L I: Jes 58, 7-10 / Ev.: Mt 5, 13-16
Schwestern und Brüder!
Mit dem Salz ist das so eine Sache. Ist Ihnen schon mal passiert, dass sie beim Kuchen backen statt Zucker das Salz erwischt haben? Oder dass Ihnen einfach zu viel Salz ans Essen geraten ist? Beides ist ungenießbar; da erübrigt sich jeglicher Kommentar. Gleichzeitig ist uns aber bewusst: wir brauchen das Salz; es ist für uns lebensnotwendig. Nicht nur, weil ohne Salz so manches Essen unsagbar fad wäre; nein, unser Organismus braucht das Salz, damit der menschliche Körper überhaupt richtig funktioniert! Und doch gilt im Gegenzug eben auch: zu viel davon macht krank. Bluthochdruckpatienten wissen, was der Arzt ihnen diesbezüglich laufend rät. Auf die Dosierung kommt es an – und genau das entnehme ich auch dem heutigen Evangelium.
Wobei ich nun nicht glaube, dass wir uns wirklich noch vorstellen können, welche Rarität und Kostbarkeit das Salz zurzeit Jesu dargestellt hat. Heute kostet das Pfund Salz im Supermarkt vielleicht 20-30 Cent, aber damals, da wurde es mit Gold aufgewogen. Man kann durchaus sagen: Salz hat die Welt verändert. Und obwohl es im Überfluss vorhanden ist, wurden um dieses Gewürz mehr Kriege geführt als um Land oder Gold. Ganze Handelsstraßen, sogenannte Salzstraßen, wurden längs und quer durch die Welt gebaut. Die Soldaten bekamen es als Sold (von daher kommt auch der Begriff „Salär“), Herrscher finanzierten damit ihr üppiges Leben und Gandhis berühmter Salzmarsch ans arabische Meer im Jahr 1930, brachte das britische Kolonialreich endgültig ins Wanken und Indien schließlich in die Unabhängigkeit.
So gesehen ist aber die Geschichte der kleinen weißen Kristalle so spannend, wie die Geschichte der Menschheit selbst. Ganz abgesehen davon,
dass Salz in fast allen wichtigen Büchern der Bibel vorkommt – und das nicht nur weil die Neugierde der Frau des Lot, deren Namen uns leider nicht überliefert ist, sie angeblich zur Salzsäule erstarren ließ.
Aber wenden wir uns endlich dem zu, was Jesus uns heute in seiner Botschaft sagt: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt, ihr seid die Stadt auf dem Berge… Er sagt dies zu seinen Jüngern im Rahmen der Bergpredigt und die beginnt ja mit den uns vertrauten Worten: „Selig, die arm sind vor Gott…die trauern…die keine Gewalt anwenden…die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit…die barmherzig sind…“. Diese Aufzählung – und das ist mehr als interessant und spannend zugleich – die endet dann, vielleicht ist das Ihnen noch gar nie groß aufgefallen, mit einem Wechsel der Anrede. Am Schluss heißt es nämlich auf einmal: „Selig seid IHR, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.“ Spüren Sie was hier passiert? Da bleibt Jesus nicht weiter in Allgemeinformulierungen stecken, sondern jetzt geht es ganz konkret um euch, sprich die Jünger damals bzw. um uns, seine Jüngerinnen und Jünger heute! Es liegt also an uns, die Worte Jesu jetzt umzusetzen. Aber bitte nicht aus einem moralischen Druck heraus, sondern weil ER uns selbst mit dieser Kostbarkeit des Salzes vergleicht. Ihr seid das Salz der Erde! Das müssen wir uns mal auf der Zunge zergehen lassen: Ihr seid das Salz der Erde. Das ist doch eine gigantische und ungeheuer liebevolle Zusage Jesu an uns. Allerdings sollten wir dann auch die Wirkweise nicht vergessen: Denn wenn Salz nicht unter die Speisen gemischt wird oder wegen falscher Lagerung feucht und fad wird, dann verliert es seine Kraft und seinen Sinn. Wenn Licht unsichtbar gemacht wird, kann man darauf verzichten, denn es bleibt dunkel. Und so gilt für uns: wenn Christen nichts raus- und nichts sehen lassen von ihrem Glauben, dann, ja dann kann sich auch nichts zum positiven ändern.
Dass nun aber die Frohe Botschaft, dass unser Glaube Menschen verändern kann, davon ist Jesus im tiefsten seines Herzens überzeugt. Sonst würde er das ja so nicht sagen. Wenn er uns auf den Kopf zusagt, dass wir das Salz der Erde sind, dann heißt das doch nichts anderes, als dass er uns zutraut, die Menschen auf den Geschmack zu bringen, wie denn ein gutes und erfülltes Leben aussehen kann. Dann sieht er in jeder und jedem von uns ein unsagbares Hoffnungspotential, welches das Faul und fad werden, die Trägheit und Resignation in dieser Zeit und dieser Welt zu verhindern weiß. Wir haben die Chance, die fade Suppe der Gleichgültigkeit ganz gewaltig zu würzen.
Oder wenn er uns als das Licht der Welt ansieht, dann ist er eben davon überzeugt, dass wird das Dunkel so mancher Trauer und Einsamkeit aufhellen können; dass wir anderen in düstere Zeiten hinein Orientierung und Wegweisung sein können und dass wir in eine mehr und mehr von sozialer Kälte geprägten Welt ein Klima der Menschlichkeit, der Herzenswärme und Geborgenheit bringen können. Am Wesen und am Inhalt unseres christlichen Glaubens liegt es jedenfalls nicht, dass von ihm und seiner Botschaft so wenig zu sehen und zu spüren ist – oder dass so viele nicht auf den Geschmack kommen.
Wenn ich mir das derzeitige Erscheinungsbild unserer Kirche und vieler Gemeinden oder auch einzelner Christen vor Augen führe, dann frage ich mich oft: Warum gibt es denn so viele Verpackungskünstler, die die befreiende Botschaft des Evangeliums in Hüllen von Vorschriften und Gesetzen einpacken? Die die Lebens- und auch die Glaubensfreude in ein steifes und humorloses Lamentieren und Besserwissen einwickeln? Die aus Angst vor Veränderung oder auch davor an Macht und Einfluss in dieser Welt zu verlieren, jegliche Begeisterung und Lebendigkeit unterdrücken? Manchmal habe ich den Eindruck, bei vielen von uns Christen besteht so etwas wie Verdunkelungsgefahr und manche sind auf bestem Wege die Spuren ihrer Glaubenspraxis zu verwischen, die Beweismittel ihres Christseins zu vernichten und all die von Gott geschenkten Talente zu vergraben.
Dabei dürften wir uns nur immer wieder klarmachen und vor Augen halten, dass Jesus uns nicht aufgefordert und befohlen hat: „Ihr sollt Licht sein“ oder „Seid doch bitte Salz!“ oder „Lasst euch endlich sehen wie die Stadt auf dem Berg.“ Nein, er hat uns doch glasklar zugesagt: „Ihr seid es bereits!“Das bedeutet doch aber: Endlich wieder wahrzunehmen, zu was wir von Gott berufen sind. Der Sprengkraft und der Leuchtkraft unseres Glaubens dahingehend zu vertrauen, dass wir diese Welt genießbarer und heller machen können. Es geht nicht darum, nur um uns selbst zu kreisen, sondern in diese Welt hineinzuwirken. Wir sollten uns wieder neu von Jesus anstecken lassen, von seiner frohen Botschaft, von seinem Lebensprogramm, vom Glauben daran, dass er uns die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes vorgelebt hat. Wenn wir das tun, dann können wir doch gar nicht mehr anders, als anderen davon zu erzählen, und dann sieht man uns unsere Berufung einfach auch wieder an. Warum?
Weil wir dann als Gemeinde und Kirche etwas ausstrahlen, nicht dadurch, dass wir als moralisch perfekte Menschen glänzen würden, sondern z.B. durch die Art und Weise, wie wir mit unseren eigenen Unfertigkeiten und Unzulänglichkeiten umgehen; wie wir gegensätzliche Meinungen aushalten und wie wir Konflikte angehen: ob wir sie offen und fair austragen, ob alle eine Chance haben gehört zu werden, ob wir versuchen, abzuwägen und zu überzeugen, oder ob wir bloß aus der Vergangenheit und Tradition leben und deshalb Neues und neue Gedanken immer nur verbieten.
Wenn wir neu von der Botschaft Jesu begeistert sind, dann wird es uns auch keine Ruhe lassen, dass viele Menschen beim Wort „Kirche“ nicht an Licht denken, sondern eher schwarz sehen. Dann wird es uns nicht gleichgültig sein, wenn ein engagierter Kirchgänger sagt: „Wir brauchen doch unser Licht schon lange nicht mehr unter den Scheffel zu stellen. Dass da nicht viel leuchtet, sieht doch ein Blinder.“ Nein, dann werden wir alles daran setzen, dass sich das ändert und die Menschen uns und diese Kirche wieder als ein Licht für ihr Leben wahrnehmen.
Dann werden wir auch als Gemeinde in unsere Umgebung hineinwirken wie eine Brise Salz. Nicht so, dass wir unseren Mitmenschen die Suppe versalzen und ihnen die Lebensfreude nehmen, indem wir ihnen ein allzu strenges und unerlöstes Christsein vorleben. Sondern vielmehr so, dass wir sie auf den Geschmack bringen. Zum Beispiel indem wir den Mund dort aufmachen, wo etwas faul ist in unserer Umgebung – genau so, wie Salz ja nicht nur würzt, sondern auch Fäulnis verhindert. Dann werden wir uns überall dort zu Wort melden, wo Menschen unterdrückt oder benachteiligt werden, wo menschliches Leben und die Schöpfung Gottes nicht ausreichend geschützt werden. Und wenn wir so neu begeistert sind, dann ist es uns eben nicht egal, wenn der Platz im Gottesdienst – auch in der Heimatgemeinde – plötzlich leerbleibt; dann werden wir nachfragen und wir werden andere, die zum ersten Mal mit uns feiern ansprechen und ihnen sagen, wie schön es ist, dass sie da sind.
Wie sagte mal ein Seifenfabrikant zu einem Christen: „2000 Jahre ist das Christentum alt. Und was hat es gebracht? Nichts! Die Welt ist nicht besser geworden. Es gibt immer noch so viel Böses in ihr.“ Da zeigt der Christ auf ein schmutziges Kind, das am Straßenrand spielt und bemerkt: „Seife hat aber auch nichts erreicht. Es gibt immer noch Schmutz und schmutzige Menschen auf der Welt.““Ja“, entgegnet da der Fabrikant, „Seife nützt und wirkt natürlich nur, wenn sie auch angewendet wird.“ – „Sehen Sie“, sagt da der Christ, „das Christsein auch!“
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Erstellt am: 09.02.2014 19:41 Uhr