Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis 2014 (20.07.)

Lesung: Weish 12, 13.16-19 / Evangelium: Mt 13, 24-30
Schwestern und Brüder!
Würden Sie nicht auch manchmal jemanden, über den Sie sich gerade maßlos ärgern, am liebsten auf den Mond schießen? Ich weiß, das ist jetzt heute Morgen hier kein allzu christlicher Gedanke, den ich da hege; aber ich glaube doch, dass wir uns alle schon mal bei solchen Überlegungen ertappt haben. Stimmt‘s? Nur, fragen wir uns doch auch ein Mal: Was wäre denn, wenn das tatsächlich möglich wäre? Wenn es in meiner Macht stünde, mir unliebsame Menschen in Nichts zu verwandeln? Konsequent weitergedacht würde das mit Sicherheit nicht funktionieren. Denn wenn ich diese Möglichkeit hätte, hätten andere sie ja auch. Und was würde dann passieren? Eben. Keiner bliebe wohl übrig – Sie nicht und ich nicht! Vielleicht sogar nicht mal der liebe Gott!
Aber jetzt mal im Ernst: Dieses Gedankenspiel ist ja gar keine soweit hergeholte Phantasie, sondern häufig genug schon Wirklichkeit geworden. Denken wir nur an Jesus selbst: Auch er wurde ein Opfer dieses „Spiels“ und die Geschichte der Menschheit zeigt doch bis auf den heutigen Tag, dass es schon immer üblich war, missliebige und unbequeme Menschen zu „eliminieren“, sie „auszuschalten“ wann immer man dazu nur die Macht und Möglichkeit hatte. Wobei das oft gar nicht aus Bösartigkeit geschehen ist: Nein, oft – sehr oft sogar – glaubte man damit Gott oder zumindest der Menschheit einen Gefallen zu erweisen. Ich frage mich nur: Wie ist das möglich? Was muss in der Psyche von uns Menschen vorgehen, dass man – wie wir es seit Jahren ja auch bei radikal muslimischen Terroristen sehen – solche Vernichtungswerke rechtfertigen kann?
Ein Grund ist sicherlich der, dass wir immer auf der Suche nach dem Vollkommenen sind oder dem, was wir dafür halten. Wer aber alles Unreine und Unvollkommene in der Welt ausrotten will, der wird radikal. Der urteilt dann pauschal über andere, verteufelt Andersdenkende und stellt in den Mittelpunkt all seines Denkens und Redens nur noch die eigene Heilslehre, die ihn dann aber auch zum Richter über das Leben macht; er entscheidet dann, was lebenswert und was eben lebensunwert ist.
Gerade bei religiösen Gruppen, denen man ja häufig genug ideologische Scheuklappen nachsagt – und sage jetzt ja niemand, dass es diese nicht auch in unseren eigenen christlichen Reihen gäbe – ist eine solche Denkweise häufig zu beobachten. Sicherlich jetzt nicht unbedingt gleich mit dem „auslöschen“ oder „vernichten“ Andersdenkender, aber doch so, dass Feindbilder aufgebaut werden. Die Mitglieder solcher Gruppen messen ihre Mitmenschen an den eigenen, engen, oft wirklichkeits- und lebensfremden Gedankenbildern und lehnen dann eben alle ab, die genau diese Vorstellungen und Wirklichkeiten nicht übernehmen können und auch nicht übernehmen wollen. Um nur zwei kleine Beispiele zu nennen: Die einen lehnen die Handkommunion ab, weil nur die Mundkommunion einzig und allein selig machend ist und beim Thema der wiederverheirateten Geschiedenen, da wird natürlich von der Amtskirche erwartet, dass sie die Moral, die sie jahrhundertelang rigoros vertreten hat, ja nie aufgibt. Alle, die hier gescheitert sind oder nicht mehr der kirchlichen Norm entsprechen, müssen eben die Konsequenzen tragen. Von wegen Güte und Milde, Barmherzigkeit und Neuanfang… In diesem Bereich zählt das nicht. Als katholisch gilt solchen Menschen nur, wer sich ihre Tugendvorstellungen zu eigen macht. Jene aber, die das nicht machen können oder wollen, die werden als „Sünder und Unreine“ verurteilt, abgestempelt, ausgeschlossen und bisweilen sogar im wahrsten Sinne des Wortes „bekämpft“.
Von all dem bislang Gesagten finden wir nun aber im heutigen Evangelium überhaupt nichts. Im Gegenteil: Jesus legt hier die Gründe dar, warum der Gutsherr – in seinen Augen Gott selbst – eben den Kreis nicht abgrenzt, sondern betont offen hält – und zwar für alle. Und wie so oft illustriert er die Botschaft mit einer bildhaften Geschichte – hier dem Unkraut im Getreidefeld – damit seine Hörerinnen und Hörer seine Gedanken leichter nachvollziehen können.
Der Gutsherr ist in diesem Gleichnis anderer Meinung als seine Knechte. Während diese für klare Verhältnisse plädieren und das Unkraut sofort ausreißen wollen, sagt er: „Lasst beides wachsen bis zur Ernte!“Er ist ein Mann der Besonnenheit, der Toleranz und Geduld. Wahrscheinlich hat er sich auch über das Unkraut im Weizen geärgert, aber seine Besonnenheit ist nun mal größer als sein Ärger.
Das Unkraut, von dem Jesus hier spricht, ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Taumel-Lolch, eine giftige Pflanze, die im Mittleren Osten wächst und eine ziemliche Plage ist. Wenn nun aber beide – die Getreidesaat und der Taumel-Lolch – miteinander aufgewachsen sind, ist es sinnlos, das Unkraut auszureißen zu wollen. Der Bauer weiß aus Erfahrung, dass die Wurzeln des Lolchs bereits so mit denen des Weizens verflochten sind, dass er ihn nicht entfernen kann, ohne den Weizen selbst zu beschädigen. Klar, irgendwann muss man das Unkraut aussortieren, weil es ja für Mensch und Tier schädlich ist. Aber dafür gibt es eine weit bewährtere Methode: man lässt bei der Ernte, also beim Schneiden mit der Sichel, beides zu Boden fallen, den Weizen und das Unkraut. Dann sammelt man den Lolch, bindet ihn in Büschel und verwendet ihn als Brennmaterial. Den Weizen aber bringt man in Scheunen.
Wenn nun Jesus dieses Gleichnis erzählt, dann will er damit seinem Hörerkreis damals und uns heute deutlich machen, dass Gott dieser große und liebevolle Gutsherr ist. Dem ist aber daran gelegen, dass jede und jeder von uns zur Blüte und zur Reife kommt. Allerdings wissen wir auch: Leben wächst nun mal in Vielfalt; oder sagen wir ruhig: in Kraut und Unkraut. Wenn es nun aber schon bei Pflanzen oft so extrem schwierig ist beides voneinander zu unterscheiden, um wie viel komplexer und komplizierter ist es dann wohl bei Menschen? Wer von uns kann denn einem anderen wirklich ins Herz schauen? „Die Welt“, so höre ich Jesus sagen, „soll meine Jüngerinnen und Jünger daran erkennen, dass sie nicht fanatisch für „absolute Reinheit“ in ihren eigenen Reihen sorgen, sondern dass liebevoll miteinander umgehen.“ Und – wer von uns könnte denn letztlich behaupten,
dass in seinem eigenen Herzen überhaupt kein Unkraut wuchert?
Erinnern Sie sich noch an die Worte aus der Lesung? Da wurde uns aus dem Buch der Weisheit erzählt, dass Gott einer ist, der Sorge trägt. Seine Herrschaft über alles, das lässt ihn Nachsicht üben gegen alles. Er richtet in Milde, menschenfreundlich, weil er jedem Menschen immer auch den Weg der Umkehr und des Neuanfangs ermöglicht. Überlassen wir also ihm die Scheidung in Kraut und Unkraut. Nur er hat nämlich wirklich den Überblick darüber, was wirklich böse und wirklich gut ist. Sein Maßstab darüber, was gut und was böse ist, der ist mit Sicherheit in vielen Bereichen völlig anders als der unsrige. Für ihn, soviel meine ich von seiner Botschaft verstanden zu haben, ist immer gut, was in der Kraft der Liebe geschieht und was Menschen in der Kraft der Liebe eint; denn Liebe kennt keine Gewalt oder Ausgrenzung und sie sieht auch nicht nur die Fehler und Mängel bei den anderen oder sich selbst. Damit wären wir dann aber auch schon bei dem, was Gott als übel ansieht – nämlich sich egoistisch von seiner Liebe abspalten, nur noch sich und sein eigenes Denken wahrnehmen und so einem zerstörerischen Egoismus frönen, der nicht nur blind ist für das Gute im anderen, sondern auch seine eigenen Vorzüge und Talente aus den Augen verliert.
Das Befreiende und Erlösende am Evangelium ist für mich also nicht, dass Gott durch Jesus alles Unkraut in dieser Welt beseitigt und ausgerottet hätte. Das Befreiende ist vielmehr, dass ich weder vor dem Unkraut anderer noch vor meinem eigenen Angst haben muss. Beides darf wachsen, denn Gott denkt anders als wir und in seiner Liebe kann er aus vielem, was wir als Unkraut bezeichnen, noch allerhand Frucht gewinnen. Das gilt auch und im Besonderen für uns und unsere Kirche. Im Blick auf sie würde das Gleichnis Jesu heute vielleicht so lauten:
„Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Nachfolger des Petrus, der mit Weite und Offenheit die Kirche Jesu führte. Er ermunterte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Suchen nach der christlichen Wahrheit und hatte großes Vertrauen in sie. Einige missbrauchten aber dieses Vertrauen, wurden zu Querulanten und verrannten sich in destruktiver Kritik. Da sagten ein paar Berater zu ihm: Sollten wir diesen Leuten nicht die Lehrbefugnis entziehen und andere anhalten, uns mitzuteilen, was von ihnen so gesprochen und gelehrt wird? Doch der Papst entgegnete: Nein, denn sonst bestraft ihr auch die, die aus Liebe zur Kirche kritische Worte sagen. Sonst verbreitet ihr ein Klima der Angst und zerstört Vertrauen. Rede-, Lehr- und Denkverbote sind Unkrautbekämpfungsmittel die oft die Falschen treffen und viele gute Gedanken im Keim ersticken. Lasst deshalb manchen neuen Ideen und Denkmodellen einfach Zeit zum Wachsen und Reifen. Bleibt gelassen und macht euch bewusst: Allzu oft zerstört nicht das Unkraut die Saat, sondern der Übereifer der Knechte, die in ihren Säuberungsaktionen alles niedertrampeln. Sucht vielmehr das Gespräch; sucht gemeinsam nach Antworten auf die Frage, wie die Kirche von heute sein soll, damit der Glaube nicht verdunstet und verkümmert. Sagt nicht zu schnell: Das ist häretisch und das nicht mehr katholisch! Nein, überlasst Gott das letzte Urteil.
Im Jüngerkreis war es still geworden. Alle schauten auf Jesus. Doch der endete sein Gleichnis mit den Worten: „Wer Ohren hat zu hören, der höre“ und dann ging er an einen einsamen Ort um zu beten…

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Erstellt am: 22.07.2014 19:03 Uhr

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