Liebe Schwestern und Brüder!
Marienfiguren gibt es in allen nur denkbaren Kunst- und Stilrichtungen. Unscheinbare und wertvolle, solche, die uns ansprechen oder andere, die wir als eher verspielt, oder gar als kitschig bezeichnen würden. Eine Figur hat es mir aber ganz persönlich angetan, und zwar durch ihren Standplatz. In Graz gibt es die sogenannte „Guckloch-Madonna.“ Wenn ich Guckloch höre oder sehe, dann denke ich eher an meine Jugendzeit zurück, denn da gab es in den Freibädern immer solche Gucklöcher, wo Jugendliche, in der Umkleidekabine ein kleines Loch in die Wand gebohrt hatten, um das beobachten zu können, was eigentlich nicht für ihre Augen bestimmt war. Heute ermöglichen uns die neuen technischen Möglichkeiten ebenfalls solche Gucklöcher. Aber dass Maria in einem solchen Zusammenhang auftaucht und genannt wird, war mir neu.
Hinter der Statue der „Guckloch-Madonna“ befindet sich ein Loch in der Wand. Dadurch kann man die Menschen ungestört und unbemerkt beobachten. Ein Aus-Blick-Posten zur Beobachtung und Kontrolle, wo Maria vorgeschoben wird, um an ihrer Stelle zu beobachten und zu kontrollieren. Aber ich denke, da tun wir Menschen Maria Unrecht. Viel können wir über Maria reden und schreiben, aber dass sie ein kontrollierendes Auge auf die Menschen geworfen hätte, das trifft sicherlich nicht zu. Eher das Gegenteil war doch schon zu ihren Lebzeiten der Fall. Still und in zurückhaltender Demut hat sie ihr Leben so angenommen, wie es war. Sie hat die Welt um sich herum wirklich wahrgenommen und zwar im Ganzen und nicht nur aus der eingeschränkten Perspektive hinter einem Guckloch. Sie hat das Wesentliche, das Lebensentscheidende erkannt. Die Spannungen in ihrem Leben aufrecht und mit großem Selbstbewusstsein ertragen und ihr Leben gelebt, geprägt von der Liebe zu ihrem Gott.
Maria, also ein Vorbild im Glauben? Auch heute noch? Oder passt dieser Lebensstil nicht mehr in unsere aufgeklärte, emanzipierte Welt, besonders bei uns Frauen? Maria gehört für mich einfach zur Heilsgeschichte Jesu mit hinzu. Und deshalb auch zum Beten und zum Feiern und in die Kirche. Sie wird immer eine wohltuende Rolle als Frau, als Mutter in unserem Glauben spielen und deshalb hat sie mehr verdient als ein Loch in einer Mauer. Auf alle Fälle unsere ungeteilte Achtung und Aufmerksamkeit.
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Erstellt am: 19.10.2014 15:33 Uhr