L I: 1 Kön 3, 5.7-12 / Ev.: Mt 13, 44-46 (Kf)
Schwestern und Brüder!
Träumen Sie ab und an? Ich meine jetzt nicht von wunderschönen Urlaubs-tagen; die erleben Sie derzeit hoffentlich. Nein, ich denke eher an solche Träume, die – wenn sie dann in Erfüllung gehen – das ganze Leben umkrempeln. Das kennen Sie nicht? Glaub ich Ihnen nicht! Hand aufs Herz: Wer von uns hat denn noch nie von der guten Fee geträumt, welche die sehnlichsten Träume und Wünsche von uns Menschen in Erfüllung gehen lässt? Ach so, Sie glauben nicht an Märchen! Dann kann ich ihnen ja ganz beruhigt die nachfolgende Kalendergeschichte erzählen:
Hans und Liese sind ein junges Ehepaar und sie sitzen im Urlaub eines Abends gemütlich bei einem Glas Wein zusammen. Da kommt eine wunder-schöne Fee zu ihnen auf die Terrasse. Sie sagt: „Ich bin eure Freundin, die wunderschöne Meeresfee. Ich wohne auf dem Grund des Meeres und habe viele Helferlein. Drei Wünsche habt ihr frei, drei Wünsche, die euch beiden erfüllt werden sollen.“ Dann erhebt sie noch warnend den Zeigefinger und fährt fort: „Bis zu eurer Abreise in einer Woche habt ihr Zeit, die Wünsche zu äußern. Bedenkt also alles in Ruhe und vor allem: Sagt nichts Unüberlegtes.“
Ich möchte an der Stelle die Geschichte mal kurz unterbrechen und Sie fragen: Wenn Sie in diesen Tagen auf der Terrasse ihres Hotels oder ihrer Appartementanlage eine solche Begegnung hätten, was würden Sie sich denn wünschen? Dass Sie ewig hier Ferien und Urlaub machen können? Dass Sie immer genügend Geld zur Verfügung haben, um den Rest ihres Lebens so richtig zwanglos genießen zu können? Oder würden Sie sich eher wünschen, dass Sie gesund bleiben oder vielleicht sogar von einer Krankheit geheilt werden? Dass ihre Partnerschaft oder Ehe intakt bleibt? Dass ihre Kinder oder Enkel einer sorgenfreien Zukunft entgegen gehen? Dass Ihr Arbeitsplatz sicher bleibt oder Sie die neue Stelle, die Sie sich so sehnlichst wünschen, tatsächlich bekommen? Dass Sie es endlich schaffen, sich mit allem anzunehmen so wie Sie sind, auch mit Ihren Schattenseiten? Dass Sie in Würde und geistiger Klarheit alt werden dürfen?
Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere Wünsche im Laufe des Lebens ändern. Als Kind, da werden Sie mir zustimmen, hat man ganz andere Wünsche wie als Jugendlicher oder Erwachsener. Wahrscheinlich ist ein solcher Wunsch auch ganz stark davon abhängig, in welcher Lebenssituation man sich momentan befindet; ob ich eher arm oder vermögend, gesund oder krank, einsam oder frisch verliebt bin. Sicherlich ist mein Wunschdenken auch davon abhängig, wie mein persönliches, familiäres oder auch berufliches Umfeld derzeit aussieht und was mich da in freudige oder vielleicht auch eher nachdenkliche Stimmung versetzt. In jedem Fall, so möchte ich mal behaupten, stecken in mir – in Ihnen – Wünsche, die sich bislang nicht erfüllt haben. Und darunter gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit auch welche, die rein kommerzieller Natur sind; Dinge und Erlebnisse also, die wir einfach nur konsumieren möchten.
Auf nicht wenige dieser Wünsche trifft wahrscheinlich zu, was Ludger Edelkötter in einem seiner geistigen Lieder beschreibt. Da heißt es u.a.: „Ich habe tausend Wünsche, tausend und noch viel mehr. Und sind die Wünsche dann erfüllt, so bleibt mein Herz doch leer.“ Sicherlich: Neben vielen gut überlegten Wünschen, gibt es doch auch eine Vielzahl von Wünschen in uns, die genauer betrachtet, ziemlich töricht sind. Da tut es gut, wenn man im Nachhinein dann ab und an sagen kann: Wie gut, dass sich dieser oder jener so heiß ersehnte Wunsch niemals erfüllt hat! Sonst hätte es mir ja viel-leicht am Schluss genau so ergehen können, wie Hans und Liese aus der
eingangs erzählte Kalendergeschichte.
Als die nämlich an einem der folgenden Abende wieder auf der Terrasse
sitzen und so ganz gemütlich und genüsslich ihr Gläschen Wein zu sich nehmen, da sagt die Liese so ganz unbedacht: „Ach wäre das schön, wenn wir jetzt ein bisschen Knabberzeug zur Hand hätten; Erdnüsse oder auch Flips, Chips und Oliven.“ Und siehe da, kaum dass die beiden sich recht um-schauen, ist der ganze Tisch voll mit all den gewünschten Knabbereien. Der erste Wunsch ist damit vertan. Darüber wird der Hans so unsagbar wütend, dass er seiner lieben Liese all dieses Zeug an den Hals wünscht. „Du bist doch selten doof. Wenn dir nur zur Strafe all das ein für alle mal zu den Ohren und der Nase rauswachsen würde.“ Was natürlich gleichfalls prompt geschieht. Und so bleibt den beiden nichts anderes übrig, als den dritten Wunsch darauf zu verwenden, die arme Liese wieder von dem schrecklichen Knabberzeug zu befreien.
Auf sehr humorvolle Weise veranschaulicht diese Geschichte, dass richtiges Wünschen gar nicht so leicht ist und dass wir manchmal froh sein können, wenn so mancher unserer Wünsche von keiner guten Fee erfüllt wird. Weil die Wünsche aber wie unsere Träume zu uns gehören, deshalb ist es wichtig, dass wir das richtige Wünschen lernen bzw. darauf achten, was denn die Prioritäten in unserem Leben sind. Und dazu gibt uns nicht nur das Evangelium eine Anregung, sondern auch die heutige alttestamentliche Lesung aus dem Buch der Könige.
Es ist eine Traumgeschichte, die uns da von Salomo erzählt wird. Und das ist bedeutsam, denn in unseren Träumen – darin bestärken uns auch die Erkenntnisse der Tiefenpsychologie – kommen unsere tieferen Wünsche zum Vorschein. Wünsche, die wir längst vergessen oder begraben haben, die aber für das Gelingen unseres Lebens von großer Wichtigkeit sind. Im Schlaf steigen sie quasi aus dem Unterbewussten herauf und kommen dann in unseren Träumen ans Licht. Sehr häufig verwandeln sich dann die so ins Bewusstsein getretenen Wünsche in Bilder, die es erforderlich machen, dass man die Sprache der Träume spricht oder sagen wir besser die Deutung kennt, mit der man sie dann entschlüsseln kann.
Schauen wir also noch mal auf die Lesung. Da erscheint Gott dem Salomo eines Nacht im Traum und fordert ihn auf: „Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll.“ Was für eine Chance! Wahrscheinlich wären wir allesamt nie auf die Idee gekommen, das zu erbitten, was Salomo da am Anfang seiner Karriere Gott vorlegt: Er wünscht sich ein hörendes Herz. Wie bitte? Ich meine, dass unsere Ohren den ganzen Tag lang genug zu hören bekommen, so dass wir auch manches überhören können und könnten, das ist das eine. Aber unser Herz? Da sind wir doch schon zufrieden, wenn es taktvoll schlägt, nicht stolpert und auch sonst keine Schwierigkeiten macht.
Aber dieses „gib mir ein hörendes Herz“ bedeutet wohl eher, offen für die Menschen und das Leben zu sein. Ein hörendes Herz wird nicht immer gleich reagieren. Es wird sich geduldig Zeit lassen, zu wägen und zu gewichten. Ein amerikanischer Evolutionsforscher hat diesbezüglich etwas ganz wichtiges aufgezeigt; denn er sagt: Entwicklung, gerade die Entwicklung von uns Menschen, ist keinesfalls nur Fortschritt. Auch der Rückschritt gehört dazu, denn auch im Scheitern steckt eben so viel Kraft wie im Erfolg. Das wird leider oft genug übersehen. Ein hörendes Herz aber verhilft uns zu genau dieser Einsicht: Wie der Erfolg unseren Lebensweg bestätigt, so hilft uns auch das Scheitern, unseren Weg zu verändern. Was wäre denn letztlich für unsere Entwicklung und Reife gewonnen, wenn alle unsere Wünsche in Erfüllung gingen? Wir würden uns nie verändern, wenn wir immer nur Erfolg hätten.
Oder vergleichen wir unser Leben mal mit einer Bergtour: Da kann man von einem Gipfel zum anderen stürmen, ohne wirklich oben angekommen zu sein. Man kann Höhenmeter um Höhenmeter einsammeln, ohne etwas mit nach Hause zu nehmen. Man kann andererseits aber auch mit einem klopfenden und hörenden Herzen unterwegs sein; einem Herzen, das bewusst auf den Weg schaut und auf alles, was an seinen Rändern ist. Dann entsteht Freude am Unterwegssein; die Bergtour missrät nicht zum Kampf und wird so zum grandiosen Erlebnis, weil rechts und links große und kleine Wunder zu sehen sind.
Und noch etwas: in unseren Träumen bekommen wir es nicht nur mit uns selbst und unseren verborgensten Wünschen zu tun, sondern auch mit Gott. Immer wieder bedient sich Gott nämlich selbst der Träume, um uns Menschen eine Botschaft zu vermitteln. Salomo hat das verstanden und er hat gespürt, was Gott sich sehnlichst von ihm wünscht – nämlich ein Mensch mit einem hörenden Herzen zu sein. Wem andere Menschen anvertraut sind, der braucht dieses hörende Herz; d.h. die Gabe, andere zu verstehen, ihnen mit viel Einfühlungsvermögen und Empathie zu begegnen. Und ein solcher König ist denn auch Salomo für sein Volk geworden – vielleicht oder gerade deshalb, weil sein Wunsch sich deckungsgleich zeigte mit dem Wunsch Gottes. Nicht umsonst ist die salomonische Weisheit sprichwörtlich geblieben bis in unsere Tage.
Ein hörendes Herz, das möchte ich auch mir wünschen. Nicht um so weise zu werden wie Salomo; das wäre vermessen. Aber ich möchte gerne unter den vielen Wünschen, die da in mir sind, den heraushören, der von Gott kommt. Dann glaube ich, kann ich auch in meinem Leben die richtigen und notwendigen Prioritäten setzen, die Jesus mit den beiden Gleichnissen vom Schatz im Acker und der Perle deutlich machen wollte. Und dann geht mit großer Wahrscheinlichkeit in Erfüllung, nicht nur was ich mir erträume, sondern auch was Gott sich von mir erträumt. Amen.
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Erstellt am: 28.07.2014 17:27 Uhr