Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit 2012

L I: Apg 1, 15-17.20a.c-26 / Ev: Joh 17, 6a.11b-19
Schwestern und Brüder!
Bewahren – ein Wort mit ganz unterschiedlicher Bedeutung. Wenn man z.B. gestern Abend die Gesichter der Fans von Bayern und Chelsea betrachtet hat, dann konnte man oft erkennen, wie groß da der Wunsch war, ihre Mannschaft möge vor einer Niederlage bewahrt werden. Also bewahren im Sinne von verschonen oder verhindern. Dann las ich unlängst in einer eher reaktionären Kirchenzeitung einen Artikel folgenden Inhaltes:
„In einer Zeit, in der die Kirche so angefeindet wird wie heute, da dürfen wir Katholiken doch nicht zweifeln, sondern müssen in Treue zum Papst stehen und die Einheit mit ihm bewahren.“ Bewahren in diesem Sinne von „Einheit zeigen“ und „zusammenstehen“. Und dann fällt mir da noch ganz spontan ein, dass die Verkäuferin mir beim letzten Elektrogerätekauf doch eindeutig ans Herz gelegt hat, den Kassenzettel gut aufzubewahren, denn er sei wichtig zwecks der Garantie. Bewahren also im Sinne von „Recht bekommen“ oder „Gerechtigkeit erfahren“.
Diese Beispiele machen vielleicht ein klein wenig deutlich, wie vielschichtig dieses Wort „bewahren“ doch ist. Da es nun im Evangelium gleich dreimal vorkommt, bin ich schon der Überzeugung, dass wir uns mal Gedanken darüber machen sollten, wie es denn nun in diesem Gebet von Jesus zu verstehen ist. Meint da dieses bewahren: Eine Sache aufheben, in dem man sie in eine Schublade steckt nach dem Motto: heben wir das mal auf, man weiß ja nie, ob man es nicht doch noch mal gebrauchen kann? Oder heißt bewahren eher: das ist so und das bleibt so – fertig aus basta? Also quasi starr an etwas festzuhalten, ganz egal ob es nun Bestand hat oder nicht? Und nicht zuletzt – könnte bewahren nicht auch meinen: alle Dinge des Lebens und des Glaubens sind ein für allemal festgelegt? Dann allerdings würde sich jegliches Nachkarten erübrigen und ein Nachschlagen im Katechismus müsste ja all unsere Fragen zur Genüge beantworten.
Nun ist das heutige Evangelium von seinem Inhalt her ja den Tagen kurz vor dem Tod Jesu zuzuordnen. Natürlich beschäftigt auch ihn, was seinen Freundeskreis bewegt, nämlich die Frage: Wie geht es weiter? Wie geht es mit uns weiter? Und all das, was ihn bewegt, das fasst Jesus dann in einem Gebet an den Vater zusammen: „Ich habe ihnen deinen Namen geoffenbart – bewahre sie in deinem Namen!“ Wenn Jesus in seinen letzten Worten die Jünger quasi ins Gebet nimmt, dann ist das – so meine ich – auch für uns heute ein Hinweis, die großen Fragen dieser Zeit schlicht und ergreifend ins Gebet zu nehmen: Wie geht es weiter mit der Kirche? Welche Wege werden wohl die Jungen unter uns einschlagen? Wie und mit was soll die Kirche auf die Probleme der Zeit antworten? Bis hin zu der Frage: Sind wir als geteilte Christenheit überhaupt noch glaubwürdig in unserer Zeit? Erste Adresse für all diese Fragen sind für mich aber nicht Lehr- und andere Amts-Stühle, sondern erste Adresse ist für mich vielmehr Gott selbst.
Dabei gibt uns nun dieses Gebet Jesu drei wichtige Anhaltspunkte, die wir nicht außeracht lassen sollten: „Bewahre sie in deinem Namen!“ – „Nimm sie nicht aus der Welt, sondern bewahre sie vor dem Bösen!“ – „Ich habe sie in die Welt gesandt!“
Schauen wir nochmals auf dieses Stichwort bewahren. Da steckt ja das Wort „Wahrheit“ drin. Das aber könnte dann doch meinen: zur Wahrheit finden oder auch in der Wahrheit bleiben. Das allerdings ist nichts Starres oder gar Totes; das meint auch nicht ein wenig esoterisches Sälbchen hier und ein wenig Guru-Kult dort. Vielmehr ist die Wahrheit Gottes etwas sehr Lebendiges und Dynamisches. Und bewahren hat auch etwas mit unserer Geschichte zu tun; der Geschichte jeder und jedes Einzelnen von uns mit Gott. Aber eben nicht auf die Vergangenheit schielend, sondern auf Zukunft ausgerichtet. Deshalb muss auch mal etwas probiert, versucht und gewagt werden – selbst auf die Gefahr hin, dabei das Richtige nicht unbedingt auf Anhieb zu finden.
Mir ist jedenfalls bei all diesen Gedanken bewusst geworden: Diejenigen in unserer Kirche, die alle Reformbemühungen mit dem lapidaren Hinweis ablehnen, man müsse das Alte treu bewahren, die können sich auf dieses Evangelium genauso wenig berufen wie jene die meinen, dass der Glaube am besten dadurch zu erhalten und zu retten sei, wenn man ihn nur ausführlich genug in amtlichen Lehrschreiben und ausführlichen Katechismus-büchern festzurrt. Wer bewahrt denn den Glauben mehr: diejenigen, die sagen, es ist alles klar geregelt – oder jene die sagen: darüber müssen wir in aller Offenheit reden und nach Lösungen suchen, die dem Evangelium Christi entsprechen“? Dass wir darüber miteinander ins Gespräch kommen, dass wir versuchen, immer wieder neue Impulse zu setzen – ob nun Priesterinitiative, Katholikentag, Bischofskonferenz oder Dialogprozess – das erhoffe ich mir und darum sollten wir alle auch beten.
Der zweite Punkt im Gebet Jesu lautet: „Nimm sie nicht aus der Welt, sondern bewahre sie vor dem Bösen.“ Manchmal möchte man ja als Christ glatt aus dieser Welt auswandern. Warum? Nun, weil wir eben dann, wenn wir wirklich nach der Weisung des Evangeliums leben wollen doch ganz deutlich spüren, dass wir nicht so ohne weiteres einfach im Takt der anderen mit marschieren können. Als Christen müssen wir da viel öfter anecken und genau diesen Gleichschritt stören. Wir dürfen uns dabei als Kirche auch nicht wundern, wenn wir in den Medien nicht mehr so zu Wort kommen, wie wir das gerne möchten. Sicherlich: wir mögen zwar momentan noch vom Papier her eine christliche Mehrheit im deutschsprachigen Raum sein, aber wir sind da doch ganz gewaltig auf dem Rückmarsch. Und als Christen, die ihren Glauben nicht nur im sonntäglichen Gottesdienst zu leben versuchen, sondern auch in ihrem jeweils ureigenen Alltag, da sind wir ganz gewiss eine Minderheit. Können wir da aber wirklich ernsthaft erwarten, dass unser Rat noch gesucht wird – und wir nicht viel eher auf Kopfschütteln und blankes Unverständnis stoßen?
Allerdings – schmollen über diese Welt allein, das gilt nicht. Und erst recht
gilt nicht, dass wir uns in eine religiöse Kuschelecke zurückziehen. Es heißt bei Jesus nicht: „Ich bitte dich, dass du sie aus der Welt nimmst und ihnen ein Sonderplatz einräumst“, sondern: „Bewahre sie vor dem Bösen!“ Und warum wohl dieser Hinweis? Weil man – jede und jeder von uns – ganz schnell Gefahr läuft, mit gleicher Münze heimzuzahlen oder in dasselbe Strickmuster zu verfallen, wenn es um Kritik und Rechthaben, wenn es um Geld und Ehre geht. Wir sollen nicht der frommen Einbildung erliegen, dass das Böse nur anderswo lauere, aber nicht bei uns. Mit Sicherheit nicht. Aber mit Gottes Hilfe können wir dem Bösen widerstehen.
Der dritte und letzte Punkt heißt: „Ich habe sie in die Welt gesandt!“ Als Christen sind wir nicht heimlich auf dieser Welt – mitnichten! Vielmehr sollen wir uns einmischen und uns nicht beleidigt auf und davonmachen, wenn wir mal nicht die erste Geige spielen. Die Hefe des Evangeliums, die muss durch uns in den Teig dieser Welt, damit das Wort Gottes aufgeht – z.B. in Dienstgesprächen, in Gesprächen am Arbeitsplatz, in politischen Auseinandersetzungen oder einfach auch im Freundeskreis oder der Nachbarschaft.
Sicherlich: Es liegt nicht einzig und allein an uns – ob der Teig geht. Aber der Geist Gottes, um den wir in diesen Tagen vor Pfingsten ja ganz besonders beten, der ist mit uns, er motiviert uns und er wird auch schaffen, dass all unser Mühen nicht umsonst ist.

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Erstellt am: 20.05.2012 08:44 Uhr

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