Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit 2014 (27.04.)

L I: Apg 2, 42-47 / Ev.: Joh 20, 19-31
Schwestern und Brüder!
Es ist eine uralte Geschichte, die wir da eben gehört haben: Das Erscheinen Jesu und dazu der ungläubige Thomas. Das kennen wir doch – ist ein alter Hut! So häufig unsere erste Reaktion. Aber ist es wirklich ein so alter Hut? Ich für meinen Teil nehme wahr, dass diese Erzählung mir immer wieder neue Gedanken eröffnen kann und zwar in ganz verschiedene Richtungen. Wichtig ist dabei nur, dass ich, dass wir versuchen uns in die damalige Situation hinein zu versetzen, in die Gefühls- und die Erlebniswelt der Jünger und wir dann eben die Situation von heute daneben stellen und schauen, was das schlussendlich für uns heißen könnte.
Gehen wir also gedanklich mal 2000 Jahre zurück, zu jenem besagten Abend des ersten Wochentages nach der Kreuzigung Jesu. Was für schreckliche Tage lagen da hinter den Jüngern. Zuerst der Triumph, als Jesus in Jerusalem eingezogen ist, und ihr Stolz dabei, zu ihm zu gehören. Endlich würde er seine Macht als Sohn Gottes zeigen. Doch dann wurde es schnell mehr als seltsam. Da war das dieses Abendmahl, das sie mit ihm feierten, bei dem sie ihn aber oft nicht verstanden. Er sprach von Dingen, die sie nicht einordnen konnten und er wusch ihnen die Füße; ein Messias der die Füße wäscht, was ist das denn bitte schön!! Dann redete er davon, dass sie – die Freunde – ihn verleugnen und verraten würden. Also bitte, das kann doch nicht sein – und doch kam es genauso. Der seltsame Abend im Garten Gethsemane, der Verrat von Judas und dann dieses Schnellverfahren. Welche Angst da auf einmal in ihnen aufgestiegen ist und erst recht, als das Urteil all ihre schlimmsten Befürchtungen übertraf. Das Volk, das ihm so zugejubelt hatte und von denen er so viele geheilt hatte, sie wollten ihn lieber am Kreuz sehen als den Mörder Barrabas. Verkehrte Welt! Er wurde gekreuzigt, schnell in ein Grab gelegt, damit der Sabbat ja nicht gestört wurde und ein dicker Stein davor gerollt. Und jetzt? Jetzt sitzen die Jünger verängstigt und verstört in diesem Haus, verstecken sich vor den jüdischen Häschern, weil sie Angst haben, dass sie und die Soldaten kommen und auch mit ihnen kurzen Prozess machen.
Spüren Sie, spüren wir hier diese Angst? Spüren wir die Unsicherheit, die Furcht und den Schrecken der Jünger, der ihnen da in den Gliedern sitzt? So aber haben die Jünger nicht nur die Türen von innen verschlossen, nein – sie haben auch ihre Herzen verschlossen. Angst, Trauer und Enttäuschung halten sie so gefangen, dass sie sich nicht mal von der Botschaft der Maria Magdalena öffnen lassen, von ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen. Es stimmt schon, eine geschlossene Gesellschaft unter dem Zeichen der Angst ist unfähig, Neues aufzunehmen und Neues zuzulassen. Sie ist auch unfähig, die eigene Vergangenheit anzuschauen und anzunehmen: die eigene Schuld, den Verrat am Rande des Kreuzweges, die Flucht vor dem Kreuz.
Sehen Sie und gerade darin erkenne ich nun wieder etwas Neues. Ich erkenne eine Versuchung der Kirche bis heute, die da heißt: Angst vor den Menschen und Angst vor neuen Entwicklungen. Wenn man Angst hat sich stellen zu müssen, dann schließt und igelt man sich ganz gerne ein. Dann ist eine Art Burgmentalität angesagt: nämlich drinnen zusammenrücken, keinen Widerspruch wagen, Augen und Türen verschlossen halten und abwarten, was passiert. Draußen ist ja nur das Böse und Gefährliche, all das, was der Lehre gefährlich werden könnte, wie es Kardinal Müller nicht müde wird zu betonen. Diese Denkweise hat lange das Leben der Kirche bestimmt und erst ein Johannes der 23ste, der heute heiliggesprochen wird, hat die Fenster durch das Konzil ein klein wenig aufgemacht. Aber das hat anscheinend nicht ausgereicht, denn auch heute beherrscht vielfach Angst das Denken in der Kirche und auch das kirchliche Leben. Selbst wenn Papst Franziskus nicht müde wird, genau dagegen an zu predigen und etwas anderes vorzuleben.
Nehmen wir nur mal das Beispiel der Frauen: Wenn Frauen eine stärkere Beteiligung an Leitung und Ämtern in der Kirche, an Verkündigung und Gottesdienst einfordern, dann sagt die Angst derer, die das Sagen haben: Das darf doch um Gottes und des Glaubens willen nicht sein. Maria Magdalena hatte – Sie erinnern sich an die Osterpredigt – vom Auferstandenen den Auftrag, den Jüngern die Osterbotschaft zu verkünden. Heute aber verbieten genau diese Nachfolger der Jünger Jesu den Frauen, also den Nachfolgerinnen von Maria Magdalena, in der Messe zu predigen. Mir kommt das so vor, als klopfe auch heute Maria Magdalena wieder an verschlossene Türen, hinter die sich die männlichen Jünger mitsamt der Kirche zurückgezogen haben.
Diese Angst in der Kirche und ihren Ämtern vor einer Verweltlichung, die gilt aber auf allen Ebenen und sie gilt für alle Christinnen und Christen, die sich ihrer Würde aufgrund ihrer Taufe bewusst geworden sind. Diese Angst gilt den Frauen und Männern, die sich eben nicht mehr vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben, sondern die ihr eigenes Gewissen befragen. Diese Angst gilt den Theologinnen und Theologen, die neue Wege zum Verständnis und zur Vermittlung der frohen Botschaft suchen und sie gilt den Geistlichen, die in ihrer Praxis mehr der Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit Jesu gehorchen als kirchlichen Geboten und Gesetzen und die dazu auch öffentlich stehen.
Schauen wir aber zurück auf Jesus. Er, der alle Ängste bis in die letzte Todesnagst hinein selbst erfahren hat, der kann nun auch durch verschlossene Türen der Angst gehen. Er tritt bei seinen Jüngern ein – und was macht er? Er klagt sie nicht an und er macht ihnen auch keine Vorwürfe wegen ihrer feigen Flucht oder des Verrates. Im Gegenteil: Er wünscht ihnen allen den Frieden. In genau dieser Situation kann dieser Gruß aber nur zuvorkommende und grundlegende Vergebung bedeuten. Jesus nimmt seine Jünger an, wie sie sind; das ist die Frucht von Ostern. Er nimmt sie an in all ihrer Schuld und ihrer Angst und zeigt ihnen dabei seine Todeswunden. Diese bleiben Zeichen seiner Liebe, die bis in den Tod reicht. Gerade deswegen braucht es aber keine Angst mehr zu geben – auch nicht bei seinen Jüngern: Friede sei mit euch! Eine grundlos geschenkte Versöhnung, die die Jünger öffnet, denn: Sie freuten sich, als sie den Herrn sahen.
Eine Kirche, die dem Auferstandenen folgt, wird man also nicht zuletzt daran erkennen, wie sie zu ihren Wunden und Niederlagen steht. Verschließt sie sich vor Angst in Selbstrechtfertigung, vielleicht sogar Selbstherrlichkeit oder kann sie wirklich selbstkritisch an sich arbeiten im Vertrauen, dass Gott sie, auch bei aller Schuld aus der Vergangenheit, eben nicht fallen lässt. So aber kann die Kirche, wie auch jede und jeder Einzelne von uns, die eigenen Verletzungen und Schatten wahrnehmen; man muss sie nicht verdrängen, sondern kann sich ihnen ohne Angst stellen, im Vertrauen auf die zugesagte Vergebung Gottes. Solches Vertrauen aber kann von innen verschlossene Türen öffnen und so werden die Kirche und wir alle auch zum Mit-Leiden fähig: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der bedrängten und Armen, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Jesu.“ So lautet der Eingangssatz des Konzilstextes über „Die Kirche in der Welt von heute“. Nur in dieser Offenheit kann die Kirche den Menschen heute begegnen, ihre Sorgen und Hoffnungen wahrnehmen, davon lernen und im Sinne der Menschenfreundlichkeit Jesu darauf reagieren. Sie wird so die von Jesus empfangene Versöhnung an alle weiterschenken, deren Sorgen und Hoffnungen sie wahrnimmt und ihnen helfen, Wege zum Leben zu finden und sie ihnen zu öff-
nen.
Die Aussage: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“, bedeutet für mich in diesem Zusammenhang, dass die Jünger die Sendung nicht allein aus eigener Kraft weiter tragen können. Sie brauchen dazu den Heiligen Geist, den Beistand von oben. Alle Ostergeschichten sind deshalb aber auch Sendungsgeschichten und Geistgeschichten. Denn man kann nicht an die österliche Vergebung glauben und sie dann für sich behalten wollen! Spüren Sie das? Diese Stelle wendet sich nicht allein an die Priester, denen die Verwaltung des Bußsakramentes übertragen wird, sondern hier ist jeder Christ, jede Christin gemeint, denen die Vergebung, der österliche Friede zugesagt ist und die daran zu glauben wagen.
Die grundlose Vergebung befreit von Angst, sie öffnet alle Selbstverschließung und befreit zum neuen Anfang. Auch wir sind eingeladen diese österliche Vergebung weiterzugeben. Wer könnte sich denn da bitte ausschließen? Der Hinweis auf die Verweigerung der Vergebung zielt also nicht auf die Vollmacht des Beichtvaters, die Vergebung zu verweigern, wie wir das mal gelernt haben, sondern sie zielt vielmehr auf die Gefahr, dass wir selbst der Weitergabe der Vergebung im Wege stehen könnten.
Eine österliche Gemeinde ist deshalb eine Gemeinde mit offenen Türen, wo Schuldige angenommen werden und Vergebung finden, wo auch fragende und suchende Menschen dazu gehören, wo gegenseitig Versöhnung und Vergebung geschieht. Da blockiert keine Angst mehr, da lockt der Friede des auferstandenen Herrn. Da wachsen die Hoffnung und die Kraft, etwas vom Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit schon heute aufleuchten zu lassen. Dieses Evangelium ist Einladung Jesu an die Menschen, an uns, seine österliche, seine geisterfüllte Gemeinde zu werden. Amen.

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Erstellt am: 28.04.2014 19:15 Uhr

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