Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis 2011

Evangelium und Predigttext

22 1 Jesus erzählte ihnen noch ein anderes Gleichnis: 2 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete. 3 Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen. 4 Da schickte er noch einmal Diener und trug ihnen auf: Sagt den Eingeladenen: Mein Mahl ist fertig, die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit! 5 Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden, 6 wieder andere fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um. 7 Da wurde der König zornig; er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen.

8 Dann sagte er zu seinen Dienern: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren es nicht wert (eingeladen zu werden). 9 Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein. 10 Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen. 11 Als sie sich gesetzt hatten und der König eintrat, um sich die Gäste anzusehen, bemerkte er unter ihnen einen Mann, der kein Hochzeitsgewand anhatte. 12 Er sagte zu ihm: Mein Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen? Darauf wusste der Mann nichts zu sagen. 13 Da befahl der König seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen. 14 Denn viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.

Schwestern und Brüder!

Es ist für mich immer wieder faszinierend nachzulesen, wie Jesus zu den Menschen seiner Zeit spricht bzw. wie er predigt. Manchmal sagt er ja den Menschen sehr direkt, was er wichtig findet – wenn ich jetzt z.B. an die Bergpredigt denke – dann aber erzählt er seine Botschaft auch ganz gerne in Gleichnissen, so wie wir es eben gehört haben. Wobei ich jetzt mal behaupten möchte, dass Letztere seine Spezialität sind; denn so konnte er nicht nur die Leute etwas lehren, sondern er konnte durch die Geschichten die Leute das Ganze auch fühlen und spüren lassen. Wie ich das meine? Nun: Wir wissen, dass Gott gütig und liebevoll ist. Aber wenn es heißt, dass er uns wie eine Mutter oder wie ein Vater tröstet, dann kann ich diese Liebe und Güte Gottes eben nicht nur gedanklich wahrnehmen, sondern sie so fühlen, wie ich diese Liebe und Güte eben in verschiedenen Situationen durch meine Eltern erfahren habe. Genau deshalb aber erzählt Jesus diese Gleichnisse, weil es ihm dabei immer auch um die Erfahrungswerte der Menschen geht: um das Arbeiten, den Weinberg, um Soldaten oder auch Träume – bzw. wie im heutigen Fall: eine königliche Hochzeit. Früher hat man diese Gleichnisse als eine verschlüsselte Botschaft angesehen und sich gefragt: Was steht jetzt für was? Und das hieße dann jetzt für diese Geschichte:

Der König steht für Gott, der Sohn für Jesus, die Hochzeit für die Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Alle, die zuerst eingeladen waren, stehen für die Juden; die Hochzeitswerber, die erschlagen wurden, für die Propheten, und alle, die dann später kamen für die Heiden, also für uns. Wenn nun aber diese Bilder wirklich alles nur Verschlüsselungen sind, dann muss doch die Frage erlaubt sein: Warum hält Jesus nicht gleich einen Vortrag über Gott, über die Rechtfertigung, über Juden und Heiden? Dann wäre es schließlich gleichgültig, mit welchen Bildern er das Gleichnis verschlüsselt – ob Jesus z.B. Gott als König ins Bild bringt oder als Vater oder als was auch immer. Das dies aber nicht egal ist, das liegt an unseren Gefühlen – den Ihrigen und den Meinen. Da steht Gott dann als Sämann auf einer Stufe mit uns. Als Weinbergbesitzer aber ist er unser Chef und Arbeitgeber und als König geht es um Macht, um Fürsorge und Schutz. Jesus will also, dass wir mit unseren Gefühlen begreifen, was er in den Gleichnissen erzählt. Deshalb ist es immens wichtig, dass wir als erstes nach unseren Gefühlen fragen, wenn wir ein Gleichnis hören und erst danach überlegen, was es schlussendlich für uns bedeutet.

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Dazu sandte er Diener aus, die Gäste einzuladen. Erinnern Sie sich? William und Kate, Albert und Charlotte – zwei Edelhochzeiten in diesem Jahr mit Glanz und Romantik pur. Nur wenige Menschen konnten wirklich teilnehmen, aber Millionen kamen vor den Fernsehgeräten ins Schwärmen: Wie schön so etwas ist. Könnte man doch nur dabei sein… Und jetzt stellen Sie sich bitte mal vor: Die Übertragung läuft, und wir sehen nicht, was wir erwartet hätten – sondern: Kein Mensch kommt, prachtvolle Kutschen stehen ungenutzt herum, die Parkplätze am Buckingham Palace oder am Grimaldi-Palast leer, die Reporter ratlos. Neugier und Verwunderung bei uns – Verletzung und Enttäuschung bei König’s. Zwei Stunden später aber läutet es unten an ihrer Haustür. Sie sehen aus dem Fenster einen Mann in einer Gala-Uniform, einem komischen Hut auf dem Kopf und einem Stab in der Hand und der ruft ihnen zu, sie sollen schnell herunterkommen. Dazu wedelt er mit einem Brief in der Hand. Ja, sie lesen richtig – Sie sind eingeladen zur Hochzeit nach London. Jetzt. Sofort. Und dann stellen Sie fest, dass von überall her Busse kommen und die Leute einladen. Mein Gott, denken Sie, ich hab schon so lange kein Englisch mehr gesprochen und Passendes anzuziehen hab ich auch nicht. Aber wenn der Nachbar auch mitkommt, dann geh ich auch mal hin – und zwar so wie ich bin, im Blaumann, weil ich ja erst von der Arbeit nach Hause gekommen bin. Und wenn es dann ein Irrtum war, dann steh ich schon nicht so peinlich da, wie wenn ich einen Smoking trage.

Dass wir vor Gott gerechtfertigt sind, das ist die Hochzeit. Ja, das ist das Fest, dass wir vor Gott richtig und wichtig sind – Sie und ich. Der König hat ja gesagt: Geht auf die Straßen und ladet ein, wen ihr findet; und die Diener haben mitgebracht, wen sie gefunden haben, Gute und Böse. Das aber heißt doch nun nichts anderes als: wir sind vor Gott gerechtfertigt, ohne dass Gott darauf schaut, ob wir Sünder oder Heilige sind, und wir gelangen auf dieses Fest einzig und allein, indem wir dem glauben, der uns einlädt, der da an unsrer Haustür steht und winkt. Und dass es eben mein Irrtum war, zu meinen, ich müsste dazu vorher nochmals Englisch pauken.

Rechtfertigung aus dem Glauben. Es ist doch so: nur der Unglaube macht Gott zum Lügner; nur das Misstrauen lässt Gott wie einen Idioten dastehen – ähnlich dem König im Gleichnis. Paulus hat diese Sichtweise ganz deutlich unterstrichen: sola fide – allein durch oder allein aus Glauben. Luther hat das wiederentdeckt und durch die Unterschrift unter die Augsburger Erklärung vom Oktober 1999 ist deutlich geworden, dass auch wir als Katholiken genau diese Sichtweise – gerechtfertigt allein aus Glauben – haben.

Früher hieß es: Nur wer gute Werke tut, ist vor Gott gerecht. Genau dagegen steht diese Augsburger Erklärung. Aber heute höre ich oft auch – nicht selten aus dem erzkonservativen Lager unserer Kirche – nur wer gute Werke tut, bleibt auch vor Gott gerecht. Und was ist bitte-schön die Folge eines solchen Denkens? Es setzt eine furchtbare Verkrampfung ein, die Christus quasi zum gestrengen Antreiber macht, viel strenger noch als Moses. Nur – Angst, die daraus resultiert ist das Gegenteil von Glauben. Wie viele Menschen sind mir in der Seelsorge schon begegnet, bei denen genau dies das Thema war. Da entstehen dann so Fragen wie: Reicht es auch für den Himmel? Mach‘ ich auch genug, damit der Herrgott mit mir zufrieden ist? Hab‘ ich mich genügend aufgeopfert? Hab‘ ich auch mein Leben lang andere genug bedient, ohne dabei an mich zu denken? Menschen, die so denken, sind nicht selten Frauen, die ihr Leben lang nichts anderes getan haben, als für andere dazu sein. Und warum? Weil man es ihnen von klein auf eingebläut hat. Und „man“ steht hier für die Eltern und häufig genug leider auch für die Kirche. Die einen weil sie es nicht besser wussten; die anderen, weil man so Leute klein und gefügig halten kann. Diese Angst aber setzt sich bei den Betroffenen fort bis ins hohe Alter, bis ins Sterben hinein. Da wird die Angst dann noch größer, weil man jetzt ja nichts mehr für den Herrgott tun kann. Wenn ein Mensch aber in genau in diesem Denkzustand sterben muss, das ist für mich dann wie die Finsternis, von der Jesus an anderer Stelle spricht, das ist wie Heulen und mit den Zähnen klappern.

Dabei sind wir doch vor Gott gerecht allein aus Glauben, ohne unsere Werke! Schauen wir dazu noch einmal auf das heutige Gleichnis. Da fordert Christus nicht ein, sondern er lädt ein. Natürlich ist es überraschend, dass da ausgerechnet wir, die wir, an Gott gemessen, alles Sünder sind, dass wir zum Hochzeitsfest der Gerechtigkeit Gottes eingeladen werden. Die Geschichte spielt ja auch mit dem Moment der Überraschung. Aber wir können einfach hingehen, wenn wir glauben, dass er tatsächlich uns mit seiner Einladung meint. Wir bekommen die Einladung mitten in unserer Sünde und Armut vor Gott; auch so sind wir – in seinen Augen – gut genug für ihn und können einfach hingehen, feiern und fröhlich sein. Wir sind von Gott geliebt, müssen keine Angst vor ihm haben und müssen auch nicht ängstlich auf unser Leben blicken, ob das nun ja auch für den Himmel reicht. Wir sind einfach eingeladen.

Aber wenn wir das nicht glauben, dann gehen wir – und das ist jetzt der für uns wohl unbehaglichste Teil des Gleichnisses – in unseren Arbeitsklamotten hin nach dem Motto: Wer weiß, ob Gott mich überhaupt meint und vielleicht muss ich ja doch noch mit anpacken im Festsaal. Gut, wenn ich dann gleich in meinem Blaumann hingehe und mein Werkzeug mitnehme. Oder: Vielleicht muss ich ja was aufsagen oder was vorweisen. Aber es ist auch klar, dass wir mit einer solchen Sichtweise schon die Fahrt dorthin nicht genießen können, sondern wohl immer unruhig sein werden. Und wenn wir dann auf den Palast zufahren, dann wird aus der Unruhe Angst, bei manchen sogar Heulen und Zähneklappern.

Wir sind gerecht vor Gott, wir sind ok und von ihm geliebt – das ist das, was wir Gott glauben sollten. Wenn wir begreifen, wie einfach das ist, dann werden wir die Freude, die uns ein solcher Glaube schenken kann, tagtäglich neu spüren. Und wenn wir dann die Liebe Gottes ahnen, die uns daraus zuwächst, dann werden auch wir selbst ganz vom Gebot der Liebe erfüllt sein und andere werden diese Liebe durch uns fühlen und erfahren. Hochzeit ist angesagt, weil Gott sein großes JA zu Ihnen und zu mir schon längst gesprochen hat. Wir können auch ganz einfach JA sagen – indem wir seine Liebe zu uns glauben, hier und jetzt in dieser Gottesdienstfeier und nachher draußen in unserem Leben, im Zusammenleben mit anderen. Es geht immer um die Liebe. Aber genau deshalb erzählt Jesus heute auch nichts von einem Weinberg, sondern von einer Hochzeit.

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Erstellt am: 09.10.2011 19:05 Uhr

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