Predigt von Pfarrer Johann Weingärtner im ökumenischen Gottesdienst zum Buß – und Bettag 2013

Lukas 13,22-30
Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem.
23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen:
24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können.
25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf! dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?
26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt.
27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!
28 Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen.
29 Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.
30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.
Liebe Gemeinde,
eine fromme Frau fragte einst ihren Pfarrer: Herr Pfarrer, wenn ich einmal sterbe und in den Himmel komme, werde ich dann alle meine Lieben wieder sehen (Ich füge hinzu: neben Abraham und Isaak und Jacob, den Propheten und allen Vätern und Müttern im Glauben)? Ja, sagte der Pfarrer; aber die anderen auch!
Das ist also so eine Sache mit dem Selig – Werden. Zur Zeit Jesu und vielleicht ja heute auch. Was bedeutet das: Selig werden?
Das Leben vollenden, damit es am Ende rund ist und ganz und heil.
Zu einem Ziel kommen, für das zu kämpfen und das anzustreben lohnenswert gewesen ist.
Nicht im Stückwerk, im Fragmentarischen stecken bleiben, sondern Erfüllung erreichen.
Nicht mehr nur um Frieden und Gerechtigkeit und sorgfältigen Umgang mit der Schöpfung kämpfen und beten, sondern unter einem neuen Himmel auf einer erneuerten Erde leben, kurzum: Im Reich Gottes ankommen, das ist doch wohl gemeint mit „Selig werden“.
Aber wer erreicht das? Wer kommt da an? Und wer muss draußen vor der Tür bleiben, ausgeschlossen? Und das nicht nur von Menschen, sondern von Gott selbst – denn wer sollte sonst mit dem Hausherrn in unserer so sperrigen Rede Jesu gemeint sein!
Auf jeden Fall muss zunächst einmal festgehalten werden, dass der Weg zur Seligkeit kein bequemer Spaziergang ist. Der geht keinesfalls ohne die Überwindung von Gleichgültigkeit und oberflächlicher Lebensgestaltung. Da reichen anscheinend auch einige fromme Übungen nicht aus. Gefährlich ist auf jeden Fall das Ausgrenzen von scheinbar nicht rechtgläubigen Zeitgenossen oder meinetwegen auch politisch nicht korrekten, oder vom Status und der Religion allgemein nicht Anerkannten.
Denn merkwürdiger Weise stehen in unserer Geschichte die draußen, die sich darauf berufen können, religiös korrekt gewesen zu sein. Deutet nicht das Pochen auf eine Verhaltensweise, die geprägt ist vom „Vor dir Essen und Trinken“ und dem „Hören auf öffentliche Verkündigung“ auf Abendmahl oder Kommunion und Gottesdienst hin oder zumindest auf Tischgemeinschaft mit intellektueller Auseinandersetzung über Fragen des Glaubens und Lebens? Und die stehen draußen. Was haben die falsch gemacht? Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber es steht ziemlich eindeutig zwischen den Zeilen.
Jene, die meinen, sie gehörten dazu und seien von der geistlichen oder kirchlichen Rangordnung unter die eher bestens Platzierten zu rechnen, die haben sich gründlich verrechnet. Ich werde an eine Rede anlässlich einer Trauerfeier erinnert. Ein durchaus kirchlich engagierter Weggefährte des Verstorbenen, hielt eine Ansprache oder besser eine Laudatio. Er zählte so mancherlei Verdienste auf. Man spürte Verehrung und Hochachtung aus seinen Worten. Am Ende ließ er sich zu der Bewertung verleiten: „Unser Gott wird deshalb ein besonders gutes Plätzchen für ihn reserviert haben“. Im Stillen habe ich bei mir gedacht: Das hättest du dir lieber verkneifen sollen. Denn es gibt Erste, die werden Letzte sein.
Ich werde dabei an die Äußerung des großen Schweizer Theologen Karl Barth anlässlich eines Interviews zu seinem 80. Geburtstag erinnert. Der Journalist fragte ihn: „Sie, lieber Herr Prof. Barth, werden doch sicher einmal als der größte Theologe des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen“. Nach einigem Überlegen antwortete Karl Barth etwa so: „Wenn wir uns im Reich Gottes wieder sehen, dann ist vielleicht eine einfache Bäuerin von der schwäbischen Alb, die treu gebetet, den Gottesdienst besucht und ihre Kinder und Enkel und die Nachbarn liebevoll umsorgt hat, die größte Theologin des 20. Jahrhunderts gewesen.“
Erste werden Letzte und Letzte werden Erste sein. Ein kleiner Hinweis: Es heißt nicht die Ersten werden die Letzten und die Letzten die Ersten sein. Es kommt nicht auf die menschlichen Rangordnungen an. Im Reich Gottes gelten andere. Man kann auch als jemand, der oder die sich gerne hinten anstellt und auf die, die vorne sind, herabschaut, zu den Ersten gehören, die Letzte sein werden. Aber das nur mal so nebenbei.
Es gilt festzuhalten: Alle, die exklusiv denken und handeln, besonders auch im geistlich-kirchlichen Bereich, mögen viel Anerkennung und manchen Zulauf haben, aber vom Reich Gottes und vom Seligwerden, verstehen sie nicht viel und werden vielleicht sogar von beidem ausgeschlossen.
Das kann ja auch ein bequemer Weg mit weit geöffneten Toren sein: Man ist so schön unter sich, muss sich keinen großen Fragen stellen vor allem nicht sich selbst. Und dann ist die Frage nach der Seligkeit nur eine rhetorische, die man letztlich nicht beantworten muss. Denn die Dinge sind ja sowieso klar. Ich gehöre dazu. Und die andern? Na ja, vielleicht. Am besten ist es, sie werden so wie ich oder wir. Diesen Weg verbaut Jesus. Der führt nicht in den Himmel oder ins Reich Gottes, sondern an einen Ort des Heulens und des Zähneklapperns. Damit wird angedeutet: Man kann sich selbst derart ins Abseits stellen, das man nur noch neid – und leidvoll zuschauen muss, wenn im Reich der Gerechtigkeit und des Friedens gefeiert wird. Am Ende des Kirchenjahres sind diese ernsten Worte der Bibel dran. Und wir tun gut daran, sie sehr ernst zu nehmen und wenn nötig umzukehren, was übrigens ja der tiefe Sinn des Buß – und Bettages ist. Aber wohin umkehren? Jesus zeigt den Weg:
Er entwirft ein großartiges Bild von einer neuen, alternativen Menschengesellschaft: „Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.“
Ach ja, liebe Gemeinde, ein wenig davon haben meine Frau und ich erlebt in den Jahren von 2009 bis jetzt. Wir kamen aus dem Norden, gingen in den Osten und sind nun im Westen. Ist auch der Süden noch dran? Wir haben auf jeden Fall Kirche erlebt als Gemeinschaft von Menschen ganz unterschiedlicher Prägung in ihrem Glauben und Leben. Wir möchten diese Erfahrung nicht missen. Sie hat unseren Horizont geweitet und unser Leben bereichert, auch wenn wir an allen Orten immer so etwas wie exklusives Christentum erlebten mit der Auseinandersetzung zwischen so genannten Ersten und Letzten.
Aber eben auch und gerade das grenzüberschreitende Element des Evangeliums haben wir erfahen, das nicht fragt: „Wo kommst du her, wie ist dein sozialer Stand? Wie sieht deine kirchliche Prägung aus?“ Um dann zu beurteilen, ob einer oder eine dazu gehören kann oder darf. Nein, man nahm einander an, so wie man geworden war, weil Gott es in Jesus so tut. Und dann taten sich gelegentlich Türen auf, und die Freude Gottes zog ein im Teilen am Tisch des Herrn und unter seinem Wort in der Erfahrung, dass der, der dazu einlädt, der große alle Grenzen überschreitende Christus ist.
Darum, liebe Gemeinde, ruft uns der Buß – und Bettag zur Umkehr. Wohin? Und Warum? Ich antworte mit einem Buchtitel, den ein Theologe des letzten Jahrhunderts mit Erläuterungen zum Lukasevangelium ganz einfach so formuliert hat: Die Freude der Buße.

Amen

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Erstellt am: 21.11.2013 13:32 Uhr

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