Predigt zum 3. Advent 2012 (16.12.)

L : Jes 6, 1-7 / Ev: Lk 3, 10-18
Cherubim und Seraphim – „Hofstaat“ Gottes?
Schwestern und Brüder!
„Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort!“ Wer von uns kennt ihn nicht, diesen Karnevalsschlager, der sich seit Jahren und Jahrzehnten höchster Beliebtheit erfreut? Aber das ist ja nicht das einzige Lied, in dem die Engel besungen werden. Von Rock bis Pop, von Klassik bis zum sogenannten HipHop – keiner lässt das Thema Engel außen vor oder gar unbeachtet. Im Gegenteil: Diese Wesen werden immer wieder gerne besungen.
Einer Umfrage zufolge glaubt ja auch fast jede dritte Person an die Existenz von Engeln, und jede fünfte ist nach eigener Darstellung so einem Lichtwesen sogar schon mal begegnet. Interessant finde ich solche Zahlen schon, weil sich ja andererseits – ganz objektiv betrachtet – immer mehr Menschen areligiös verhalten oder sich mit den Glaubenswahrheiten der Kirchen im Allgemeinen recht schwer tun.
Nun sind Engel aber auch aus unserer Glaubenswelt einfach nicht wegzudenken. Betrachten Sie diesbezüglich doch mal viele Altäre in den Kirchen. Gerade die Barockzeit kannte ja eine Vielzahl von kleinen dicken Engels-Putten, die da Gemälde und Heiligendarstellungen verzieren. Immerhin werden Engel in der Einheitsübersetzung der Bibel 303mal erwähnt; zwar nicht als Hauptthema, aber sie werden erwähnt – und: Sie treten ohne eigene Thematisierung, immer ganz natürlich in Erscheinung. Man könnte auch sagen: sie bilden den Hofstaat Gottes, der ihre Dienste gerne wahrnimmt.
Gleiches gilt nun übrigens auch für unsere Liturgie. Auch da kommen Engel immer vor. Zum Beispiel im Schuldbekenntnis, in dem es heißt: „Darum bitte ich alle Engel und Heiligen…“. Im Gloria werden sie zwar nicht dezidiert erwähnt, aber das Gloria selbst geht ja auf den Gesang der Engel bei der Geburt Jesu zurück. Am Ende der Präfation, also des Lobpreises, da hören wir: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen …“ – und wenn dann in der Eucharistiefeier das Sanctus erklingt, dann ist das der Lobgesang, der auf unsere heutige Lesung zurückgeht.
Wenn man also Augen und Ohren offenhält, wird man immer wieder auf  Engel stoßen. Allerdings fällt mir nun bei genauerem Hinsehen auf, dass das Wort „Engel“ mitunter in ganz unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird. Je nachdem wer und wie das Wort benutzt wird, meint es etwas anderes. Deshalb kann durchaus die berechtigte Frage aufkommen: Ja, wie steht es denn jetzt eigentlich um die Engel? Gibt es sie, oder sind sie nur eine Art Gespenster, vielleicht sogar nur eine Einbildung von uns Menschen? Typisch ist eine solche Frage vor allem für den, der nur glauben will, was gesehen werden kann; der festlegen, der theoretisch erklären bzw. intellektuell betrachten will. Aber seien wir ehrlich, wer so fragt, der möchte doch meistens nur etwas in eine Vorstellungswelt gießen, die genau der seinen entspricht. Dabei ist aber diese Frage genauso wenig zu beantworten wie die: Gibt es Gott? Das ist auch der Grund, weshalb sie für mich schlussendlich nur lauten kann: Ist Gott für mich eine Wirklichkeit, die ich zwar nicht begreifen oder fassen kann, die aber dennoch wahr ist? Dies kann ich problemlos bejahen und deshalb kann ich auch von Engeln sprechen, die sich gleichfalls meinem Begreifen, Festlegen und Einordnen entziehen und die dennoch für mich real existent sind.
Wenn man nun die Textstellen der Bibel, die von Engeln handeln, genau ansieht, so stellt man fest, dass sie sehr unterschiedliche Funktionen haben können. Mit zweien möchte ich mich heute etwas ausführlicher beschäftigen: 1. Engel werden zum Lobpreis aufgefordert oder bringen ihn dar, und 2. Propheten sind es, die diesen „Hofstaat“ Gottes am ehesten sehen. Engel beschreiben dabei immer in symbolhafter Sprache die Beziehung Gottes zu den Menschen und von uns Menschen zu Gott. Sie sind also nicht Gestalten neben Gott, sondern in den Engeln berührt Gott die Erde und den Menschen.
Die wohl bekannteste Beschreibung einer solch himmlischen Berührung Gottes finden wir in dem Text des Jesaja, den wir als Lesung gehört haben. Entstanden ist dieser Text um 740 – 700 v. Chr. Der darin auftauchende Name Serafim kommt vom hebräischen Wort „saraf“, was so viel wie „brennen“ bedeutet. Und hier hören wir ja, wie Jesaja für die Botschaft Gottes Feuer fängt. Er ist berührt von der Liebe Gottes und wird quasi ein neuer Mensch. Das Alte wird, um im Bild zu bleiben, weggebrannt, so wie Feuer auch Gold reinigt. Deshalb werden die Serafim auch immer mit dem Neuwerden oder der geistlich-spirituellen Neuschaffung in Verbindung gebracht. Übrigens ist das auch der Grund, weshalb die Serafim in der Kunst oft in Herzform abgebildet sind – als Zeichen eben dieser allumfassenden Liebe Gottes.
Die Kerubim dagegen, verkörpern die Weisheit Gottes. Sie sind die Hüter auf der Schwelle zwischen Gott und den Menschen. Die bekannteste Geschichte dazu steht im Buch Genesis, in der ein Kerub die Schwelle zum Paradies beschützt – bewaffnet übrigens mit einem Schwert. Wir Menschen – so der Gedanke, der dahinter steht – haben nicht die Weisheit und die Klugheit Gottes, und jedes „so sein wollen wie ER“ bringt uns nichts anderes als Vertreibung aus dem Paradies, sprich: aus seiner Nähe und natürlich die Entfremdung von ihm. Dass Weihnachten genau diese Vertreibung und Entfremdung aufhebt, das wird deutlich wenn wir singen: Der Kerub steht nicht mehr dafür – also er versperrt nicht mehr den Eintritt ins Paradies, sondern uns ist im Glauben genau das verheißen, was das kleine Kind im Stall uns in seiner Botschaft als Erwachsener später mitteilt und selbst erlebt.
Nun ist ja in der Bibel häufig auch vom „Heer der Engel“ die Rede. Wenn wir an Weihnachten hören, dass die himmlischen Heerscharen Gott loben, dann denkt dabei aber niemand an eine militärische Ehrenformation für Gott, sondern vielmehr an einen Jubelchor. Wobei die Engel in der biblischen Botschaft durchaus auch dafür stehen, gegen das Böse anzugehen und zu kämpfen und den Sieg des Guten zu ermöglichen. Aber ihre ureigene Aufgabe ist und bleibt die Verherrlichung Gottes.
Vielleicht denken Sie jetzt: Na ja, ist ja alles gut und schön; aber all diese Informationen bringen mir jetzt auch nicht so den rechten Durchblick bzw. verleiten mich jetzt nicht mehr oder weniger dazu an die Existenz von Engeln zu glauben. Deshalb möchte ich gerne anmerken: Engel kann man nicht erklären, sondern sie sind eine Erfahrungsmöglichkeit unserer eignen Geschichte mit Gott. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass von Ihnen immer in Geschichten erzählt wird. Und diese beginnen fast immer mit: „Fürchte dich-, fürchtet euch nicht!“ Wir kennen diese Anrede am besten aus der Verkündigungs- und der Geburtsgeschichte Jesu. Wer dies für sich neu entdecken will, muss vielleicht auch wieder das Kind in sich entdecken und sich die Bereitschaft bewahren, einfach beschenkt zu werden. Am ehesten gelingt uns das in der Liebe zu einem Menschen, in den seltenen Momenten des Glücks, in denen Himmel und Erde wirklich still zu stehen scheinen. In solchen „Augenblicken der Ewigkeit“, da ahnen wir den Sinn unseres Lebens: von Gott geschaffene Kinder zu sein, seine Töchter und Söhne, die ihn loben und ehren. Engel sind darin unsere ureigenen Begleiter, denn sie führen uns über den begrenzten Horizont dieses Lebens hinaus. Und dass diese Wirklichkeit unseres Lebens umfassender und tiefer ist, als wir sie mit unserem Verstand begreifen können, wer wollte das ernsthaft bezweifeln.
Marius Müller-Westernhagen, der Düsseldorfer Schauspieler und Rock-Musiker, hat in einem Lied wunderbar formuliert und festgehalten, was er einem Engel zutraut und um was er ihn bitten möchte:
Engel, lass die Zeit still stehen,
lehr mich zu verstehen,
lehr mich dankbar sein.
Engel, lass uns ein Wunder tun.
Die Welt soll wissen,
warum sich Lieben lohnt.
Engel, das wäre schön.
Du hast mich in Licht getaucht.
Hast mir gezeigt, dass, wenn ich glaub,
meine Sehnsucht Sterne schmelzen kann.
Engel, lass die Zeit still stehen,
lehr mich zu verstehen,
lehr mich dankbar sein.
Meine Seele war vereist,
und mein Herz war längst vergreist.
Alles, was ich fragte, war: Warum?
Alles, was von Engeln erzählt wurde und wird, ist keine Definition; denn Engel lassen sich nicht definieren, sondern sie begegnen. In genau diesen Begegnungen aber, da können wir Menschen erfahren, dass Gottes Reich mehr umfasst, als die von uns erkennbare und erklärbare Wirklichkeit. Oder bekennen wir nicht im Credo: „Wir glauben an Gott, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt“?
Deshalb stelle ich heute als Symbol für diese Gedanken eine Schale mit Kohle und Weihrauch auf. Sie sollen uns daran erinnern, dass auch wir uns von Gottes Botschaft entzünden lassen und innerlich so für ihn brennen sollen, wie das die Engel tun – zur Ehre Gottes in dieser und der anderen Welt. Amen.

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Erstellt am: 16.12.2012 17:21 Uhr

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