Predigt zum Hochfest der Erscheinung des Herrn 2013 (06.01.)

L I: Jes 60, 1-6 / Ev: Mt 2, 1-12
Liebe in Festfreude versammelte Schwestern und Brüder!
Drei Menschen auf der Suche. Drei Menschen mit einer Sehnsucht, die so groß und gewaltig in ihnen ist, dass sie einfach ins Unbekannte aufbrechen. Wir wissen nichts über ihr Leben, aber eines können wir mit großer Sicherheit sagen: Mag es auch noch so prächtig gewesen sein; irgendetwas fehlte, es war anscheinend nicht komplett. Und diese Lücke – oder sagen wir besser: diese Sehnsucht, die hat so an ihnen genagt, dass sie dafür alles zurückgelassen haben und aufgebrochen sind.
Das, was sie suchten, das war ihnen wichtiger als alles, was sie in ihrem Leben bislang schon gefunden hatten. Allerdings war dieser Aufbruch keine schiere Verzweiflungstat. Nein, diese Männer folgten keinem Hirngespinst, sondern sie waren voller Zuversicht, das Gesuchte tatsächlich auch zu finden; die Hoffnung strahlte vor ihnen auf wie ein Stern und erhellte ihren Weg. Mit dieser Hoffnung am Himmel und ihn ihrem Herzen kamen sie tatsächlich an ihr Ziel. Zwar machten sie einen Umweg, der nicht ungefährlich war, aber sie verliefen sich nicht; sie fragten zwar den Falschen, nämlich Herodes, um Rat, doch sie kamen dennoch an, verirrten sich nicht oder wurden gar zu „Geisterfahrern“, die in die falsche Richtung brausen.
Apropos „Geisterfahrer“ – ein Wort, das ja nun laut einer großen deutschen Boulevardzeitung Deutschlands Autofahrer derzeit wahrhaft in Angst und Schrecken versetzt. Der aktuellste Fall ereignete sich jetzt erst an Neujahr. Ein 40-Tonnen-LKW befuhr da die A1 in falscher Richtung. Als dann der –  offensichtlich betrunkene Fahrer – seinen Lastzug wenden wollte, kam es zu einem furchtbaren Zusammenstoß mit elf weiteren Fahrzeugen; zwei Menschen kamen ums Leben. Ebenfalls zwei Menschen starben am 30. Dezember letzten Jahres durch einen Falschfahrer im Ruhrgebiet. Laut einer Mitteilung des ADAC kommt es jährlich zu rund 2.800 Falschfahrten auf Deutschlands Straßen, in deren Folge rund 20 Menschen bei Unfällen sterben. Wie die Zahlen diesbezüglich in Österreich oder der Schweiz aussehen, hat mir das Internet leider nicht verraten. Aber auffällig ist eben die Häufung in den zurückliegenden letzten drei Monaten in Deutschland: Da kamen durch sechs „Geisterfahrer“ gleich 24 Menschen zu Tode.
Zwischenzeitlich ist dieses Wort nicht nur zur Metapher für die Orientierungslosigkeit im Straßenverkehr geworden, sondern häufig genug auch für das, was in der Politik oder im Privaten geschieht. Viele Menschen fürchten sich davor die Orientierung zu verlieren, und das nicht nur, aber ganz besonders am Anfang eines neuen Jahres. Was ist, wenn der gewohnte Lebensrahmen nicht mehr reicht, wenn ich aus der gewohnten Lebensbahn geworfen werde? Durch Arbeitslosigkeit, durch Krankheit oder das Scheitern einer Beziehung? Was ist, wenn ich mich im Leben nicht mehr zurechtfinde – sei es durch das Alter oder weil alles immer komplizierter und schnelllebiger wird? Bei was – oder besser: bei wem – finde ich Orientierung? Eine Antwort dazu gibt uns die eben gehörte Erzählung von den drei Weisen, die einem Stern folgten. Eine andere Antwort gab rund fünfhundert Jahre früher sogar noch der Prophet Jesaja dem Volk Israel, das – zurückgekehrt aus dem Babylonischen Exil – mit dem zerstörten Jerusalem und mit Streitigkeiten zwischen Daheimgebliebenen und Heimkehrern konfrontiert wird. In die dadurch aufbrechende Resignation und Mutlosigkeit schreibt der Prophet Jesaja jene Sätze, die wir als Lesung gehört haben:
„Mache dich auf, werde Licht Jerusalem, denn es kommt dein Licht… Siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker; doch über dir geht leuchtend der Herr auf… Dein Herz bebt vor Freude und der Reichtum des Meeres strömt dir zu. Zahllose Kamele bedecken dein Land…sie kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold und verkünden die ruhmreichen Taten
des Herrn.“
Licht, Glanz, Strahlen – der Prophet Jesaja weissagt dies alles mit so starken, mit so lebendigen Worten, dass das Licht fast greifbar und für unsere Ohren hörbar wird. Das hört sich komisch an: Licht für die Ohren. Aber es ist ein zukünftiges Licht, das bereits heute die Dunkelheit in uns und um uns erhellen kann. Ein Strahlen, das bereits heute ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann. Denn das, was der Prophet so großartig beschreibt, das steht ja noch aus, darauf dürfen wir uns ja noch freuen. Wir leben, und das müssen wir uns eben immer wieder vergewissern, immer noch im Advent dessen, was die Weisen gesucht und im Stall von Bethlehem gefunden haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dieses Licht immer wieder neu zusagen lassen, gerade dann, wenn um uns herum vieles im Dunkel ist. Das himmlische Jerusalem, das Reich Gottes, ist keine Vertröstung in eine ungewisse Zukunft, sondern das ist ein Versprechen Gottes mit Garantie. Mit Garantie, weil es ja schon begonnen hat. Und zwar mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, mit seinem Reden und Handeln hier auf der Erde. Spüren Sie das? Wir sind mittendrin in dieser Heilsgeschichte, von der Jesaja spricht.
Vielleicht fragt sich jetzt die ein oder der andere unter uns: Und was hat das – bitte schön – mit mir zu tun? Ich meine: ganz viel. Denn jede und jeder von uns spielt in dieser Heilsgeschichte Gottes mit dieser Welt und uns Menschen eine Rolle. Und zwar nicht die eines Statisten oder Komparsen, sondern die Hauptrolle. Sie und ich, ja jeder Mensch ist die Lieblingsbesetzung Gottes für seine je eigene Rolle. Von diesem menschgewordenen und uns zugewandten Gott ist jede und jeder von uns unendlich geliebt und unendlich wertgeschätzt. Die Welt wäre eine andere, wenn sich das jeder Mensch vor Augen führen und in sein Herz immer wieder neu sagen würde. Ich bin eine Hauptrolle bei Gott und die, die mit und neben mir leben, die sind es auch. Wenn wir das wirklich verinnerlichen würden, dann würde sich niemand mehr ans Steuer setzen, wenn er weiß, dass er in diesem Moment sich und andere gefährdet. Dann wäre wahrscheinlich auch niemand mehr so verzweifelt, dass er oder sie absichtlich zum „Geisterfahrer“ würde. Und es ist unsere ureigene Aufgabe, diese Hauptrolle zu leben und den Nächsten eben auch als Lieblingsbesetzung Gottes zu achten und zu lieben. Und alle die – daran glaube ich fest – zum Beispiel im Straßenverkehr ihr Leben lassen müssen oder durch Krankheit und Gewalt zu Tode kommen, deren Film – um im Bild zu bleiben – ist nicht zu Ende, sondern kommt zur Vollendung. Denn das Leben, das Gott für uns vorsieht, das kennt keinen Abspann.
Allerdings leben wir noch nicht im Reich Gottes, sondern im Hier und Jetzt. Die Festtage sind morgen vorbei und der Alltag hat uns wieder. Im Glanz des Festes bleiben können wir genauso wenig, wie die Weisen an der Krippe bleiben konnten. Auch sie mussten heimkehren. Sie sind also nicht aus ihrem Alltag ausgestiegen, sondern wieder ein. Aber – und davon bin ich überzeugt – sie haben sich mit Sicherheit verändert auf ihre Welt eingelassen. Ihre Suche nach dem Mensch gewordenen Kind war ja kein Event, kein aus dem Leben herausgerissenes Ereignis, sondern eine Etappe ihres Lebensweges. Das Ziel war die Begegnung an der Krippe, doch zum Aufbrechen gehörte auch das Heimkehren: und zwar anders heimzukehren, als sie aufgebrochen sind. Die drei Weisen haben, als sie aufgebrochen sind, viele zurückgelassen. Aber sie haben die Daheimgebliebenen nicht vergessen, sondern ihnen, als sie zurück waren, von dem erzählt, was sie erlebt haben und wer ihnen wie begegnet ist: Gott in einem Kind. Aufgebrochen sind sie mit dem Stern vor Augen, einem großen kosmischen Zeichen; heimgekehrt sind sie mit dem Blick für das Kleine, das vermeintlich Unbedeutende; sie kehrten heim mit einem Kind in ihrem Herzen.
Auch viele von uns kehren in den kommenden Tagen in ihren Alltag zurück.
Fühlen wir uns verändert? Hat Weihnachten Spuren in uns hinterlassen? Oder ist alles so wie vorher – nur halt vierzehn Tage später? Ich meine, niemand muss jetzt erschrecken, weil er oder sie vielleicht eine Gelegenheit zur Veränderung verpasst hätte. Dafür ist es doch nicht zu spät. Und wir können von den drei Weisen lernen: Immer wieder innerlich aufzubrechen und sich auf das Unerwartete einlassen; die Zeichen Gottes zu deuten und dabei sein Wort zur Orientierung zu nehmen; im Kleinen das wirklich Große entdecken. Wir können von ihnen lernen: Gott anzubeten, ihm alles zu sagen, sowohl die Klage als auch den Dank; wir können ihm unsere Gaben anvertrauen: die Talente, die wir in die Gemeinschaft einbringen können; das Geld, das wir entbehren können. Wir können uns verändern im Vertrauen darauf, dass es letztlich Gott ist, der uns zum Guten wandelt. Ohne ihn wären die Weisen nie zur Krippe gelangt, ohne ihn hätten sie im Kind nicht den Mensch gewordenen Gott entdeckt, ohne ihn müssen auch wir nicht in den Alltag zurück. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 06.01.2013 18:29 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert