Lesung: Apg 1, 1-11 / Evangelium: Lk 24, 46-53
Schwestern und Brüder!
Sind Ihnen die Comic-Helden Asterix und Obelix ein Begriff? Wenn ja, dann wissen Sie auch um die Tatsache, dass es in diesem kleinen, gegenüber den Römern ach so unbeugsamen gallischen Dorf, noch einen Bürgermeister namens Majestix gibt. Dieser hat normalerweise vor nichts, aber auch vor gar nichts Angst – ausser der Vorstellung, dass ihm eines Tages der Himmel auf den Kopf fällt.
Nun wird in einem geistlichen Lied von Ludger Edelkötter aber genau diese Katastrophe besungen. Da heißt es in der ersten Strophe: „Wenn der Himmel uns auf den Kopf fällt und ein Mensch mehr als alles Geld zählt, / wenn die Nahrung für alle ausreicht und ein Regen das Harte aufweicht, / wenn ein Sommer Rosen blühen lässt und die Liebe Menschen glühen lässt…“ Aber stopp, hab ich da jetzt etwas verwechselt? Bei dieser Art des „Himmelsturzes“ wird ja gar kein Weltuntergang beschrieben – im Gegenteil: da spielt sich jede Menge Leben ab. Wenn uns nach dem Lied also „der Himmel auf den Kopf fällt“, dann meint das nichts anderes, als dass uns der Himmel beängstigend nahe kommt. Dann ist der Himmel nämlich nichts Fernes, ein Ort über den Wolken oder im Jenseits – nein, dann fängt der Himmel schon hier und jetzt bei uns an.
Mir sind diese Gedanken durch den Kopf gegangen, als ich mich mit dem heutigen Festtag beschäftigt habe. Denn schlussendlich habe ich es nicht so leicht wie der muslimische Fremdenführer in der Himmelfahrtsmoschee auf dem Jerusalemer Ölberg, der die Menschen in der runden Moschee zu einer Stelle führt, wo im Zementboden zwei Fußabdrücke zu sehen sind. Er zeigt zum offenen Dach in der Höhe und erklärt dann: „Hier ist Isa aufgefahren!“ Ich habe es auch nicht so leicht wie der barocke Maler, der auf seinem Altarbild ein paar Fußsohlen aus einer Wolke herausschauen lässt, während die Jünger staunend zum Himmel blicken. Denn Himmelfahrt ist ja keine Miniaturweltraumfahrt von damals. Himmelfahrt – ich glaube, das kann man mit Fug und Recht sagen – ist wohl eines der am meisten missverstandenen christlichen Feste. Das zeigt sich am deutlichsten in dem alten Brauch, der noch an einigen Orten durchgeführt wird, dass man zum Gloria an diesem Festtag eine Christusfigur in der Kirche zur Decke hinaufzieht und dann die Osterkerze ausgeblasen wird. Also bei allem Verständnis für erlebnisorientiertes Handeln, aber darin liegt doch nun eklatant die Gefahr, dass wir meinen, Christus ist weg – er ist nicht mehr da, der Fall hat sich erledigt.
Dabei glaube ich, ist uns dieser Festtag Anlass zur doppelten Freude. Denn zum einen feiern wir ja, dass Christus dahin zurück ging, von wo er gekommen ist – also zum Vater; zum anderen feiern wir heute und an Pfingsten den Beginn der Kirche. Denn bis zum heutigen Ereignis gab es ja noch keine Kirche. Sicherlich: es gab den Jünger- oder auch den Freundeskreis Jesu; aber dieser kleine Haufen war trotz Auferstehung, trotz vieler Begegnungen, die den Einzelnen mit Jesus geschenkt waren, immer noch ängstlich, unsicher und so voller Zweifel, dass daraus nie eine Kirche entstanden wäre, wenn – ja wenn da eben nicht die Zeit von Ostern bis zum heutigen Festtag gewesen wäre. Diese Zeit war für den kleinen Kreis so wichtig, um neue Erfahrungen zu sammeln und ihr Leben neu auszurichten, dass sie dann auch stark genug waren, ohne den irdischen Jesus weiterleben und weiterarbeiten zu können.
Dabei lässt Jesus seine Freunde ja nicht wirklich allein. Vielmehr sagt er ihnen den Beistand zu, den Heiligen Geist, den der Vater senden wird. Aber trotz dieser Zusage finden wir die junge Kirche in einer gefährlichen Situation wieder. Denn die Gefahr damals – und das gilt auch für heute – bestand und besteht doch darin, dass wir Jesus zwar für das Jenseits gelten lassen, aber eben nicht für diese Welt und ihre Gesetze und Wirklichkeiten. Auch wir verhalten uns doch oft so, als hätte die Botschaft Jesu mit Wirtschaft und Politik, mit Schöpfung und sozialer Gerechtigkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun. Dabei gab er den Jüngern damals wie auch uns heute ganz dezidiert den Auftrag, seine Botschaft weiterzusagen und seinem Reich, also dem „Himmel“ hier auf Erden Geltung und Raum zu verschaffen. Damit ist nun freilich nicht gemeint, dass die Kirche selbst nach dieser Macht streben soll, womöglich noch in dem vermeintlich naiven Glauben, dass das Reich Gottes erst dann kommt oder beginnt, wenn sie – die Kirche – am längeren Hebel sitzt. Oh nein, die Kirche – und somit wir alle – haben den eindeutigen Auftrag, den Himmel erdentauglich und wenigstens in Ansätzen für die Menschen erfahrbar zu machen.
Das geht aber nur, wenn wir uns an das halten, was uns das heutige Evangelium verrät: Anbetung und Sendung. Die Jünger fallen vor Jesus nieder, und er segnet und sendet sie. Deshalb sollten auch wir uns immer wieder klein machen vor Gott – nicht in einem duckmäuserischen Sinne, sondern dass wir uns immer wieder im Gebet an ihn wenden und uns von ihm senden und verwandeln lassen. „Gehet hin in Frieden – Geht und bringt den Frieden!“ Das ist der Auftrag, den wir am Ende eines jeden Gottesdienstes empfangen. Wir sollen das, was wir hier miteinander feiern und glauben, zur Richtschnur und zum Handeln für unser Leben machen – und zwar so, dass es für andere sichtbar und erfahrbar wird. „Geht und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ – oder wir könnten auch sagen: „Werbt für mich, ladet die Menschen ein und begeistert und überzeugt sie durch euer Leben.“
Wenn wir diesen Auftrag Jesu ernst nehmen, dann ist es allerdings notwendig, dass wir uns eben nicht mit allem abfinden, was so ist, wie es ist. Dann ist es im wahrsten Sinne des Wortes „not-wendig“, dass es solche Lieder, wie das eingangs erwähnte gibt, die die Idee von einem Stück Himmel auf Erden wachhalten und den Traum von einem Leben in Fülle schon hier auf der Erde nicht einfach ad acta legen: „Wenn die Nahrung für alle ausreicht und ein Regen das Harte aufweicht, / wenn die Blinden wieder Land sehn, und die Lahmen nicht mehr am Stock gehen, / wenn es Frieden gibt auf Erden und die Waffen verschrottet werden,/ wenn die Wüsten Gärten tragen und die Toten zu tanzen wagen,/ wenn der Himmel uns auf den Kopf fällt und ein Mensch mehr als alles Geld zählt. / Ja, dann geh’n wir dem Himmel entgegen – und du und ich – gehen wir da mit?“
Spüren Sie es? Es geht hier nicht nur um privates Leben, sondern auch um das, was wir in der Gesellschaft und in der Politik erfahren und erleben. Wir alle können doch aus ganz persönlicher Betroffenheit erzählen, welche Härte, Blindheit und Lahmheit es sowohl im öffentlichen, im politischen wie auch im kirchlichen Leben gibt. Aber ich bin eben auch davon überzeugt, dass wir den Auftrag Jesu ernst nehmen, wenn uns solche Lieder nicht unberührt lassen; denn dann, dann berühren wir bereits den Saum des Himmels schon heute. Menschen, die nämlich solche Lieder singen, die machen Mut, dass auch andere sich für mehr Menschlichkeit und weniger Härte einsetzen. Solche Menschen machen Mut, dass sich auch andere öffentlich engagieren und eben nicht nur das private Glück suchen; und solche Menschen machen auch Mut, dass andere wieder Tanzen können und nicht all ihre Träume von einer friedlichen Welt einfach begraben.
„Wenn der Himmel uns auf den Kopf fällt“, dann ist alles aus, so sagt der kleine dicke gallische Bürgermeister. Das heutige Fest aber lehrt uns: „Wenn der Himmel uns auf den Kopf fällt, wenn er uns nicht unberührt lässt, dann fängt alles erst richtig an“ Amen.
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Erstellt am: 09.05.2013 16:28 Uhr