Predigt zum 1. Advent 2012 (02.12.)

L : Gen 28, 10-19 / Ev: Lk 21, 25-28.34-36
– Engel auf der Himmelsleiter –
Schwestern und Brüder!

Engel haben wieder Konjunktur – und damit meine ich jetzt nicht die vielen kleinen Engel, die in den Geschäftshäusern derzeit schon für ein weihnachtliches Flair und den entsprechenden Konsumreiz sorgen sollen. Nein, Engel sind überall präsent – z.B. in den Medien und da vor allem in der Werbung: Da gibt es einmal die gelben Engel – also die, die für den Pannendienst des ADAC stehen; oder dann auch die bekannten Philadelphia-Engel;
die, die für den wundervollen Frischkäse schwärmen. Dann gab und gibt es im Fernsehen Filme mit Titeln wie „Drei Engel für Charlie“, „Verliebt in einen Engel“, „Engel und Joe“, „Eiskalte Engel“ oder auch „Stadt der Engel“, also jene Liebesromanze, die wir im Rahmen unserer Filmabende übernächste Woche im Haus Michael zeigen. Nicht zu vergessen, dann die Musik. Christina Stürmer, Marius-Müller Westernhagen, die Kelly Family oder Robbie Williams sind nur einige Musiker, die schon einmal ein Lied den Engeln gewidmet haben. Diese Songs heißen dann „Wie ein Engel“, „Engel fliegen einsam“, „Send me an angel“ oder eben nur „ANGEL“. Es gibt auch die Band „NO ANGELS“ oder als abschreckendes Beispiel – uns allen aus den Nachrichten  bekannt – die „Hells Angels“. Engel, das macht diese kleine Auflistung deutlich, sind aus unserem Leben einfach nicht wegzudenken. Sie haben Konjunktur, vielleicht sogar Hochkonjunktur!
Nun glaube ich aber, dass diese Behauptung nicht für die gesamte Gemeinschaft der gläubigen Christen gilt. Sicherlich: Buchtitel, wie jene von Anselm Grün – „Mit 50 Engeln durch das Jahr“ oder „50 Engel für die Seele“ – die verkaufen sich auch in katholischen Buchhandlungen in einer immensen Auflagenstärke. Aber andererseits merke ich, wie sich auch viele Christen schwer tun, an die Existenz der schwer vorstellbaren und noch weniger greifbaren Geistwesen zu glauben. Doch: Engel – und das lässt sich nicht leugnen – haben Konjunktur, und das ganz besonders in der Bibel. An vielen heilsgeschichtlich besonders bedeutsamen Ereignissen sind immer Engel beteiligt. Und ich liege sicherlich nicht falsch wenn ich behaupte, dass wenn wir alle Bibelstellen aus der Hl. Schrift entfernen würden, in denen von Engeln die Rede ist, die Bibel nicht nur wesentlich kleiner, sondern eines ihrer wichtigsten und wesentlichsten Merkmale beraubt wäre. Das gilt insbesondere für das Alte Testament:
Bereits Adam und Eva werden von Engeln mit Flammenschwertern daran gehindert, ins Paradies zurückzukehren. Abraham, dem Urvater des Glaubens, verkünden drei Engel, dass seine Frau trotz ihres hohen Alters noch einen Sohn gebären wird. Und auch für den schweren Weg in das Gelobte Land, gibt Gott dem Volk Israel am Sinai einen Schutzengel mit auf den Weg. Aber auch im Neuen Testament, an den wichtigen Stationen des Lebens Jesu, tauchen Engel auf. Das beginnt schon bei seiner Empfängnis und der Geburt: Es ist ein Engel, welcher Maria die Botschaft überbringt, dass sie einen Sohn gebären wird. Und auch Josef erscheint mehrfach im Traum ein Engel. Den Hirten auf dem Felde und an der Krippe erscheint sogar ein ganzes Heer von Engeln und nach dem Tod Jesu ist es wiederum ein Engel, welcher im leeren Grab die Auferstehungsbotschaft zu den Frauen spricht.
All diese genannten Beispiele sind nur Schlaglichter von besonders heilsgeschichtlicher Bedeutung, wobei es in der Bibel noch viele andere Geschichten mit Engeln gibt. Warum also tun wir uns, trotz dieses breiten biblischen Zeugnisses, mitunter so schwer, an die Existenz von Engeln zu glauben? Liegt es ja daran, dass wir sie nicht anfassen und nicht sehen können; ja, dass wir eigentlich nichts Vergleichbares kennen? Sicherlich: Maria und Josef oder auch die Hirten, das ist alles kein Problem, weil sie auch Menschen sind wie viele andere, die wir kennen. Aber ein Engel, wie er z.B. den Hirten erschienen ist – was soll das? Eine solche Gestalt ist für uns nur sehr schwer zu greifen oder zu begreifen. Aber es gibt nun einfach mal nicht nur Dinge zwischen Himmel und Erde, welche wir mit unseren Augen sehen können, sondern viel mehr. So hat ja auch keine und keiner von uns Gott je gesehen, und trotzdem glauben wir an ihn.
So ist es auch mit den Engeln. Man kann sie weder mit den Augen sehen, noch mit dem Verstand begreifen. Engel kann man, wie viele andere Dinge des Glaubens auch, nur mit dem Herzen sehen. Nur die tieferen Schichten unserer Seele können an das Geheimnis der Engel rühren, denn diese tieferen Schichten werden häufig in unseren Träumen offenbar. Deswegen, so vermute ich mal, gibt es auch so viele biblische Erzählungen von Engeln, in denen diese den Menschen immer wieder in Träumen erscheinen.
Eine dieser Traumgeschichten macht heute den Anfang dieser Engels-Pre-digtreihe. Es ist der Traum des Jakob, des Sohnes von Issak. Dieser Jakob ist auf der Flucht vor seinem Bruder Esau. Sie alle kennen ja die Geschichte, wie das Schlitzohr Jakob mit Hilfe seiner Mutter Rebekka den Segen des Vaters auf ganz hinterlistige Art und Weise ergaunert und sich so an die Stelle des Erstgeborenen gegenüber seinem Bruder Esau gesetzt hat. Doch nun ist Jakob auf der Flucht, auf der Flucht vor seiner Vergangenheit und vor seinem, tief von ihm enttäuschten Bruder. Als es eines Tages wieder dunkel wird, übernachtet Jakob an einem Ort auf dem Weg nach Haran. Er legt sich einen Stein unter den Kopf und als Betrachter fragt man sich unwillkürlich: Wieso nimmt er sich denn einen Stein als Kopfkissen? Weitaus besser wären da doch Moos oder Laub. Aber das passt nicht: Denn der Stein dient hier als Symbol; als Symbol für alles Schwere, für alles Irdische und auch alles Belastende im Leben. Deshalb möchte ich Sie jetzt mal bitten, diesen Stein auch als ihr eigenes Symbol zu sehen und mit ihren eigenen Gedanken zu füllen:
Welche Sorgen nehmen denn Sie abends als Stein mit unter Ihr Kopfkissen, wenn Sie schlafen gehen? Welchen Streit gibt es bei Ihnen, privat oder auch beruflich, so wie Jakob mit seinem Bruder Esau im Streit liegt? Welche Heimatlosigkeit gibt es denn für Sie – oder sollten wir besser sagen Kontaktlosigkeit – sowie bei diesem Jakob, der ganz allein irgendwo unter freiem Himmel übernachtet bzw. übernachten muss?
Als Jakob einschläft, hat er einen Traum: Er sieht eine Treppe, eine Leiter, welche auf der Erde steht und die bis in den Himmel hineinreicht. So etwas wünschen wir uns ja manchmal auch, dass es so etwas eine direkte Verbindung zwischen unserem jetzigen irdischen Leben und dem Himmel gäbe. So direkt, dass wir nur die Stufen zu betreten bräuchten, um in die himmlische Wirklichkeit hinaufzusteigen. Bei Jakob ist diese Leiter nicht einfach ein totes Objekt aus Holz, sondern auf dieser Himmelsleiter steigen Engel auf und nieder. Diese beleben die Leiter und so entsteht so etwas wie eine lebendige Verbindung zwischen Gott und den Menschen, zwischen Himmel und Erde. Mit einem bekannten Werbespruch könnte man sagen: „Wir machen den Weg frei“ oder auch „Wir schaffen Verbindung!“. Auf jeden Fall wird bildhaft deutlich, warum die Engel auch „Boten Gottes“ genannt werden. Denn ganz oben, am Ende der Leiter, da sieht Jakob Gott stehen, welcher ihm die große Verheißung macht: Seine Nachkommen werden so zahlreich sein wie der Staub auf der Erde, und das Land, auf dem er steht, soll ihm und seinen Nachkommen gehören. Gott spricht da den wunderschönen Satz zu Jakob: „Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst.“ Also: kein Fluch, keine Rache, kein Muskel-spielen-lassen Gottes, sondern eine ungeheure Zusage, die Jakob sich nie hätte erträumen lassen. Er hat bei all seiner düsteren Vergangenheit doch eine Zukunft; eine Zukunft in und mit Gott.
Als er erwacht, spricht er in einem Satz aus, wie er diesen Traum versteht: „Wirklich, hier ist der Herr an diesem Ort, und ich wusste es nicht!“ Es wird deutlich: Mitten in diesem einsamen Land, beim Schlafen mit einem Stein unter dem Kopf, da ist bei Jakob eine völlig neue Sicht seines Lebens und seiner Umgebung gewachsen; denn von diesem Ort, an welchem er sich schlafen gelegt hatte, da geht auf einmal eine Leiter zum Himmel. Nicht einfach eine aus Holz, sondern eine Leiter, auf welcher Engel beständig auf- und niedersteigen und so die Verbindung zu Gott herstellen und behalten. Was aber heißt das für uns? Wenn es uns gelingt, mit den Augen des Herzens zu schauen, vielleicht im Traum oder auch beim Gebet diese lebendige Leiter zu sehen, die von unserem je eigenen Platz hinaufreicht bis in den Himmel, dann wird auch unser Leben eine ganz neue Bedeutung gewinnen. Denn durch diese lebendige Leiter spricht Gott zu jeder und jedem von uns: „Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst.“ Und dann werden wir wie Jakob zu unserem Leben und zu allem, was wir darin erleben, sagen können: „Der Herr ist mit mir, auch in dieser Situation, auch an diesem Ort, und ich wusste es nicht.“
Ich möchte an jedem Sonntag dieses Advents ein Symbol hier am Altar ablegen als Zeichen dafür, welche Gedanken wir uns auf dem Weg zur Krippe machen. Für den Traum des Jakob habe ich einen Stein ausgewählt. Er ist ein Zeichen für alles Irdische, alles Schwere und Belastende in unserem Leben. Aber natürlich gehört zu diesem Stein auch unsere gedankliche Traum-Leiter; das Zeichen, dass an dem Ort, an dem ich lebe, eine lebendige Leiter zu Gott hinaufführt und ich in ihm immer eine Zukunft habe – mag die Vergangenheit auch sein wie sie will. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 02.12.2012 19:38 Uhr

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