Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2014 (13.07.)

Lesung: Jes 55,10-11 / Evangelium: Mt 13, 1-9
Schwestern und Brüder!
Von Anthony de Mello, dem bekannten indischen Jesuitenpater und spirituellen Lehrer, stammt folgende kleine Geschichte, die ich als überaus passend zum Schlusssatz des heutigen Evangeliums empfinde. Da heißt es: „Als ein Mann, dessen Ehe nicht gut ging, seinen Rat suchte, sagte der Meister: „Du musst lernen, deiner Frau zuzuhören!“ Der Mann nahm sich diesen Rat sehr zu Herzen, kam aber bereits nach kurzer Zeit wieder und sagte, dass er zwar gelernt habe, auf jedes Wort seiner Frau zu achten, welches sie spricht, dass sie es aber trotzdem weiterhin recht schwer miteinander hätten. Worauf der Meister mit einem Lächeln zu ihm sagte: „Jetzt geh nach Hause und höre auf jedes Wort, das sie nicht sagt!“
Mich hat diese Erzählung daran erinnert, dass es in der englischen Sprache zwei Wörter für unser deutsches Wort „hören“ gibt: nämlich „to hear“ und „to listen“. „Listen“ ist dabei ein aktives Geschehen, ein aktives Hören, etwas, das mit Mühe verbunden ist und meine ganze Aufmerksamkeit einfordert. Vielleicht müssten wir im Deutschen eher von „hinhören“ oder gar „lauschen“ sprechen, um jenes Hören zu beschreiben, das all das aufnimmt, was „nicht gesagt“ wird, was – zumindest im akustischen Sinne – nicht zu hören ist. „Listen to me!“ Hör mir zu, versuche zu verstehen, was ich Dir sagen will!“ Dagegen ist das „to hear“ ein rein passives Geschehen: Hören, ja oft genug eben ein hören müssen all dessen, was so den ganzen Tag über – oft sogar bis spät in die Nacht – an und in unser Ohr dringt.
„Wer Ohren hat, der höre!“ – Wenn Jesus am Ende des heutigen Evangeliums das sagt, dann meint er damit eben nicht das zufällige, das rein passive Wahrnehmen von Geräuschen im Sinne dieses englischen „to hear“, sondern ein sehr aufmerksames Hinhören, welches das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden vermag. Es gilt sich also ans Hören zu machen, so wie wenn man sich an die Arbeit macht: energisch und mit aller Kraft; überzeugt davon, dass es tatsächlich etwas zu hören gibt, das, wenn es von mir überhört werden würde, für mich dann eben auch unwiederbringlich verloren wäre. Das ist auch der Grund, weshalb Paulus im Römerbrief schreibt: „Der Glaube kommt vom Hören“.
„Wer Ohren hat, der höre“ – auch wenn ich gesunde Ohren habe und nicht schwerhörig oder gar ertaubt bin, ist es eben nicht selbstverständlich, dass das, was von Jesus an mein äußeres Ohr dringt, auch wirklich mein Innerstes erreicht. Gottes Wort soll ich anders hören als – hier hinein und dort hinaus!! Nein, es soll bei mir ja auf guten Boden fallen und nach Möglichkeit reicht Frucht bringen. Bei uns soll es eben nicht so sein, wie bei jenem Landpfarrer, der, als er am Samstagabend das Wort zum Sonntag sah, die Fernbedienung seines Fernsehers in die Hand nahm und mit den Worten an seine Haushälterin gerichtet umschaltete: „Das haben wir doch alles schon hundertmal gehört.“
Natürlich weiß auch ich um die Schwierigkeit, sich immer wieder neu einer Botschaft hinzugeben, die man schon häufig gehört hat. Was glauben Sie, wie oft ich bei der Vorbereitung der Sonntagsgottesdienste denke: „Boah, was soll ich denn dazu noch sagen, was nicht schon lange gesagt oder von anderen geschrieben worden ist!“ Und ich spüre dann, wie die vertrauten Worte Jesu an mir vorübergehen und mich überhaupt nicht erreichen…ja, dass sie eher zum Damoklesschwert werden, das über mir schwebt, weil ich nicht weiß, was ich denn nun predigen soll. In einer solchen Stimmung bewegen die Worte Jesu dann aber weder mein Herz, noch meine Gedanken; sie sind dann keine Ermutigung, sondern vielmehr eine Last. Wie aber soll da die Hörerin oder den Hörer etwas von mir erreichen? Und es fällt mir ein Spruch ein, den ich mal von einem Kritiker sonntäglicher Predigten gehört habe, der sagte: „Häufig werden Predigtworte zu Worthülsen, weil die von den Predigern beklagte „Gottlosigkeit“ der Menschen, oft in ihnen, den Rednern selber, steckt.“ Sie können sich denken, wie selbstkritisch ich diese Worte auf mich beziehe, aber wie wertvoll sie auch gleichzeitig für mich sind, weil ich mich mit dem Wort Jesu eben so auseinandersetzen möchte, dass Sie hier keinem passiven „to hear“ verfallen, sondern einem aktiven „to listen“.
Deshalb möchte ich jetzt Ihren Blick und Ihr Ohr noch einmal auf den Satz Jesu lenken: „Wer Ohren hat, der höre!“ – Und ich möchte Ihnen dabei einen Vorschlag machen, wie sie sich selbst mit diesem heutigen Evangelium beschäftigen können. Deshalb sage ich Ihnen jetzt: „Sie sind am Zug. Das ist jetzt Ihre ganz persönliche Geschichte. Jetzt können Sie etwas mit ihr machen oder noch besser: Jetzt kann diese Geschichte etwas mit Ihnen machen!! Und mir kommt dabei der Gedanke, als würde Jesus sagen: Spielt dieses Gleichnis durch; probiert verschiedene Deutungen aus und bringt dabei vor allem euer eigenes Leben ins Spiel. So möchte ich Ihnen zwar jetzt eine Spielanleitung zu solchen Gedanken geben, aber interessant wird es für Sie persönlich erst dann, wenn Sie selbst in diese Gedanken, in dieses Spiel eingreifen und Ihre ganz persönliche Fassung der Sämanngeschichte notieren und schreiben.
Meine erste Variation des Gleichnisses würde also lauten: „Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen. Dieser Sämann war Jesus selbst. Er säte diese, seine Worte in Ihr und mein Lebens-Feld: Worte also, die mir Trost und Hoffnung geben wollten; Worte, die mich zum Umkehren provozieren sollten; Worte, die mir den Frieden ins Herz legten; Worte, die meinem Leben ein Ziel setzen konnten. Als er so säte, fiel natürlich einiges auf meine Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit. Anderes traf meine Müdigkeit und meine Kraftlosigkeit. Wiederum so manches prallte an meiner Sturheit ab, an der Mauer meiner Vorurteile, die ich zu meinem eigenen Schutz immer wieder aufbaue. Einige seiner Worte aber fielen durch meine Ängste und Gewohnheiten hindurch tief in mich hinein, auf guten Boden, jenseits all meiner ganz persönlichen Steine und Dornen. Und es keimte etwas auf in mir, meldete sich zum Leben und bescherte mir eine positive Unruhe und stetige Anfrage zur Nachfolge; zur Bereitschaft dafür, auf der Spur Jesu zu bleiben.
Merken Sie etwas? So betrachtet kann die Geschichte des Samenkornes für mich zur Hoffnungsgeschichte werden: Weil das wenige, was durchkommt, hundertfache Frucht bringt; weil ein einziger Satz, der mich von Jesus trifft, mich verändern und ganz neu zur Entfaltung bringen kann. Diese Geschichte Jesu kann für mich aber auch zur Trostgeschichte werden, weil es immer und immer wieder wunde Punkte, Unfertiges und Verkrustungen in meinem Leben geben wird. Weil nicht jedes Evangelium und nicht jede Predigt bei mir ankommen, aber weil die Sätze der Frohen Botschaft, die mich ansprechen, die mich packen, mich wirklich von Grund auf positiv verändern.
Wer sich mit dieser Version der Sämanngeschichte anfreundet, der beginnt vielleicht wieder neu, nach seinem ganz persönlichen Stichwort unter den vielen Worten Jesu zu suchen – und dann auch danach zu leben. Wie heißt ein guter Rat des Gründers von Taizé, Roger Schutz: „Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast – und sei es noch so wenig; aber lebe es!“ Und lassen Sie mich Ihnen noch eine zweite Variation der Sämannge-schichte erzählen: „Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen – dieses Mal war der Sämann nicht Jesus, sondern ich selbst. Voller Pläne und voller Hoffnung ging ich aus, Menschen zu begeistern, sie in Bewegung zu bringen für ein Leben im Geiste Jesu. Den Ehepartner nahm ich mit zum Gottesdienst, die Kinder versuchte ich religiös zu erziehen, in das ganze Umfeld meines Lebens wollte ich den Samen des Glaubens hinein säen. Und als ich so säte, fiel einiges bei meinen Mitmenschen auf harten Boden, auf Abwehr und Verbitterung. Anderes traf auf Misstrauen und Unverständnis. Manches konnte alte Verletzungen und Enttäuschungen von ihnen mit der Kirche nicht durchdringen und vieles erstickte unter den Dornen der Geschäftigkeit und Hektik unserer Zeit. Einiges aber fiel in die Angst und die Resignation meiner Mitmenschen; in ihre Hoffnung auf Geborgenheit und Zuwendung – und: es trug Frucht, ging auf als Gespür für wiederentdeckte Lebenskraft und Lebenslust; als Befreiung und Offenheit, als Entdeckung einer neuen Perspektive.
So betrachtet könnte diese Geschichte des Sämanns auch zur ganz persönlichen Hoffnungsgeschichte für mich werden: Das Wenige, was ich für den Glauben ausrichten kann, das allein zählt. Das eine erlösende Wort, das mir gelingt und das den anderen aufrichtet, lässt die vielen vergeblichen Versuche vergessen machen. Diese Erzählung kann aber auch zur Trostgeschichte für mich werden, weil ich einfach auch zulassen darf, dass viele meiner Bemühungen, den Glauben weiterzugeben, scheitern. Weil Enttäuschungen darüber, dass so wenig ankommt, dass so wenig Glauben in meinem Umfeld aufgeht, eben auch mir nicht erspart bleiben. Und weil manches, das ich nicht mal weiß oder ahne, eben die anderen doch erreicht hat und wirkt…
Wer sich eher mit dieser Sämann-Version anfreundet, der wird vielleicht etwas geduldiger und traut Gott zu, dass er auch dort etwas wachsen lässt, wo wir heute noch gar nichts entdecken. Aber für welche Version Sie sich nun auch entscheiden: Schreiben wir – Sie und ich – unsere ganz persönliche Sämanngeschichte weiter und zwar im Stile von: Not hear, but listen! Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 14.07.2014 13:48 Uhr

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