Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, verehrte Schwestern und Brüder!
„Ach, ich bin doch alles, bloß kein Mensch mehr“, stöhnt sie. Sie hängt die Jacke an die Garderobe und stellt die Schuhe darunter. „Was bist du dann?“, fragt er zurück. „Was weiß ich, Packesel, Einkaufsroboter, Putzlappen. Alles, aber kein Mensch.“ Solche Stoßseufzer aus dem Alltag werden schnell überhört, bergen aber tiefe Wahrheiten. Klar, dass zum Mensch-Sein viel mehr gehört als nur das Funktionieren in der Rolle, die man gerade innehat. Klar ist aber auch, dass es gar nicht so einfach ist, das auch für sich in Anspruch zu nehmen.
Mensch-Sein, das hat für mich ganz viel mit dem derzeitigen Advent zu tun. Sich etwas Gutes tun, Zeit haben, mit anderen den Weihnachtsmarkt besuchen und Glühwein trinken, am warmen Ofen sitzen. Ja, das ist ein Teil davon. Aber es gibt noch mehr und das geht tiefer. Der Schriftsteller Heinrich Böll hat das einmal so formuliert: „Es gibt für mich den Menschgewordenen. Und weil der den Menschen, jeden Menschen ernst nimmt in all seinen Dimensionen, muss ich das gleiche tun.“ Man muss sich das klar machen: Böll hat ein Deutschland erlebt, in dem Millionen Menschen das Mensch-Sein einfach abgesprochen wurde. Juden, Zigeuner, Behinderte, das waren keine Menschen und deshalb wurden sie beseitigt. Das hat Böll zu einem radikalen Humanisten gemacht.
„Es gibt für mich den Menschgewordenen.“ Dieses Bekenntnis Heinrich Bölls kann man groß über die gesamte Adventszeit schreiben, denn es beschreibt genau das, was Advent ist: nämlich die vollständige Zulassung der Menschlichkeit. Die Christen haben den Advent ja gerade deshalb erfunden, weil so ein unerhörtes Ereignis, dass Gott an Weihnachten Mensch wird, nicht ohne eine besondere Vorbereitungszeit auskommen kann. Und wenn Gott Mensch werden will, dann sollte uns das auch möglich sein. Dazu gehört, dass ich in den Verkäuferinnen und Schalterbeamten, den Untergebenen und Vorgesetzten, den Schülern und Lehrern, nicht nur Rollen und Funktionen sehe. Advent ist es, wenn ich die Menschen sehe, die mir begegnen. Die Psychologen sagen, dass mit dem Urteil über andere auch das Dunkel in der eigenen Person mit verurteilt wird. Dadurch wird dieses eigene Dunkel nur noch verstärkt. Wenn ich mal versuche, in den anderen vorurteilsfrei nur den Menschen zu sehen, könnte das also dabei helfen, selbst Mensch sein zu können. Sozusagen das Erlebnis eines inneren Advents.
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Erstellt am: 08.12.2013 12:31 Uhr