Zündfunke, 07.11.13

Andrea Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Dürfen, können Christen tolerant sein? Diese Frage ist nicht neu aber deshalb nicht weniger bedeutsam. Im Neuen Testament wird diese Frage zwar so nicht gestellt, aber von Jesus erklärt, im Gleichnis vom Unkraut. Ein Bauer sät Getreidesamen auf seinen Acker. Während der Nacht kommt jemand und streut Unkrautsamen dazwischen. Als die Samen aufgehen, und die Knechte bemerken, dass nicht nur guter Samen auf dem Acker wächst, fragen sie den Bauern, ob sie das Unkraut ausreißen sollen. Er aber gibt Ihnen folgendes zur Antwort: „Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; wenn dann die Ernte da ist, will ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel um es zu verbrennen. Den Weizen aber bringt ein in meine Scheune“.
Bedeutet das nun, bis zur Ernte zu warten, also bis ans Ende aller Tage? Bis dahin muss das Unkraut, das Übel, alles Schlechte erduldet werden? Muss ich über alles, was mich stört, hinwegsehen – also tolerant sein? Oder aber mit Schwung und möglichst schnell, damit nicht noch mehr Schaden entsteht, alles, was nicht gefällt, ausreißen, wegblasen, aus der Welt schaffen? Das genau ist ja auch das Problem aller – egal in welche Richtung gehender Weltverbesserer. Die aufgrund ihrer bestimmt für sie überzeugenden Ideale nicht mehr ihr eigenes Unkraut sehen. Und nur das der Anderen.
Ich glaube, Jesus will uns mit diesem Gleichnis folgendes sagen:
Glaubt doch bitte nicht, ihr könntet durch Aktivität und persönlichen Einsatz das Böse in der Welt ausrotten. Ihr habt ja nicht nur gegen Dummheit und verkehrte Neigungen zu kämpfen, nein, das Unkraut der Welt, das steckt auch in euch selber drin. Und gerade deshalb müssen wir lernen unser Tun eigenverantwort-lich zu hinterfragen. Unser persönliches Gewissen zu schärfen. Was ist, wenn jemand nach reiflicher Überlegung zu anderen Positionen kommt, als die geltenden Ordnungen und die Kirche sie vertreten? Große mittelalterliche Theologen haben dafür plädiert, dass in diesen Fällen das Gebot des persönlichen Gewissens unbedingt befolgt werden müsse, um sich selbst treu zu bleiben, und um sich selbst ernst zu nehmen. Ja, es wäre sogar Sünde, nicht dem eigenen Gewissen zu folgen. Damit führt auch an religiöser Toleranz kein Weg mehr vorbei. Toleranz, auf jeden Fall mit einer eigenen, starken Position. Toleranz, welche die Würde und das Gewissen anderer ernst nimmt.
Toleranz ! Ja – aber nicht als allgemeine Welt – versteher, als Bequemlichkeit und um die Hände in den sprichwörtlichen Schoß zu legen. Toleranz! Ja – weil wir alle Geschöpfe Gottes sind – und Gott jeden von uns und seine mit ihm gereiften Entscheidungen ernst nimmt.

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Erstellt am: 08.11.2013 11:45 Uhr

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