Predigt zum 25. Sonntag im Jahreskreis 2011

Predigt zum 25. Sonntag im Jahreskreis 2011 (18.09)
L I: Jes 55, 6-9 / Ev.: Mt 20, 1-16
Schwestern und Brüder!
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg gehört wohl zu den Texten in der Heiligen Schrift, die vielfach Kopfschütteln und Unbehagen hervorrufen. Und weshalb? Weil sie – zumindest im ersten Moment – unserem Gerechtigkeitsgefühl widersprechen. Was der Gutsbesitzer hier tut, das ist in unseren Augen doch alles andere als gerecht. Ein wirklich gerechter Chef hätte doch am Abend des Tages zu seinem Verwalter gesagt: Ruf die Leute zusammen und bezahl ihnen ihren Lohn. Denk aber daran: Einige waren den ganzen Tag über bei uns beschäftigt, andere erst ab Mittag und manche nur wenige Stunden. Rechne das also genau aus und dann gib jedem seinen Lohn so, wie es der Leistung entspricht, die er erbracht hat. Die einen, die ganzen Tag gearbeitet haben bekämen dann den vereinbarten Denar, andere 60% davon, wieder andere nur 15% oder weniger. So aber würde der Lohn gerecht ausbezahlt werden.
Wäre ein solches Verhalten nicht erstrebenswert?

In meinen Augen wäre in unserer Gesellschaft und auf dieser Welt schon viel gewonnen, wenn sich eine solche Gerechtigkeit wirklich überall durchsetzen könnte. Z.B. zwischen uns und den sogenannten „armen Schluckern“, die uns mit Kaffee, Kakao und sonstigen wertvollen Rohstoffen beliefern. Wir wären ein ganzes Stück weiter, wenn wir wirklich jedem das zukommen ließen, was ihm zusteht, und wirklich gleiche Mühe mit gleich viel Geld entlohnten. Wo aber dieselbe Arbeit weniger wert ist, nur weil sie in einem Entwicklungsland geschieht; wo dieselbe Arbeit billiger ist, nur weil sie von einer Frau verrichtet wird, oder wo vergleichbare Mühe in keinem Verhältnis entlohnt wird, nur weil sie eben das Pflegepersonal und nicht der Arzt leistet, da fehlt uns doch noch viel zu einer solchen Gerechtigkeit – oder nicht? Und trotzdem gilt auch: Selbst wenn wir eine solche Verteilungsgerechtigkeit an den Tag legen würden, wie ich sie hier nun angesprochen habe, so wäre unser Verhalten aber immer noch nicht christlich bzw. Jesus-gemäß! Denn der gerechte Gott, den Jesus in diesem Gleichnis als Maßstab ins Feld führt, ist immer noch anders, als wir es mit unserer Art von Verteilungsgerechtigkeit meinen.
Genau für diesen – ganz anders gerechten Gott – möchte Jesus den Blick der Menschen seiner Zeit und auch unseren Blick weiten; ja mehr noch, er will unsere Herzen für diesen wahren Gott öffnen. Der aber wird nie müde, hinauszugehen und Menschen zu werben. Es gibt für ihn keine ungelegene Zeit und auch kein zu spät! Er wirbt und nimmt jede und jeden; zu jeder Zeit. Und am Ende? Am Ende bekommen alle den gleichen Lohn, obwohl manche eindeutig weniger, manche sogar viel weniger gearbeitet haben.
Weil Jesus nun ganz genau weiß, dass die Ohren seiner Zuhörerinnen und Zuhörer bei diesem Gleichnis rot anlaufen oder im sprichwörtlichen Sinne „klingeln“, ahnt er auch bereits, dass jetzt das obligatorische „ja – aber“ kommt. Deshalb kommt er seinem Hörerkreis zuvor, indem er ihre ganz menschlichen Einwände einfach klar und offen ausspricht. Das sei doch Gleichmacherei, werden sie murren. Das sei doch ungerecht und willkürlich werden sei einwenden. Warum soll man da überhaupt noch etwas tun, wenn am Schluss dann doch nicht mehr herausspringt bzw. der, der nur eine Stunde gearbeitet hat denselben Lohn erhält als der, der sich zwölf Stunden abgerackert und müde geschwitzt hat?
Seien wir doch ehrlich: Gehen uns nicht ähnliche Gedanken durch den Kopf? Ist das gerecht, wenn schlussendlich Faulheit belohnt und Fleiß bestraft wird? Da schmarotzen doch die Arbeitsscheuen von den Tüchtigen; sonnen sich die, die „-Bock“ auf nichts haben, an den Verdiensten derer, die arbeiten und was tun wollen. Und dann stimmen wir ein in den Klang all derer, die auch heute ganz laut rufen: Leistung lohnt sich doch in diesem Land nicht mehr – und das hören Sie in Deutschland genauso wie in Österreich oder der Schweiz, in Liechtenstein genauso wie in den Niederlanden oder auch auf dem spanischen Festland. Und auf Glaube und Religion gesehen kommen dann solche Äußerungen wie: Warum soll ich mich denn in der Gemeinde noch engagieren, warum soll ich Sonntag für Sonntag in die Kirche gehen, wenn der andere, der – wenn überhaupt – einmal im Jahr erscheint oder der, der dauernd auf den letzten Drücker kommt, am Ende gleich dasteht?
Ich kann es ja nun nicht von der Hand weisen: Pädagogisch-erzieherisch gesehen ist natürlich die Vorstellung vom gerecht entlohnenden Gott weitaus zugkräftiger als das, was wir jetzt in diesem Gleichnis gehört haben. Deshalb hat die Kirche auch über viele Jahre und Jahrzehnte diese Bibelstelle immer auf Sonntage gelegt, bei denen man sich auch anderer Texte bedienen konnte, weil sie damit ja auch wichtige Druckmittel einfach aus der Hand gab. Und wenn wir ehrlich zu uns selber sind, dann müssen wir doch sagen: Es ist doch auch für mich leichter, etwas zu tun, wenn ich weiß, dass es sich lohnt – aber klar doch! Und jede und jeder andere ist doch mit der Verlockung einer Lohnerhöhung oder der Androhung einer Lohnminderung leichter für etwas zu gewinnen als ohne. Denken wir doch nur mal an die letzten Jahre seit die Finanzkrise ausbrach, welcher Druck da mit Lohndumping auf die Arbeitnehmer ausgeübt wurde – und das mit Erfolg!
Aber zurück zu unserem Gleichnis und dem Verhalten Gottes: Darf ER, Gott,  mit dem, was ihm gehört, nicht tun, was er will? Darf ER, Gott, nicht unendlich gut sein? Fragen, die wir uns gerade angesichts der Tatsache stellen müssen, dass wir vielleicht nur deshalb so stark auf „Gerechtigkeit“ pochen, weil wir dem oder den anderen das Unverdiente nicht gönnen! Ja, braucht es vielleicht sogar unser heimlich stolzes Denken diese Art von „gerechtem“ Gott, weil wir es gar nicht anders kennen oder auch ertragen, als dass uns jemand zusagt, wie sehr wir doch fleißiger frömmer, gläubiger, besser sind als all die anderen? Ich denke mir oft – und da schließe ich mich keineswegs aus, dass wir in unserer Herzenshaltung oft so sind wie der zweite Sohn des barmherzigen Vaters: Der ballt doch auch seine Fäuste in der Hosentasche, weil er sich ärgert, dass der Vater den verwahrlosten Bruder, der da plötzlich wieder heimkommt; diesen Nichtsnutz, der alles durchgebracht hat, so viel an Zuneigung und Liebe schenkt.
Jesus will uns für sein Gottesbild gewinnen und das ist eben nicht leistungsorientiert zu sehen. Sein Gott – unser Gott – ist nicht nur gerecht: Er ist vor allem gut. Er ist auch nicht nur gütig, wie es hier die Einheitsübersetzung verharmlosend wiedergibt; er ist auch nicht nur barmherzig in dem Sinne – hier mal eine kleine Gnadengabe und dann dort wieder eine. Nein, Gott ist nicht dieser vorübergehende Almosengeber, den manche hinter ihm vermuten, sonder er ist maßlos gut. Er gibt jeder und jedem, der sich von in aller Freiheit werben lässt, nicht nur ein bisschen: Nein, er gibt sich Ganz! Sein Lohn ist seine Liebe, die er verschenkt. Eine Liebe, die sich nicht aufteilen oder aufrechnen lässt, und die man auch nicht scheibchenweise dosieren oder nach Leistung berechnen kann. Seine Liebe schenkt sich unteilbar ganz – weil sie einfach den Menschen gern hat!
Jesus selbst hat ja die unmenschlichen Folgen jenes Bildes vom leistungsorientierten Gott gesehen und erlebt. Da waren einfach bestimmte Menschen unter den Tisch gefallen: die Sünder, die Unrecht getan hatten; die Kranken, die offensichtlich nur krank waren, weil sie zu wenig Gutes oder Frommes getan hatten; die Armen …und…und…und. Sicherlich: Gerechtigkeit ist und bleibt ein hohes Gut – gar keine Frage. Aber sie bleibt nur gut, solange sie eine Sache gerecht verteilen kann; sie wird ungut und häufig sogar sehr unmenschlich, wenn sie dem Menschen und seiner Situation nicht mehr gerecht wird. Der nur gerechte Gott ist nicht der Gott Jesu. Denn sein und somit unser Gott lässt keinen am Rand stehen, weil er erst in der letzten Stunde mitgeht. Seine Liebe gilt allen, die seinem Werben folgen.
Und was bleibt jetzt noch als Erkenntnis? Dass Jesus uns den Blick nehmen will, der immer nur auf Belohnung oder Bestrafung schielt. Er möchte, dass wir mit Gott ohne unseren üblichen Leistungsdruck leben: nur dankbar und froh, dass er uns liebt, auch und gerade da, wo wir schwach sind und hinterherhinken; wo wir nichts leisten oder unser Glaube klein wird und im Alltag untergeht. Wir sollen nicht Christen sein, um möglichst viele Gnadengaben zu verdienen, sondern einander mit Zuwendung, Achtung und Wertschätzung zu begegnen, die dieser Gott uns und jedem Menschen in Jesus Christus geschenkt hat. Wenn wir das verinnerlichen, dann wäre es für uns alle eine traurige und ganz und gar nicht himmlische Vorstellung, womöglich als „Gerechte“ einmal bei Gott zu sitzen, aber einen anderen ausgeschlossen zu sehen. Amen. 

Informationen unter: www.katholische-gemeinde-teneriffa.de

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Erstellt am: 22.09.2011 07:28 Uhr

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