Predigt zum Fest der Darstellung des Herrn 2014 (02.02.)

L I: Mal 3, 1-4 / Ev.: Lk 2, 22-40
Schwestern und Brüder!
Es ist schon enorm, wie viele Namen das heutige Fest trägt. Den meisten von uns ist es wohl seit Kindertagen vertraut unter dem Namen: „Mariä Lichtmess“. Offiziell heißt es im liturgischen Sprachgebrauch allerdings „Fest der Darstellung des Herrn“ und gleichzeitig begeht es die Kirche auch als „Tag des gottgeweihten Lebens“. Ich weiß nun nicht, ob das alles so bekannt ist und deshalb habe ich mir überlegt, Sie einfach mal einzuladen, über die Hintergründe dieses Festes nachzudenken.
Ich glaube, es ist durchaus korrekt wenn wir sagen: Das heutige Fest verdanken wir dem Alten Testament. Maria und Josef sind im Tempel, weil sie die Reinheitsvorschriften des Mose beachten wollen. Das gilt in erster Linie für Maria, das gilt aber auch für den kleinen Jesus selbst. Reinheitsgesetze durchziehen ja das gesamte Alte Testament und dabei wird ganz genau unterschieden nach Heiligkeitsgesetzen, nach kultischen Gesetzen und sittlichen Geboten. Allerdings gibt es dabei keine Vorrangstellung des einen gegenüber dem anderen. Sie sind alle gleich wichtig und Vergehen gegen diese Gebote und Gesetze können mit dem Tod bestraft werden. Das also ist die Situation, in die hinein Jesus geboren wird und deshalb muss er sich später natürlich auch mit diesem Gesetzeswerk auseinandersetzen.
Schauen wir jetzt zuerst einmal auf das Reinheitsgesetz, das im Vordergrund des heutigen Festes steht. „Mariä Lichtmess“ oder auch die „Reinigung Mariens“ geschieht vierzig Tage nach Weihnachten. Warum? Weil eine Frau, wenn sie einen Jungen geboren hatte, sieben Tage positiv unrein war – das heißt alles, was sie berührt hat, wurde auch unrein – und dann war sie noch 33 Tage negativ unrein; das heißt nichts anderes, als dass sie vom Kult ausgeschlossen war. Bei der Geburt eines Mädchens hat sich das Ganze übrigens verdoppelt. Bei den Speisevorschriften, die auch unter das Reinheitsgesetz fallen, ist die uns wohl bekannteste die, dass Schweinefleisch für die Menschen tabu ist; denn es heißt im 3. Buch Mose: „Wer Schweinefleisch ißt, ist dem Herrn ein Greuel.“
Es gibt also – so könnte man sagen – im Sinne des Alten Testamentes ganze Bereiche in dieser Welt, die einfach unrein sind. In der Sexualität des Menschen ist das der Samenfluss bzw. die Menstruation; dann ist dem Menschen der Umgang mit bestimmten Tieren untersagt – und auch der Umgang mit Totem – gleich ob nun Mensch oder Tier. Wie komisch einem das bisweilen vorkommen mag, zeigt folgende Regelung: Obwohl das Beerdigen von Toten als Werk der Barmherzigkeit gepriesen wird, macht dieses Werk doch gleichzeitig unrein. Aber wie dem auch sei: man muss das jetzt nicht alles kopfschüttelnd kommentieren oder sich darüber aufregen – das könnten wir dann tun, wenn das Alte Testament heute noch Gültigkeit hätte; hat es so aber nicht – zumindest nicht für uns.
Was nun für das heutige Fest zusätzlich von Bedeutung ist, dass ist die Tatsache, dass alle männliche Erstgeburt Gott gehört und deshalb von ihm ausgelöst werden muss; Jesus muss also sozusagen durch ein Ersatzopfer von Gott zurückgekauft werden. Es ist im Alten Testament durch all diese Gesetze ganz klar definiert, was Gott gehört und was menschlichem Zugang entzogen ist. So auch der Sabbat, an dem ja nichts geschehen darf, was dem Menschen nützt oder ihm dienlich ist. Dieser Tag gehört einzig und allein Gott. In diese Dreiteilung der Welt also – in Unreines, menschlich Nützliches und Heiliges – ist sozusagen das ganze Leben eingebunden. Oder anders formuliert: Die Menschen sind Gefangene ihrer Religion. Jesus spürt das, als er später als Erwachsener mit den Menschen spricht und ihnen die Frohe Botschaft Gottes bringt, die eben nicht einengen, sondern die Menschen die Weite und die Fülle des Lebens spüren lassen will. Wie aber soll das gehen, wenn allüberall Grenzen und Gebote einengen? Jesus versucht also, mit den Menschen andere Wege zu gehen; zu heilen, wo Heilung angesagt ist und dabei deutlich zu machen, dass es Gott nicht auf die penible Einhaltung von Gesetzen ankommt, sondern dass es um das Wohl der Menschen geht. Und in diesem Zusammenhang erklärt Jesus dann auch alles für rein, was selbst bei seinen Jüngern nicht gleich auf Zustimmung stößt. Schließlich sind sie ja auch in dem Denken gefangen, dass es immer eine Einteilung in rein und unrein gibt.
Nun sollten wir uns allerdings davor hüten überheblich zu sein und nicht so tun, als wären wir in der Kirche immer auf dieser doch eindeutig gelegten Spur Jesu gewesen. Im Gegenteil. Auch in unseren Reihen hat sich im Laufe der Jahrhunderte ein immenses Potential an Geboten und Verboten angehäuft. Die Älteren wissen alle noch, dass es auch bei uns die Aussegnung der Frauen nach einer Geburt gab. Sie waren im Verdacht durch die Geburt und den Blutfluss unrein zu sein und mussten für die Liturgie gesegnet und rein gemacht werden. Und wie lange hatten Menschen bedenken zur Kommunion zu gehen, wenn sie zuvor mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner intim waren, obwohl es sich doch um einen völlig legitimen ehelichen Akt gehandelt hat? Oder denken wir an die Handkommunion. Was da an schlimmsten Befürchtungen geäußert wurde bezog sich doch immer einzig und allein auf die Tatsache, dass die Hand etwas Unreines ist und deshalb etwas Heiliges nicht berühren darf. Es wäre also fatal zu glauben und zu meinen, dass es kultische Verbote oder Reinheitsvorschriften in unserer Kirche nicht gegeben hätte oder diese schon gänzlich ausgestorben wären.
Sicherlich, was man nun fragen kann ist: Was steckt dahinter? Vielleicht sagt ja der eine: „Weil Schweine Allesfresser sind, kann das nicht gesund sein.“ Das mag ja korrekt sein. Aber das ist dann eine Sichtweise, die doch aber bitte schön nichts mit Gott zu tun hat. Wir sollten ihn in solchen Fragen einfach aus dem Spiel lassen. Das schräge Gottesbild, welches hinter solchen Gedanken steckt und welches Jesus beseitigen will, das ist das Bild eines den Menschen lähmenden, eines einschränkenden und herrschsüchtigen Gottes, der zwar diese Welt anscheinend gut geschaffen hat, der aber dann ganz klar sagt: Das und jenes dürft ihr nicht anfassen, geschweige denn essen oder einander gar in Lust und Liebe berühren und begegnen? Der Gott Jesus Christi hat unsere Freiheit nicht beschränkt, sondern er hat sie uns geschenkt!! Alles, was er geschaffen hat ist gut – das einzig negative was es gibt, das ist unser menschliches Versagen. Nicht mehr und nicht weniger.
Nun hat sich die Kirche sicherlich in den letzten Jahren diesbezüglich auch geändert. Man denke dabei nur an das Nüchternheitsgebot, welches einstmals viele Kinder in den Gottesdiensten reihenweise umfallen ließ und vieles andere. Doch nun feiert die Kirche den heutigen Tag ja auch als „Tag des gottgeweihten Lebens“ in Anlehnung an die Erstgeburt, die Gott geweiht war. Aber ich frage mich: Was ist mit all den anderen? Was mit der Zweitgeburt? Und heute. Was ist da mit den Frauen? Hat Gott die Welt wirklich so eingeteilt? Ich habe mal gelernt, dass die ganze Welt Gott gehört. Deshalb ist auch jeder Mensch Gott geweiht, sogar schon vor der Taufe, auch als Heide und Atheist – ob die das nun so sehen wollen oder nicht. Gott hat auch diesen Menschen geschaffen und er gehört ihm, auch wenn er darum vielleicht noch gar nicht weiß. Deshalb kann ich aber auch nicht hergehen und sagen, die hier, das sind seine Stellvertreter über die anderen, und die anderen, die können weiterwurschteln wie sie wollen. Wir alle sind zur Heiligkeit berufen und diese Heiligkeit meint nichts anderes als eine von Gott geschenkte Vollkommenheit. Diese Vollkommenheit aber muss sich zeigen in der Aufgeschlossenheit gegenüber den Mitmenschen. Und da ist es ganz egal, ob der oder die andere nun einen Nonnenschleier trägt, ein Colarhemd, einen Arbeitsanzug oder Freizeitbekleidung. Von Christus her gibt es nicht die Einteilung in Heilige und Profane, sondern es gibt nur Leute, die zu ihm gehören. Und die, die darum wissen, die versuchen dann auch so zu leben, wie er – in einer immensen Liebe zu allen Menschen. Alles andere halte ich auch für unchristlich, weil es Menschen gängelt und klein macht.
Im Gespräch sagte mir kürzlich jemand: „Wissen Sie, Jude oder Moslem könnte ich nicht sein, denn die essen kein Schweinefleisch.“ Wenn Sie das jetzt auch so sehen, dann ist mir das – ehrlich gesagt – zu wenig. Denn der richtige Zugang zu Gott definiert sich nicht über solche Gebote, sondern über die Tatsache, dass er uns keine Lasten und Beschränkungen auferlegt. Der Gott Jesu Christi heißt und ist einfach: Liebe. Und die Liebe will nicht gängeln, sie will nicht einschränken und bevormunden, sie will nicht vorschreiben und verbieten. Nein, die wahre Liebe will freisetzen, so freisetzen, dass wir fähig werden selbst zu lieben. Deshalb ist auch der für mich schönste Titel des heutigen Festes jener, den die Ostkirche dafür gebraucht: „Begegnung“. Denn darin wird mehr als deutlich, zu was wir berufen sind: Menschen in Liebe zu begegnen.
In diesem Sinne hoffe ich nun, dass Mariä Lichtmess, die Darstellung des Herrn und der Tag des gottgeweihten Lebens uns deutlich machen kann, dass wir alle von Christus zum Licht in dieser Welt berufen sind. Dass keine und keiner von uns das Gefühl haben muss, vor Gott „unter-belichtet“ oder weniger wert zu sein als andere und dass uns allen noch einmal einleuchtet: Wir sind zur Liebe in Freiheit berufen. Gerade deshalb sollten wir aber nicht als christliche „Blind-Gänger“ durch die Welt gehen, sondern als Menschen, denen man ansieht, dass sie vom Licht Christi erfüllt sind und in diesem Licht anderen begegnen möchten. Amen.

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Erstellt am: 03.02.2014 12:36 Uhr

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