Zündfunke, 09.08.14

Andrea Bolz
Liebe Schwestern und Brüder!
Ist ein Sündenbock jemand, auf den man seine Schuld abwälzt – dem man eine missglückte Unternehmung zuschiebt- der für die Verfehlungen anderer büßen muss? So ein Sündenbock lässt sich überall finden. Das soll in der Politik und anderswo, aber auch im Alltag vorkommen.
Ein uralter, allzu menschlicher Abwehrmechanismus: Ich lenke von eigenen Verfehlungen ab und belaste andere damit. Das bekannte Spiel, nicht vor der eigenen, sondern vor der Türe anderer Leute zu kehren. Ich überlege also: Wo gibt es in meinem Umfeld einen solchen Sündenbock, wenn es ihn denn gibt? Oder war ich gar vielleicht selbst schon einmal daran beteiligt, einen unliebsamen Zeitgenossen dazu zu machen?
Der Ausdruck Sündenbock ist nicht biblisch, geht aber auf ein alttestamentliches Ritual zurück. Und zwar am Versöhnungstag, dem „jom kippur“, einem alten Buß- und Fastentag in Israel. Ein Ziegenbock wurde ausgelost. Der Hohepriester sprach ein Sündenbekenntnis, legte dem Bock die Hand auf und übertrug auf ihn symbolisch die ganze aufgehäufte Schuld des Volkes. Dann wurde der Ziegenbock in die Wüste gejagt, damit er dort samt der ihm aufgeladenen Sündenlast umkommt. (Levitikus 16,5-10.20-22)
Diese Zeremonie war nicht nur auf Israel beschränkt. Sie war auch bei anderen antiken Völkern und bei verschiedenen Indianerstämmen verbreitet.
Armes Tier, mit dem man einst so umgegangen ist.
Armer Mensch, den man bis heute zum Sündenbock macht, den man aus der Gunst der Mitmenschen entlässt und in die Wüste schickt.
Derweil sieht es ein jeder ein und kann es auch ausprobieren: Wenn ich mit dem Finger auf einen anderen zeige, richten sich gleich drei Finger gegen mich selbst. Eine kleine Selbstkontrolle. Wie leichtfertig oder mit Bedacht gehe ich mit einem Anderen um, zumal dann, wenn des Anderen Nase mir aus welchen Gründen auch immer mal wieder nicht passt?
Jesus hat eine alte Weisheit der Völker übernommen, in dem er sagt:
„Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Matthäus 7,12)
Sollte ich Gefahr laufen, einen anderen zum Sündenbock zu machen und ihn womöglich auch noch in die Wüste zu schicken, dann möchte ich mich daran erinnern.
(nach einer Idee von Michael Broch)

Infos unter:

Erstellt am: 12.08.2014 12:55 Uhr

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