L I: 2 Sam 7, 1-5.8b-12.14a.16 / Ev.: Lk 1, 26-38
Schwestern und Brüder!
Manchmal wünschte ich mir, es wäre schön ein Engel zu sein, der direkt vom Himmel kommt und eine erlösende Botschaft ausrichten darf. Zum Beispiel, dass all das Trennende zwischen den christlichen Konfessionen endlich aufgehoben und überwunden ist. Oder dass es endlich ein Medikament gibt, welches Karzinome heilt oder Aids besiegt. Oder dass endlich wieder die Menschen im Mittelpunkt der Politik stehen und nicht das Geld oder der Kampf um irgendeine Währung.
Aber zum einen bin ich kein Engel und zum anderen habe ich solche Botschaften leider nicht; ich hab nur die alte Geschichte von jenem Engel, der die Erlösung, das große Projekt des Himmels mit der Erde an eine junge Frau namens Maria ankündigte. Oft hab ich mir schon überlegt, wie das damals wohl so vor sich gegangen ist. Ob es da wohl einen Planungsstab gab, der für dieses Erlösungsprojekt eine Strategie entworfen hat oder wie man sich das denken muss. Dabei ging mir so alles Mögliche und auch Unmögliche durch den Sinn, aber vielleicht war es ja wirklich so:
Als Gott erkannte, dass es an der Zeit sei, die Menschen zu erlösen, da gab er seinen Engeln die Zielvorgabe, eine Botschaft auszuarbeiten, die allen, aber auch wirklich allen Menschen versichert: „Ich bin immer bei euch – in all den Höhen und den Tiefen eures Lebens. Weder Tod noch Leben, weder Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges kann euch diese Gewissheit meiner Gegenwart und meiner Liebe nehmen.“ Natürlich gab es im Planungsstab der Engel Rückfragen, z.B. ob es nicht einfacher wäre, die Schöpfung einfach umzugestalten, dann wäre das Ziel doch ganz schnell erreicht. Aber die Zentrale, Gott selbst, gab zurück: Die Erlösung gilt für die real existierende Schöpfung – und zwar so wie sie jetzt ist. Daraufhin trat dann der erste Engel vor und sagte: Wenn die Menschen in Gott verliebt sind, dann können sie ihn doch auch in seiner Abwesenheit so spüren, als sei er da – ähnlich wie Verliebte, die sich ja auch immer spüren, selbst wenn sie einander nicht sehen. Also gehe ich einfach hin zu den Menschen und sage ihnen: Gott hat sich in euch verliebt, auch wenn ihr das nur bildlich oder als Metapher wahrnehmen könnt.
Da sagte aber ein zweiter Engel: Das ist doch viel zu abstrakt. Das muss man vielmehr in ein Gleichnis fassen; ein Gleichnis dergestalt, dass es sich mit Gott so verhält wie mit einem König, der sich nach dem Tod seiner Frau in ein einfaches Mädchen verliebt hatte. Das Mädchen wollte das aber nicht glauben und forderte Taten. Also dankte der König ab, verzichtete auf den Thron zugunsten seines Sohnes und kam dann zu seiner Geliebten und warb um sie. Ob die aber auch einen König heiraten will, der auf seine ganze Macht verzichtet hat? Der auf einmal nur noch ein Mensch wie jeder andere ist? An dieser Stelle müsste dann das Gleichnis abbrechen, denn das Ende müssen die Menschen in ihrem Leben selbst finden – meint ihr nicht? Es hängt dann ganz allein von ihnen ab, ob sie zur Werbung Gottes ja sagen können oder nicht.
Jetzt meldete sich ein dritter Engel und warf ein: Bei solchen Gleichnissen sagen die Menschen doch gleich, das ist nur Dichtung, aber nicht real. Also muss man der Dichtung ein Stück Realität beimischen, etwas, was die Menschen aufhorchen lässt, vielleicht etwas Skandalöses. So z.B., dass ein Geistlicher den Auftrag bekommt, eine Frau mit einem unmoralischen Lebenswandel zu heiraten, eine Geschiedene oder gar eine Prostituierte. In dieser Liebe soll dann die Liebe Gottes zu den Menschen aufleuchten und dann werden sie schon spüren, wie schön… Ach das geht doch überhaupt nicht, unterbrach ihn jetzt ein vierter Engel. Auch eine symbolische Handlung ist zu viel Bild und zu wenig harte Realität. Ich meine, Gott soll nicht zugunsten seines Sohnes abdanken, sondern ihn auf die Erde schicken. Er soll wie alle anderen von einer Frau geboren werden, klein und schrumpelig bei der Geburt, schreiend und mit roten Flecken, und dann soll er aufwachsen wie alle anderen Kinder auch. Von wegen Musterknabe. Nein, weder er noch die Familie sollen etwas Besonderes sein, sondern sie sollen die Risiken des Lebens mit den anderen teilen. Das Nicht-Verstanden-Werden, die Sorge um das tägliche Brot, Krankheiten und Tod. Nur dann, wenn Gott in einem wirklichen Leben ohne jegliche Abstriche da ist, nur dann können wir doch den Menschen glaubhaft versichern: ER steht an eurer Seite – von der Geburt bis zu eurem Tod. ER ist bei euch, auch in den dunkelsten Stunden, selbst im Tod.
Bei all diesen Gedanken war nun aber das große Problem für die Engel: Wie erkennen denn die Menschen, dass da kein beliebiger Mensch, sondern der Sohn Gottes geboren wurde? Also doch etwas Besonders veranstalten? Z.B. eine alte unfruchtbare Frau erwählen die ein Kind bekommt? Das wäre doch ein Zeichen für Erlösung, meinten die einen. Andere meinten dagegen: Das hatten wir doch schon mal bei Hanna und Samuel. Also lieber eine Steigerung – wie wär‘s mit einer jungen Frau? Und sie soll nicht unfruchtbar, sondern unberührt sein. Das wäre in einer Zeit, in der anscheinend die einzig interessante Frage für viele lautet: Wer schläft mit wem?, doch viel, viel interessanter. Wir Engel zeigen: Das Größte in der Welt geschieht, ohne dass eben jemand mit jemandem geschlafen hat.
Einige Engel waren begeistert, andere dagegen taten sich unsagbar schwer mit all diesen Gedanken. Vor allem aber gab es moralische Bedenken gegen die ungewöhnliche Geburt. Wertet sie nicht alle ab, die – als Folge einer Liebesnacht zweier Menschen – geboren werden? Könnten nicht manche auf die Idee kommen die Liebe Gottes ließe sich nur unter Ausschaltung der menschlichen Sexualität verwirklichen? Als müssten gute Menschen wie Engel sein – frei von allen menschlichen Gefühlen und Begierden. Schließlich einigte man sich auf drei Kompromisse:
Erstens – das Kind soll tatsächlich Sohn Gottes heißen. Aber in einer der
vier Schriften über sein Leben, soll er erst als Erwachsener dazu adoptiert werden. Deshalb heißt es bis heute im Markusevangelium: „Du bist mein geliebter Sohn, Dich habe ich erwählt.“ Und das sagt dann diese Stimme auch als Botschaft an uns Erwachsene: Mitten im Leben könnt ihr Töchter und Söhne Gottes werden. Es hängt nicht von eurer Kindheit ab, ganz so, als wären da schon alle Würfel gefallen. Nein, wir werden alle geboren, um so wie der eine Sohn Gottes, mitten im Leben zu Kindern Gottes zu werden.
Zweitens – der Verkündigungsengel überbringt zwei Botschaften an Maria; die eine, dass sie einen Sohn gebären wird, der von Gott zum König berufen ist und die andere, dass der Heilige Geist der Auslöser der Schwangerschaft ist. Da konnten jetzt selbst die Gegner der wundervollen Geburt zustimmen, weil ja der Heilige Geist an die Stelle des Mannes tritt und dieser Geist ja allen verheißen ist. Alle können diese Kraft empfangen und so wird auch niemand diskriminiert.
Der dritte Kompromiss lautet schließlich: Irgendwo soll gesagt werden, dass diese wunderbare Zeugung auch ein Bild dafür ist, was mit allen Menschen geschehen soll. Daher lesen wir im Johannesevangelium an der Stelle, wo eigentlich von der Geburt des Gottessohnes die Rede sein solle, von der wunderbaren Geburt aller Christen. Wir lesen da vom Wort, das am Anfang bei Gott war und das in die Welt kommt und von den einen aufgenommen wird und von den anderen nicht. Da heißt es dann wörtlich: „Allen, die das Wort aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden; allen die an seinen Namen glauben…“ – und jetzt kommt das Entscheidende – „die nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern von Gott geboren sind.“ Also: Alle Menschen, die das Wort aufnehmen, erhalten ein neues Leben. Und wie geschieht das? Nun, in dem Christus in uns geboren wird. Wenn wir ihn in uns aufnehmen, wenn wir an ihn glauben, dann sind wir neue, sind wir andere Menschen. Auf diese innere Verwandlung kommt es an. Oder wie der Mystiker Angelus Silesius formuliert hat: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren, aber nicht in dir; du bleibtest trotzdem verloren.“
Nach langer Diskussion hatten sich die Engel also auf diese drei Kompromisse geeinigt. Und dann schickten sie den Engel Gabriel mit der Botschaft an Maria los nach Nazareth und gleichzeitig starteten viele Engel zu allen Menschen. Und einer von ihnen ist jetzt auch unterwegs zu jeder und jedem von uns – zu ihnen und zu mir. Er will uns auch dieses Jahr die Botschaft überbringen: Gott ist immer bei dir. Nichts kann dich von ihm trennen, nichts kann dich von der Liebe Gottes scheiden, die in diesem Kinde ist. Wenn du es in dein Herz aufnimmst, wenn es noch einmal in dir geboren wird, dann wird dein Leben voll werden von der Liebe Gottes. Es wird froh werden wie das Leben eines Verliebten – und wäre es auch nur für einen kurzen Augenblick. Wenn Gott in dir geboren wird, dann kann dir nichts Größeres mehr geschehen und dein Leben hat einen unauslöschlichen Wert – und das gilt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
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Erstellt am: 19.12.2011 18:37 Uhr