einer Zeit des Alleinseins wieder leichter auf andere zugehen kann; ich habe nicht mehr das Gefühl, bei jeder Begegnung, bei all den vielen Kontakten immer nur geben zu müssen und dabei ausgesaugt zu werden.
Ob im Kino oder im Kloster, ob am Strand oder in einer Kirche – man darf allein sein. Man muss sich nicht vorkommen wie der letzte Idiot, der nur keinen anderen seinesgleichen gefunden hat. Viel wichtiger ist doch, dass man sich selbst findet und sich in all dem Gewühl und Geeiere des Alltags nicht völlig verliert – oder irgendwann frustriert feststellt, dass man mit sich selbst überhaupt nichts mehr anfangen kann. Probieren Sie es doch mal: Greifen Sie nicht gleich hektisch zum Handy, sondern versuchen sie sie mal ganz bewusst zu genießen – die Kunst des Alleinseins!
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Erstellt am: 11.01.2012 17:49 Uhr