Predigt zum 3. Advent 2011

L II: 1 Thess 5, 16-24  / Ev.: Joh 1, 6-8.19-28
Schwestern und Brüder!
„Ich glaube, damit kann ich ihr wirklich eine Freude machen…“ – „Das wird bestimmt eine ganz freudige Überraschung für ihn!“ – „Auf die Augen bin ich ja nun tatsächlich gespannt!“ – „Die werden total aus dem Häuschen sein…“ Aussagen, die uns allen – auch und gerade im Hinblick auf das Weihnachtsfest mehr als geläufig sind. Ob man nun andere mit großen Geschenken oder eher mit Kleinigkeiten überrascht: Wer schenkt, hofft doch immer, dass sie oder er damit anderen eine Freude macht. Freude schenken und Freude aneinander haben – ich glaube, das ist das, was die meisten von uns voller Sehnsucht mit Weihnachten in Verbindung bringen.
Wenn wir aber nun das bevorstehende Fest mal außeracht lassen, wie ist es denn dann um unsere Freude bestellt? Sind wir wirklich Menschen, die freudige Züge an sich tragen und sind wir Christen vor allem Menschen, denen man ansieht, dass sie Freude aus dem Glauben beziehen?
Ich frage dies ganz bewusst so, denn vor fast 30 Jahren hat das – wie er es selbst gesagt hat – freudlose Verhalten seiner Mitmenschen den österreichischen Psychologen und Psychotherapeuten Paul Watzlawick ein Buch verfassen lassen mit dem Titel: „Anleitung zum Unglücklichsein“. Und darin beschreibt er dann auf sehr humorvolle Weise, wie wir Menschen uns ständig das Leben schwer machen; wie wir uns oft selbst die Lebensfreude nehmen und wie viel wir oft an Fantasie entwickeln und aufwenden, um immer unglücklicher zu werden. So lauten seine Regeln unter anderem:
Je mehr du dich an deine Vergangenheit klammerst, desto trauriger wird deine Gegenwart. Je schlechter du von anderen denkst, desto mehr Angst musst du vor ihnen haben. Je mehr du ein Unglück prophezeist, desto sicherer trifft es dann auch tatsächlich ein.
Wenn wir Christen nun aber wirklich davon überzeugt sind, dass die Botschaft Jesu eine Frohbotschaft, eine froh machende Botschaft ist und wenn wir daran glauben, dass Gott unser Heil und unsere Freude will, ja dann müssten wir doch genau diesem Programm Watzlawicks ein Kontrastprogramm entgegensetzen können – quasi eine Anleitung zum Glücklichsein, eine Anleitung zur Freude. Meinen Sie nicht auch?
Ich hab mir darüber mal so meine Gedanken gemacht, und dabei sind mir dann zwei Regeln eingefallen, die unbedingt zu einem solchen Programm dazu gehören sollten. Die erste lautet: „Freude kann man nicht machen, aber man kann sie wählen.“
Sicherlich, beim ersten Hinhören klingt das vielleicht ein wenig seltsam, dass man Freude anscheinend wählen kann. So ganz nach dem Motto: Die Freude ist einzig und allein ein Ergebnis unserer Entscheidungen. Wie bitte soll man das denn verstehen? Aber je mehr ich und je mehr auch Sie über diesen Satz nachdenken – desto klarer sehen wir: Wir können tatsächlich wählen und uns entscheiden. Zwar nicht so sehr, was die Umstände unseres Lebens betrifft, aber doch sehr wohl über die Art und Weise, wie wir auf diese Umstände reagieren. Es ist doch so: Wenn zwei Menschen in ein und dieselbe schwierige Situation geraten, dann wird der eine darüber oft empört und verbittert, während der andere die Dankbarkeit lernt und den Neuanfang, der damit vielleicht verbunden ist. Die äußeren Umstände sind also dieselben, aber die Reaktionen darauf völlig unterschiedlich. So macht das Älterwerden den einen boshaft und missmutig, eine andere wird genau darüber immer gelassener und gelöster. Es steht eine unterschiedliche Wahl, eine innere Entscheidung dahinter. Auch bei einer Krankheit. Beim einen führt sie dazu, nur noch darauf zu schauen, was momentan oder auch künftig und langfristig nicht mehr geht und worauf man wohl alles verzichten muss. Klage und Resignation gehen häufig mit einer solchen Sichtweise einher. Andere aber schaffen es gerade in einer solchen Situation, das in den Blick zu nehmen, was noch alles machbar ist und was ihnen trotzdem noch geschenkt wird; und dann setzen sie alle Kräfte frei, genau diese positive Sichtweise zu stützen. Wir alle kennen doch den Pessimisten in uns, der uns dauernd einredet: „Das Glas ist schon halb leer.“ Während ein positiv denkender Mensch doch viel lieber sagt: „Das Glas ist noch halb voll.“
Genau genommen können wir jeden Augenblick unseres Lebens als Grund zum Verdruss oder als Anlass zur Freude erleben, und deshalb bietet sich auch in jedem Augenblick die Gelegenheit, sich für die Freude zu entscheiden. Diese Fähigkeit aber lässt sich durchaus lernen und entfalten. So könnten wir z.B. am Ende eines jeden Tages innehalten und sagen: Ich möchte diesen Tag, ganz egal was er mir gebracht hat, als einen Tag in Erinnerung behalten, für den ich dankbar bin. Damit stärken wir die Fähigkeit in uns, die Freude zu wählen. Und: dadurch werden wir ohne große Anstrengung selbst zum Anlass der Freude für andere werden. Denn genau so, wie Traurigkeit neue Traurigkeit hervorbringt, so weckt doch Freude immer auch neue Freude. Und damit wären wir bei der zweiten Regel angekommen:
„Freude kann man nicht verordnen, aber man kann sie wecken.“ Der Apostel Paulus – wir haben es vorhin in der Lesung gehört – bittet und mahnt unermüdlich in seinen Briefen: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ Dabei weiß er doch ganz genau, dass sich niemand auf Befehl freuen kann. Allerdings weiß er eben auch, dass es Möglichkeiten gibt, Freude zu wecken – z.B. dadurch, dass man einen Grund zur Freude findet und ihn auch anbieten kann. Diesen Grund zur Freude hat Paulus im Glauben entdeckt, und deshalb erläutert er seinen Gemeinden in vielen Gedankengängen genau den Glauben, der ihn trägt und der für ihn Halt und Stütze geworden ist. So wird er nicht müde immer wieder in Erinnerung zu rufen – und ich sag das jetzt mal mit meinen Worten: Wer überzeugt ist, dass das Leben trotz allem Schweren an ein gutes Ende kommt – der hat allen Grund zur Freude. Wer sagen kann: Ja, es ist gut, dass ich da bin und wer darauf hofft, dass es hinter allem Vergänglichen und Zeitlichen auch noch eine andere Dimension gibt – der hat allen Grund zur Freude. Wer darauf vertraut, dass alles, was wir in unserem Leben erfahren und erleiden, erst das Vorletzte ist und wer an einen Gott glaubt, der uns in Jesus Christus rettet und befreit – der hat allen Grund zur Freude. Oder um es mit Worten von Friedrich Nitzsche zu sagen: „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
Dieses Warum, diesen Grund zur Freude immer wieder ins Spiel zu bringen – darin sieht Paulus seine Aufgabe. Wie schreibt er in seinem zweiten Brief an die Korinther: „Wir wollen nicht Herren über euren Glauben sein, sondern Diener eurer Freude.“ Und eine andere Möglichkeit, Freude bei sich selbst und bei anderen zu wecken, nennt uns der hl. Franziskus: „Sooft die Versuchung der Schwermut über mich kommt, betrachte ich die Heiterkeit meines Begleiters, und seine Heiterkeit befreit mich sogleich von der Versuchung der Schwermut, und ich werde innerlich und äußerlich froh und zufrieden.“ Die Nähe eines frohen Menschen, da ansteckende Lachen eines anderen, eine Gemeinschaft, in der man sich frei und ungezwungen bewegen darf – das alles kann Freude wecken.
„Freude kann man nicht machen, aber man kann sie wählen. Freude kann man nicht verordnen, aber man kann sie wecken.“ Zwei Regeln, die für mich zu einer Anleitung zum Glücklichsein unbedingt dazu gehören. Und es würde mich reizen, jetzt mit Ihnen an einem solchen Programm weiterzudenken und weiter zu arbeiten. Denn ich habe den Eindruck, dass noch viel zu viele Christen sich eher an das Programm von Paul Watzlawick halten und seine Anleitung zum Unglücklichsein befolgen. So liegt oft auch ein „Geist der Schwere“ (Nietzsche) auf der Kirche, und die Vorstellung ist noch weit verbreitet, dass nur das fromm und Gott wohlgefällig sei, was dem Menschen immer schwerfällt und wehtut. Deshalb meint auch der Theologe Eugen Bieser: „Was mit allen Kräften ins Werk gesetzt werden muss, ist … ein am kirchlichen Lebensgefühl ansetzender Exorzismus. Die Austreibung jenes Dämonen, der alles niederdrückt und lähmt; der die Spontaneität und die Glaubensfreude zum Verschwinden bringt und alles – ja die gesamte Kirche – in einen Zustand der Kälte und Erstarrung fallen lässt.“
Mit Exorzismen hab ich’s ja sonst nun wirklich nicht so. Aber in diesem Fall wünsche ich mir nun doch möglichst viele Exorzisten, die den Dämon der Schwere aus der Kirche austreiben und dafür sorgen, dass die Freude wieder zu einem Markenzeichen unserer christlichen Gemeinden und Gemeinschaften wird. Und das nicht nur am 3. Advent. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 12.12.2011 19:24 Uhr

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