Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis 2012 (18.11.)

Lesung: Dan 12, 1-3 / Evangelium: Mk 13, 24-32
Schwestern und Brüder!

Haben Sie sich schon darauf eingestellt? Am 21. des kommenden Monats endet der bekannte Maya-Kalender. Für viele – auch hier auf Teneriffa – ein Grund, wirklich an das Ende der Welt zu glauben und sich dementsprechend mit überlebensnotwendigen Dingen auszustatten. So nimmt doch derzeit allen Ernstes die Anzahl verkaufter Generatoren auf der Insel verstärkt zu. Der in Amerika lebende, schwäbische Erfolgsregisseur Roland Emmerich, den man in der Filmbranche auch den „master of desaster“ nennt, hat über genau dieses Szenario des 21.12. bereits vor 3 Jahren einen spektakulären Katastrophenfilm gedreht.
Sein lakonischer Titel: „2012“. Ich weiß nicht, ob Sie den Film gesehen haben, aber Emmerich selbst sagt über ihn: „2012 ist mein letztes Desaster-Movie, denn ich wüsste wirklich nicht, was ich anschließend noch zerstören sollte.“ Mit atemberaubenden Spezialeffekten wird hier der Weltuntergang als ein Inferno inszeniert, indem selbst der Vatikan nicht fehlen darf. Wie ein Kartenhaus stürzt da der Petersdom in sich zusammen und wird von einer kilometerhohen Monsterwelle einfach hinweg gespült. Nichts mehr zu sehen von der einstmaligen Weissagung: „…die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
Mit der Endzeitstimmung lässt sich, das zeigt nicht nur dieser Film, durchaus Kasse machen. Man kann damit aber auch Druck aufbauen – und: man kann den Versuch unternehmen, das ein oder andere unerklärliche Geschehnis doch in irgendeiner Form plausibel zu machen. So war es auch damals, mit der Zeit um 70 nach Christus. Damals glaubten auch viele Menschen, Juden wie Christen, dass das Ende der Welt gekommen sei. Und weshalb?  Weil das römische Heer Jerusalem eingenommen und den Tempel bis auf die Grundmauern zerstört hatte. Vor diesem Hintergrund sind ja das Markus-Evangelium und der heutige Schrifttext entstanden. In den vorangegangenen Versen wird die große Not geschildert, die über die Menschen hereinbrechen wird: Krieg, Erdbeben und Hungersnöte. Das war schon für viele erlebte Realität. Aber unser Schrifttext geht ja noch weiter: Nach dieser „großen Not wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ Man kann schon sagen: es ist eine globale Katastrophe, die hier angekündigt wird, das Schreckensszenario eines zusammenbrechenden Weltalls. Bleibt die Frage: Wollte Markus seine Leser, die ja eh schon mit Krieg und Verfolgung konfrontiert waren, noch mehr ängstigen? Ich würde das jetzt mal verneinen. Denn sowohl dieser Text des Markus als auch die anderen apokalyptischen, also endzeitlichen Texte des Neuen Testamentes, sind ja in sich keine Drohbotschaften, sondern vielmehr Trost-Texte. Sicherlich: Diese Bilder malen zwar den Weltuntergang vor unser geistiges Auge, doch genau dieses Weltende zeigt ja zugleich immer auch das Kommen des Menschensohnes an. Die Welt verendet nicht, sondern sie wird „voll-endet“. Für Markus und seine Leserinnen und Leser ist klar, dass der hier erwähnte Menschensohn niemand anderer als Jesus Christus selbst ist, der Erhöhte, der kommt und „die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen wird.“ Was er dann tun wird, wird leider nicht gesagt. Kommt er, um Gericht zu halten, um zu strafen oder um zu retten? Und was passiert mit all denen, die nicht auserwählt sind? Die, die ihr Leben lang den lieben Herrgott einen guten Mann sein ließen und sich keinen Deut um seine Botschaft kümmerten? Ich stelle fest: Markus interessiert das in keinster Weise. Er selbst, und mit ihm natürlich seine Leserinnen und Leser, schöpfen einfach nur Kraft und Zuversicht aus dieser Weissagung. Auch wenn es ihnen schlecht erging, auch wenn sie große Not litten und oft noch Angst vor Schlimmerem hatten, so vertrauen sie doch einfach darauf, dass Gott sie nicht im Stich lässt, sondern dass sie – wenn sie ihm treu bleiben – von ihm auch gerettet werden.
Nun sind wir heutzutage an viele Schreckensbilder von Kriegen, Hungersnöten und Katastrophen gewöhnt; so gewöhnt, dass sie uns nicht mehr unbedingt in Angst und oft auch nur für kurze Zeit in Sorgen und Schrecken versetzen. Freilich wissen wir um Strukturen in Wirtschaft und Politik, die tödlich sein können für uns Menschen oder auch die uns umgebende Natur. Wir wissen auch um die bedrohlichen Gräben zwischen den Religionen und Kulturen. Gar keine Frage. Aber wir verschwenden nicht allzu viel Gedanken daran und unser Tagesgeschäft geht doch immer recht schnell weiter. Und dass nun tatsächlich alles mal zusammenstürzen soll, davon gehen wir schlicht und einfach nicht aus. In unserem relativ sicheren Europa bedrängen uns die Zukunftsbilder einer zusammenbrechenden Welt relativ wenig, auch nicht die Spekulationen über den genauen Zeitpunkt. Zu oft sind vorhergesagte Endzeittermine einfach verstrichen, haben sich Vorhersagen nicht bewahrheitet. Ja selbst unser heutiges Evangelium lag ja mit der Erwartung des Weltendes für die damalige Generation mehr als falsch. Recht hat es einzig und allein mit der Aussage, dass niemand „jenen Tag und jene Stunde“ kenne, „auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.“ Damit aber macht Jesus ein für allemal Schluss mit den vielen Weltuntergangsspekulationen und wer vorgibt, anderes darüber zu wissen, der hat es frei erfunden und will damit nur ein Geschäft machen. Doch das ist falsch, auch wenn es mit einem religiösen Deckmäntelchen daherkommt.
Wenn wir nun aber den heutigen Evangelientext übertragen und ihn weniger global, sondern einfach mal stärker individuell lesen, dann finde ich,  bekommt er durchaus eine sehr bestürzende Brisanz. Dann ist nämlich das Weltende keine Frage der Zeit mehr, sondern vielmehr des eigenen Erlebens. Wie ich das meine? Ich denke da einfach mal an die Mutter, die ihre Kinder in den Straßen von Damaskus bei einem Schusswechsel verloren hat; für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Oder ich denke an den Mann, der beim Tsunami an der Ostküste Japans seine ganze Familie verloren hat; für den brach auch eine Welt zusammen. Es bricht auch eine Welt zusammen für die Eltern, deren Kind an Leukämie stirbt oder für die Frau, die von ihrem Mann allein gelassen, auch noch die Arbeitsstelle verliert. Eine Welt bricht zusammen für den Menschen, der frohgelaunt in die Tage des Urlaubs fährt und schwerstkrank nach Hause zurückkehrt … und …und…und.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen; auch fortsetzen mit eigenen Erlebnissen, die wir selbst erlebt oder mit Schicksalen, die wir aus eigenem Anschauen kennen oder aus den Medien erfahren haben. Da kann einem oft wirklich Angst und Bang werden. Aber lesen wir das Evangelium ruhig weiter auf uns selbst hin. Denn dieses besagt doch auch: Wenn meine Welt zusammenbricht, dann kommt Jesus Christus. Vielleicht nicht unbedingt auf Wolken und mit Macht, sondern vielleicht eher leise und im Verborgenen. Gott ist nahe – Ihnen und mir nahe – gerade dann, wenn alles zusammenstürzt, wenn die Perspektiven verloren gehen und keine Hoffnung mehr ist. Gott ist nahe, Gott geht mit mir durch jede Katastrophe meines Lebens hindurch – das ist die Frohe Botschaft, die uns niemand nehmen kann.
Aber stimmt das? Erlebe ich das tatsächlich so? Häufig genug erfahre ich doch, dass gerade dann, wenn meine kleine heile Welt zusammenstürzt, ich mich – und mit mir auch viele andere sich – unendlich schwer tun, Gott zu erfahren. Gerade dann scheint er uns nicht nur fremd, sondern auch abwesend und weit weg zu sein. Und da bleibt dann die Frage: Woraus können wir denn Mut und Zuversicht schöpfen? Wo kann ich persönlich Halt finden,
wenn alles über mir zusammenschlägt?
Es sind zwei Anregungen, die uns das heutige Evangelium schenkt: Zum einen ist es der Vergleich mit dem Feigenbaum. Interessanterweise nimmt Jesus gerade ein lebenstrotzendes Frühlingsbild zum Vergleich dafür, wie die Menschen ihre Aufmerksamkeit auf die Zeichen des nahen Endes richten sollen. Und vielleicht sollten auch wir gerade das tun: Auf die Frühlingszeichen unserer Zeit achten, nach den kleinen Lebenszeichen suchen und nicht die Todeszeichen heraufbeschwören.  Zum anderen ist es seine Aussage: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ In aller Unbeständigkeit gibt es für uns letztlich nur diesen Halt. Was Gott in Jesus Christus offengelegt und über das Ziel unseres Lebens gesagt hat, das hat Bestand, ist unvergänglich und unverwüstlich. Unter den vielen Todesanzeigen unserer Zeit, steht seine große Lebenszusage: Du, Mensch, bist nicht für den Tod bestimmt, sondern das Leben! In allem Untergang ereignet sich der Anfang eines neuen Lebens. Diese Welt und unser eigenes Leben haben nicht nur ein Ende, sondern vor allem ein Ziel. Wer aus dieser österlichen Hoffnung zu leben vermag, der wird nicht nur mit der Hinfälligkeit dieser Welt besser zurechtkommen; nein, der wird sich auch angesichts des 21.12.2012 oder irgendeiner anderen Weltuntergangsvorhersage mit Sicherheit keine Gänsehaut holen. Amen.

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Erstellt am: 18.11.2012 20:20 Uhr

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