Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis 2011

L I: Spr 31, 10-13.19d.30f. / Ev.: Mt 25, 14-30

Schwestern und Brüder!

Haben Sie schon einmal an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen? Da kommt es in den ersten Stunden häufig zu Diskussionen darüber, ob es denn nun wirklich sinnvoll ist, einen Verletzten zu versorgen oder nicht. Dahinter steckt bei vielen die Angst, mehr falsch als recht zu machen, wenn man doch gar nicht genau weiß, was der Verletzte hat. Schlussendlich ist genau das ja der häufigste Grund den Menschen angeben, wenn sie denn gefragt werden, weshalb sie bei einem Notfall nichts unternommen haben. Sie antworten dann:

„Ja, was würde denn passieren, wenn ich da jetzt etwas falsch gemacht hätte? Vielleicht hätte ich dann dem Verletzten mehr geschadet als geholfen. Und am Ende könnte ich dann wohl noch belangt werden, weil mein Tun aus medizinischer Sicht nicht richtig gewesen ist. Und so sag ich mir: Wenn ich nichts mache, kann ich auch nichts falsch machen.“ So also lautet häufig der Tenor vieler Teilnehmer und – Hand auf’s Herz – wer von uns hat nicht auch schon so gedacht? Dabei sagt der Kursleiter eines jeden Erste-Hilfe-Kurses seinen Teilnehmern dann: „Sie schaden dem Verletzten am meisten dadurch, wenn sie nichts tun. Also: Egal was sie machen, sie können damit dem Verletzten nur helfen. Haben sie einfach keine Angst!“

Keine Sorge, ich will jetzt hier keine Werbung für einen Erste-Hilfe-Kurs machen (obwohl das für uns alle vielleicht mal wieder recht sinnvoll sein könnte). Mir geht es einzig und allein um den Satz: Wenn man nichts tut, dann kann man auch nichts falsch machen. Dieses Motto spielt nämlich auch in unserem eben gehörten Gleichnis eine ganz wichtige Rolle; wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Da spricht Jesus ja über das Ende der Welt und sein Wiederkommen am Ende der Zeiten. Zugegeben: auf den ersten Blick hat das nun mit dem Erste-Hilfe-Beispiel nicht viel zu tun. Hier geht es eher um Wirtschaft, um Macht und Geld. Wenn man dann auch noch überlegt, dass der Geschäftsmann, von dem hier die Rede ist und von dem man den Eindruck hat, dass sein Geld sich mehren muss, egal wie – aber Hauptsache es mehrt sich – wenn man da überlegt, dass dieser Geschäftsmann ein Beispiel für das Verhalten Gottes sein soll, ja dann muss man sich doch fragen: Steht unser Herrgott für einen Turbokapitalismus in Vollendung? Ist er eine Heuschrecke, die ohne Rücksicht auf menschliche Verluste nur auf Gewinnmaximierung aus ist? Den Eindruck könnte man fast gewinnen, wenn man in diesem Gleichnis eben spürt, wie er von seinen Mitarbeitern ganz offensichtlich erwartet, dass sie nicht nur seinen Besitz unangetastet verwahren, sondern dass sie dieses Kapital noch weiter vermehren sollen. Dieser Eindruck verstärkt sich sogar noch, wenn man in diesem Gleichnis dann gesagt bekommt, dass die beiden Diener, die sich als geschickte Finanziers erwiesen haben und durch entsprechendes Arbeiten oder auch Spekulieren das anvertraute Vermögen verdoppelt haben, dass diese beiden Diener belohnt werden und ihnen künftig sogar noch größere und wichtigere Aufgaben anvertraut werden sollen. Der dritte Diener aber, der aus Angst vor der Strenge seines Herrn, das ihm anvertraute Geld einzig und allein sicher verwahrt hatte, dieser dritte Diener wird als unnütz angesehen und verstoßen.

Ist das also nun der Maßstab christlichen Umgangs mit Geld und Reichtum? Was Jesus da sagt, ist ja nun zwischenzeitlich fast schon sprichwörtlich geworden: Wo Geld ist, kommt immer noch mehr dazu. Und demjenigen, der nur wenig hat, dem wird eben auch dieses Wenige noch genommen…. Es klingt wie ohnmächtige Bestätigung ungerechter Zustände – oder nicht? Doch dürfen wir das Evangelium so sehen? Wollte uns Jesus das wirklich lehren? Ich kann mir das nicht vorstellen. Zumal das Wuchern mit Geld nach jüdischem Recht verboten war und dieses Gleichnis somit in den Ohren seiner Zuhörer mehr als anstößig geklungen haben muss. Was also will Jesus wirklich damit sagen?

Und sehen Sie, da komme ich nun auf das Erste-Hilfe-Beispiel zurück. Denn der dritte Diener ist ja ein Musterbeispiel dafür, wie jemand, der aus lauter Angst davor, etwas falsch zu machen, am Ende lieber gar nichts tut. Die Aufgabe, die ihm übertragen wurde, macht ihm Angst. Er fürchtet, dass der Herr ihn bestraft, wenn er mit dem anvertrauten Geld wuchert und es dabei verliert. Deshalb vergräbt er es und gibt es ungenutzt zurück. Eigentlich nicht unverständlich – meinen Sie nicht auch?

Wie viele Situationen gibt es denn, in denen wir ungenutzt Chancen verstreichen lassen, weil wir uns irgendwie nicht trauen. Wie oft schaffen wir es nicht, über unseren eigenen Schatten zu springen? Oder wie gerne würden wir es manchmal tun, und dann macht uns die Angst vor der Konsequenz wieder einen Strich durch die Rechnung. „Was ist, wenn ich scheitere? Wie stehe ich denn dann vor den anderen da? Ist das Risiko nicht doch viel zu groß?“

Genau so ergeht es dem dritten Diener auch. Und selbst wenn er sich nach jüdischem Recht durchaus korrekt verhält, so wird seine Vorsicht am Ende doch nicht belohnt. Denn Jesus fordert mehr Einsatz, mehr Leidenschaft und Mut. Allerdings nicht in Bezug auf Geld und Bankgeschäfte; das dient ihm nur, um seinen Hörerinnen und Hörern ein drastisches, aber doch recht einsichtiges Beispiel vor Augen zu führen. Das Vermögen von dem er spricht, das ist seine Botschaft selbst. Er lässt den Seinen zurück, was er den Menschen zu geben hatte: Das Evangelium, die gute und frohmachende Nachricht von der Liebe Gottes und seiner Treue zu uns Menschen. Dieses Evangelium ist eine stetige Einladung an jede und jeden von uns.

Genau damit aber verbindet sich eben auch eine Aufgabe: Diese Botschaft weiterzusagen und sie zu leben. Wie ein Schlussakkord steht sie gleichsam am Ende des Matthäusevangeliums. Es liegt nun an uns, was wir aus dieser Aufgabe machen: Sowohl als Kirche, wie auch als Einzelne. Jede und jeder von uns soll mit seinen Gaben und Fähigkeiten dazu beitragen, dass von diesem kostbaren Gut des Evangeliums möglichst viele Menschen etwas erfahren. Deshalb sollen wir davon reden, wie jetzt im Gottesdienst, aber eben auch in unserem Alltag, in Gruppen und Kreisen, unter Kollegen oder bei Freunden, gegenüber den Nachbarn oder auch im eigenen Familienverbund. Was fasziniert uns denn am Evangelium? Was bedeutet mir mein Glaube an einen liebenden Gott? Welche Perspektive schenkt er mir für mein ganz persönliches Leben?

Gott hat jeder und jedem von uns ganz unterschiedliche Fähigkeiten geschenkt und genauso unterschiedlich erreicht seine Botschaft eben auch die Menschen durch uns: Die einen erfahren sie im helfenden Gespräch und die anderen in der ganz praktischen Hilfe und Unterstützung; die einen im Zuhören, die anderen im gemeinsamen Klagen, Weinen oder auch Lachen. Für die einen im Wachrütteln oder Vermitteln einer neuen Perspektive – für die anderen im gemeinsamen Gebet miteinander oder füreinander….Alle unsere je eigenen Gaben und Fähigkeiten sind gefragt und niemand von uns wird dabei überfordert. Denn so wie der Geschäftsmann in dem Gleichnis seinen Dienern so viel anvertraut, wie es ihren Fähigkeiten entspricht, so fordert auch Jesus von seinen Jüngerinnen und Jüngern nicht mehr, als sie zu leisten im Stande sind. Aber das, was wir leisten können, das fordert er auch von uns ein.

Jetzt denken Sie vielleicht: „Ja und was ist das mit dem Heulen und Zähneknirschen am Ende des Gleichnisses? Das kann einem doch schon wieder Angst machen! Was wenn’s schiefgeht? Wenn ich mich bemühe und doch scheitere?“ Ich gebe zu, dazu sagt der Bibeltext nichts. Aber was wäre wohl geschehen, wenn der dritte Diener über seinen Schatten gesprungen, alles Vermögen aufs Spiel gesetzt und verloren hätte? Was hätte Jesus da wohl gesagt? Und ich für meinen Teil bin der festen Überzeugung: er hätte ihn genauso zum Festmahl eingeladen, er hätte ihn genauso zuvorkommend behandelt wie die beiden anderen auch. Denn nicht die Tatsache, dass er nichts vorzuweisen hat wurde von Jesus verurteilt, sondern dass er nichts getan hat. Genau das will uns nämlich dieses „Gleichnis von den anvertrauten Talenten“ sagen, dass mit unseren individuellen Talenten und Gaben eben auch „Auf-Gaben“ verbunden sind. Gott setzt Hoffnung in uns – in Sie und in mich. Mit dem, was wir an Gaben und Fähigkeiten haben, sollen wir uns für ihn und die Sache vom Reich Gottes einsetzen. Nicht nur ein wenig – nicht ohne Wagnis! Nein: Wuchern ist angesagt und volles Risiko! Die Kraft und den Mut dazu, schenkt er uns. Und im Ernst: Wir können dabei doch schlussendlich nur gewinnen. Wie beim Erste-Hilfe-Kurs! Denn am meisten schadet es doch immer dann, wenn wir nichts tun. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 14.11.2011 19:05 Uhr

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