L I: Jer 38, 4-6.8-10 / Ev: Lk 12, 49-53
Schwestern und Brüder!
Das eben gehörte Evangelium kratzt – es kratzt sogar ganz gewaltig. Wie ich das meine? Nun, auf den ersten Blick scheuert es an Wunden, die jede und jeder von uns hat. Es tut weh, wenn man auf die Zwietracht im eigenen Haus, der eigenen Familie angesprochen wird, wie es uns der zweite Teil des Evangeliums anscheinend suggeriert. Es schmerzt ganz enorm, wenn zum Beispiel der Generationenkonflikt in seiner ganzen Bandbreite der Verhältnisse Vater/Sohn, Mutter/Tochter auf die Tagesordnung kommt. Und vielleicht sagen Sie sich ja jetzt in Gedanken: Und jetzt wird mir dieser ganze Kladderadatsch auch noch im Gottesdienst zugemutet. Aber: Gibt es wirklich auch nur eine Familie, die ohne solche Spannungen lebt? Wenn ja, dann – so behaupte ich mal – passiert dies allenfalls in unseren subjektiven Wunschvorstellungen.
Gerade deshalb aber sollten wir über das heutige Evangelium erleichtert sein. Denn wenn wir es ein zweites Mal lesen, dann entdecken wir, dass der Friedensbote Gottes, als den wir Jesus kennen, so viel Realist ist, dass er unsere menschlich-natürlichen und überall vorkommenden Konflikte kennt; dass er sie anspricht, sie ein Stück weit einfach für menschlich hält und erst gar nicht versucht, sie unter den sprichwörtlichen „Teppich“ zu kehren. Schließlich leben wir alle nicht im Paradies, auch wenn Ihre Urlaubstage hier auf Teneriffa Ihnen derzeit vielleicht etwas anderes glauben machen wollen. Und: Jesus benützt diese menschlichen Konfliktfelder, um uns etwas von der Sache mit Gott zu verdeutlichen. Denn im Kern geht es hier überhaupt nicht um irgendwelche Generationenkonflikte, sondern um Entscheidungssituationen. Entscheidungssituationen, die Widerspruch hervorrufen, weil eine Entscheidung für etwas ja immer auch eine Entscheidung
gegen etwas beinhaltet.
So begegnet uns in diesem Evangelium ein streitbarer, ein leidenschaftlicher Jesus, der so vielleicht gar nicht unbedingt in unser Bild von ihm passt. Aber leidenschaftlich war er eben immer dann, wenn es um die Sache Gottes ging. Das war seine Passion und diese wurde zu seinem persönlichen Kreuzweg, zur Leidenschaft die Leiden schafft, weil er dafür sogar bereit war, sein Leben zu geben. Genau deshalb kann Jesus aber auch sagen – und der Evangelist Matthäus überliefert uns das noch wesentlich schärfer: „Ich bin nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Gemeint ist damit aber nicht das Schwert, das andere Menschen tötet, sondern das Schwert der Entscheidung. Jesus will keinen faulen Frieden dergestalt, dass jede und jeder nach seiner oder ihrer Fasson selig werden soll, sondern die klare Entscheidung: Hier das Ja für Gott und da das Nein zu allem, was diesem Gott und seiner Botschaft widerspricht.
Der indische Jesuit und Buchautor Anthony de Mello hat diese Leidenschaft in einem Gerichtsdialog mal so ins Wort gebracht:
„Angeklagter“, sagte der Großinquisitor, „Ihnen wird vorgeworfen, Menschen ermutigt zu haben, Gesetze, Traditionen und Regeln unserer heiligen Religion zu brechen. Was haben sie dazu zu sagen?“ – „Ich bekenne mich schuldig, euer Ehren.“
„Sie werden beschuldigt, des Öfteren in Gesellschaft von Ketzern, Prostituierten, gemeinen Sündern, wucherischen Steuereinnehmern, den kolonialen Eroberern unseres Volkes, kurz gesagt – dem Abschaum der Gesellschaft gesehen worden zu sein. Was sagen sie dazu?“ – „Ich bekenne mich schuldig, euer Ehren.“
„Man wirft ihnen außerdem vor, öffentlich jene kritisiert zu haben, die in der Kirche Gottes an oberste Stelle gesetzt wurden. Was sagen sie dazu?“ – „Schuldig, euer Ehren.“ – „Und schließlich sind sie angeklagt, die heiligen
Lehrsätze unseres Glaubens revidieren, korrigieren und in Frage stellen zu
wollen. Was sagen sie dazu?“ – „Ich bekenne mich schuldig, euer Ehren.“ –
„Wie heißen sie, Gefangener?“ – „Jesus Christus, euer Ehren.“
De Mello macht deutlich, ein Jesus als guter Hirte, als Heiland der Kranken und Freund der Kinder ist uns allen natürlich weitaus sympathischer, als ein Jesus, der als Brandstifter auftritt. Ein Brandstifter hantiert ja mit Brandsätzen. Und genau das hat Jesus im übertragenen Sinne immer wieder getan. Seine Sätze waren Brand-Sätze: Sätze, die brennen, die die Gemüter erhitzen, die „anfeuern“ und die etwas bewegen wollen. Lassen Sie mich das anhand von ein paar Beispielen deutlich machen:
Wenn Jesus sagt: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein“, wenn Jesus dies sagt, dann kämpft er mit einem solchen Brand-Satz gegen eine bloß äußerliche Erfüllung der göttlichen Gebote und für eine größere Gerechtigkeit, die hinter allen Geboten nach dem Willen Gottes fragt.
Oder wenn er sagt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“, dann protestiert Jesus mit einem solchen Brand-Satz gegen all jene kleinlichen Gesetze, die den Menschen unfrei machen, statt ihm Leben in Fülle zu ermöglichen.
Mit dem Brand-Satz: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“, provoziert Jesus diejenigen, die stets nur ihren eigenen Vorteil suchen, die nicht loslassen und nicht teilen können und mit der Aussage: „Ihr wisst, dass die Mächtigen ihre Macht missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein. Vielmehr soll der Größte von euch der Diener aller sein“, da kritisiert Jesus die Einflussreichen in Gesellschaft und Kirche bis auf den heutigen Tag und definiert menschliche Größe und Wertschätzung in einer ganz neuen Art und Weise.
Brand-Sätze dieser Art gibt es bei Jesus zuhauf. Brand-Sätze gegen die doppelte Moral der Frommen und gegen die Unglaubwürdigkeit der Glaubenshüter. Brand-Sätze auch gegen die Autoritäten der jüdischen Religion, die in den Augen Jesu um Kleinigkeiten streiten und die entscheidenden Grundhaltungen vernachlässigen. Ein Brand-Satz, der auch ohne großes Nachdenken auf so manches Fehlverhalten in unserer Kirche von heute zutrifft.
Es stimmt schon: Solche Sätze enthalten einen immensen Zündstoff. Die einen sind davon Feuer und Flamme, wenn sie sie hören – die anderen kochen vor Wut. Die einen interessieren sich brennend für Jesus, lassen sich von seiner zündenden Botschaft anstecken – während andere erschreckt zurückweichen und sich nicht die Finger verbrennen wollen. Eine Situationsanalyse, wie wir sie derzeit unter Papst Franziskus auch in unserer Kirche ganz vehement ausmachen und erleben. Aber schauen wir zurück auf Jesus. Er weiß um die Wirkung seiner Worte; weiß, dass sie eine Entscheidung verlangen. Und genau dieses Polarisierende erfährt er ja auch in der eigenen Familie. Diese klagt ihn an: „Er ist von Sinnen.“ Und auch viele seiner Freunde äußern sich dahingehend: „Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?“ Andere aber fangen Feuer, lassen sich begeistern, gehen mit ihm. Wie sagte der große Theologe Hans Urs von Balthasar: „Der Fall, dass einer Christus wirklich begegnet und eben nicht anbetet und nachfolgt oder eben Steine aufliest, ein solcher Fall ist im Evangelium nicht vorgesehen.“
Entweder anbeten und nachfolgen oder Steine werfen – das ist die Entscheidung, die alle treffen müssen, die mit Jesus und seiner Botschaft in Berührung kommen. Dass wir uns für die Nachfolge und das Anbeten entschieden haben, entnehme ich jetzt mal unserer aller Anwesenheit heute Morgen hier in San Telmo. Wir sind da, weil wir uns der Botschaft Jesu aussetzen wollen, auch der Brand-Sätze, die sie enthält. Und trotzdem habe ich manchmal den Eindruck, dass wir uns – und ich schließe mich da ganz bewusst mit ein – immer noch zu oft als „Feuer-Löscher“ dieser Sätze betätigen; dass wir uns viel zu oft mit einem „Christsein auf Sparflamme“ zufrieden geben; dass unser Herz nicht wirklich für die Sache Jesu brennt; dass wir uns zu schnell mit einem faulen Frieden anfreunden und ganz gerne nach unserer je eigenen Fasson selig werden möchten.
Es ist ja auch nicht einfach, mit den Ideen und Anliegen des Brandstifters Jesu durchs Leben zu gehen und seine Fackel dabei so durchs Gedränge zu tragen, dass dabei niemandem der Bart versengt wird – höchstens nur der eigene. Ich wünsche uns auf jeden Fall, dass es uns wenigstens ab und an gelingt, Feuer im Sinne Jesu zu legen, auch wenn der Funke nicht unbedingt auf andere überspringt. Aber ein Versuch ist es immer wieder wert, denn Feuerlöscher gegen die Botschaft Jesu gibt es schon zu viele – auch in unseren eigenen Reihen.
Infos unter: http://www.teneriffanachrichten.com/Teneriffa/katholische-kirche/
Erstellt am: 26.08.2013 12:29 Uhr