L I: Jona 3, 1-5.10 / Ev.: Mk 1, 14-20
Schwestern und Brüder!
Sicherlich sind Sie überrascht, dass ich mich bereits jetzt, an dieser Stelle, mit der Bitte an Sie wende, sich zu setzen. Sie werden es kaum glauben, aber die Predigt beginnt heute früher – schon vor der Lesung – weil das, was wir jetzt hören werden, einfach der Erklärung bedarf. Deshalb ist es mir ein Anliegen, Sie alle zu warnen, bevor Sie jetzt weiter zu hören: Ich warne alle, die keinen Spaß verstehen, und die meinen, Humor habe im Gottesdienst nichts zu suchen; denn jetzt folgt – zumindest in meinen Augen – die witzigste Geschichte der ganzen Bibel. Ich warne auch alle, die meinen, man müsse die Bibel immer in dem Sinne wörtlich verstehen, dass alles so passiert wäre, wie es hier erzählt wird. Denn jetzt folgt eine Geschichte, die doch sehr legendenhaft klingt. Und ich warne alle, die meinen, ihren Gott ganz genau – quasi aus dem effeff – zu kennen und die deshalb immer schon gewusst haben oder wissen, was er will und wie er handelt. Es folgt jetzt nämlich eine Erzählung, die alle frommen Besserwisser ganz gewaltig ins Schleudern bringen kann.
Sollten Sie nun allerdings nicht zu den genannten drei Risikogruppen gehören, dann dürfen Sie sich jetzt von Herzen auf eine spritzige, fast schon märchenhaft anmutende Geschichte aus dem Alten Testament freuen, die wohl nichts anderes ist, als eine Lehrerzählung über Gott, der immer für eine Überraschung gut ist. Leider taucht diese biblische Erzählung nur alle drei Jahre in unseren Gottesdiensten auf und jeweils auch immer nur mit einem ganz kleinen und aus dem Zusammenhang gerissenen Abschnitt. Deshalb möchte ich Ihnen, bevor wir diesen Abschnitt hören, ein klein wenig mehr von dieser Geschichte erzählen.
Da heißt es zu Beginn: „Das Wort des Herrn erging an Jona, den Sohn
Amittais: Mach dich auf den Weg, und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr das Strafgericht an. Denn die Kunde von ihrer Schlechtigkeit ist bis zu mir heraufgedrungen. Jona machte sich auf den Weg…“ Genau bis hierher, bis zur Mitte des dritten Satzes, klingt ja alles noch recht bieder und normal – ohne dass man darüber großes Aufhebens machen müsste. Aber dann beginnt ein mehr als aufregendes und köstliches Spiel, das man durchaus als Theaterstück „Jona gegen Gott“ oder auch „Des Widerspenstigen Zähmung“ betiteln könnte. Und in der Tat – man kommt sich wirklich vor wie in einem Schachspiel: Gott macht den ersten Zug und der Gegenzug des Jona ist gleich eine Finte: Er macht sich zwar auf den Weg, aber eben nicht nach Ninive, sondern in die genau entgegengesetzte Richtung. Er besteigt ein Schiff nach Tarschisch, weil er sich vor Gottes Auftrag drücken will. Deshalb ist nun Gott wieder am Zug und er schickt einen Sturm. Und Jona? Der macht die Augen zu und schläft, stellt sich tot. Die heidnischen Matrosen aber sind der Meinung, dass der flüchtende Jona an diesem Unwetter schuld ist und als dieser das auch noch zugibt, lässt er sich von ihnen ins Meer werfen. Sofort besänftigt Gott die aufgebrachten Wellen, die Matrosen sind beeindruckt und machen diesem, für sie fremden Gott, ein Gelübde. Das ist doch wohl ein Witz: Jona, dieser störrische Prophet, bringt es doch tatsächlich fertig – ohne dass er es eigentlich will – dass die Seeleute zum Glauben an Gott kommen. Und Gott? Der hat die pfiffige Idee, dem Jona eine dreitägige Exerzitienzeit im Bauch eines Walfisches zu verordnen.
Soweit so gut. Alle, die nun die Bibel wortwörtlich verstehen und die bisher trotz meiner eingangs gemachten Warnungen zugehört haben, die werden jetzt wohl all ihre Erklärungen präsentieren: Dass man z.B. den Schlund von Blauwalen schon vermessen und dabei festgestellt habe, dass da durchaus ein Mensch durchschlüpfen könne. Oder dass man bei Walfischen immer mit Luftblasen im Bauch rechnen müsse, die dem Jona das überleben gesichert hätten. Und manche werden sich sogar auf den heiligen Augustinus berufen, der einigen Skeptikern anhand eines Walfischgerippes gezeigt haben soll, dass mehrere Menschen in seinem Innersten Platz finden. Andere, nicht ganz so strenge Gläubige, erklären es sich mitunter ganz banal so, dass Jona wohl von einem Schiff mit dem Namen „Großer Fisch“ gerettet worden sei bzw. er vielleicht auch drei Tage in einer Hafenkneipe versumpft ist, die „Zum Walfisch hieß.
Wie dem auch sei, es folgt der nächste Schachzug Gotts in dieser köstlichen Auseinandersetzung. Der Fisch muss nämlich Jona genau dort ausspucken, wo Gott ihn haben will. Er bekommt also eine zweite Chance und von der handelt nun unsere heutige Lesung – (Lesung wird vorgetragen)
Jona ist alles andere als erfreut über den Erfolg seiner Predigt. Im Gegenteil: Er wird richtig sauer und schmollt vor sich hin. Weil Gott seine Drohung nicht wahrgemacht hat, tritt er draußen vor der Stadt in einen Hungerstreik. Wieder hat er, ganz entgegen seiner Absicht, Menschen zu Gott geführt. Doch Gott will Jona aufheitern. Deshalb lässt er einen Rizinusstrauch wach-sen, in dessen Schatten der Prophet wieder einen kühlen Kopf bekommen soll. Darüber freut sich Jona, aber Gott führt anderes im Schilde. Über Nacht schickt er einen Wurm, der die Staude abnagt, dazu einen heißen Wind und die Sonne, die Jona gnadenlos aufs Haupt brennt, bis er ohnmächtig wird. In dem Moment, wo er im wahrsten Sinne des Wortes „schachmatt“ ist, will er nicht mehr leben. Doch Gott bringt ihn ins Spiel zurück und er sagt zu ihm: „Es ist dir leid um einen Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht hochgezogen hast. Über Nacht war er da und über Nacht ist er eingegangen. Aber mir sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben?“
Mit dieser Frage endet die Jonaerzählung – und jetzt sind wir gefragt. Denn
diese Frage gilt ja uns allen. Im Spiegel des Jona sollen wir unser Leben anschauen, und wenn wir uns nicht davor drücken, dann können wir aus dieser Geschichte – so meine ich – drei wichtige Lektionen lernen:
Die erste lautet: Gott ist schneller! Er wird uns immer einholen, wenn wir meinen, vor einer Aufgabe davonlaufen zu können. Ich kann mir noch so viele Fluchtwege bereitlegen – doch am Ende dieser Wege, da wartet ER schon auf Sie oder auf mich und zeigt uns erneut, was ER gerade durch sie oder durch mich in dieser Welt bewirken will. Also: Ich kann mich noch so sehr sträuben und mich wehren – ER wird mich immer wieder dorthin rufen, wo ER mich braucht. Gott ist schneller – weil er einen immens langen Atem mit uns allen hat.
Die zweite Lektion heißt: Gott ist größer! ER lässt sich nicht in die oft kleinlichen oder kleinkarierten Vorstellungen zwängen, die wir von ihm haben. Selbst wenn ich mir noch so genaue Denkmuster von ihm mache, so wird ER sie doch alle sprengen. Wenn wir versuchen, ihn hinter unseren Kirchenmauern festzuhalten, dann wird ER doch immer auch bei denen sein, die unsere Kirche und wir oft für unwürdig oder ungläubig halten. Wir können auch versuchen ihn in Dogmen oder Glaubenssätze einzusperren – aber ER wird uns immer wieder aufs Neue zeigen, dass ER der ganz andere ist, den niemand von uns wohl je richtig begreifen wird bzw. den wir nie auf eine endgültige Formel festlegen können. Denn das hieße ja, dass wir ihm vorschreiben, wer ER ist und wie ER zu handeln hat. Aber ist nicht genau das unsagbar vermessen? Wer sind wir denn? Also: Gott ist größer und ER schmunzelt wahrscheinlich über alle, die meinen, alles von ihm zu wissen und die nicht mehr suchen und nicht mehr fragen.
Und die drittel Lektion lautet: Gott ist pfiffiger! ER verfolgt seine Ziele nicht mit Gewalt, sondern ER lässt sich immer was Neues einfallen, um mich zu dem Menschen zu machen, der ich in seinen Augen sein soll und auch sein kann. ER hat Humor und nimmt all diejenigen auf den Arm, die meinen, sie hätten Gott tatsächlich in der Hand. ER spielt mit denen, die sich und diese Welt immer nur tierisch ernst betrachten. Gott will vielmehr, dass ich mich nicht immer so wichtig nehme und auch mal über mich selbst lachen kann; ja dass ich ab und an über mein kleinkariertes Denken wirklich schmunzeln kann, wenn ich an seine Größe und Güte denke. Gott ist pfiffiger und ER findet – wenn wir uns ihm von Herzen anvertrauen – auch ein Antidepressivum gegen unsere Schwermut, die wir so ab und an an den Tag legen.
Schneller – Größer – Pfiffiger – das ist das Gottesbild, welches uns die Jona-Geschichte vermitteln will. Erinnern Sie sich an den Anfang? Ich hatte Sie gewarnt, sich auf diese Erzählung einzulassen. Wenn Sie es jetzt aber dennoch getan haben – und das würde ich mir für Sie wünschen – dann müssen Sie vielleicht Ihrerseits die eine oder andere Vorstellung über Gott und die Bibel überdenken. Doch genau das kann ungeheuer befreiend wirken; eben nicht alles und jedes in der hl. Schrift wörtlich nehmen zu müssen. Entdecken Sie so vielmehr durch Jona die humorvolle Seite unseres Glaubens und vor allem: Lassen Sie sich von Gott immer wieder überraschen!!
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Erstellt am: 22.01.2012 19:07 Uhr