Predigt von Pfarrer Andreas Knüpffer vom 02.06.2013

Liebe Gemeinde
Glaube macht fröhlich –  Der Kämmerer aus Äthiopien
Apg. 8,26 Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist.

27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten.
28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja.
29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen!
30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest?
31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
32 Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53,7-8): „Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf.
33 In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.“
34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem?
35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.
36 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?(Vers 37 findet sich erst in der späteren Überlieferung): „Philippus aber sprach: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kann es geschehen. Er aber antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist.“
38 Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn.
39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr;
er zog aber seine Straße fröhlich.

Vermutlich hat jeder und jede unter uns Bibeltexte, die ihn und sie durchs Leben begleiten. Einzelne Verse und Abschnitte, die wir immer wieder gerne lesen und hören. Die Erzählung vom Finanzminister der äthiopischen Königin gehört zu meinen Lieblingstexten…

Ein afrikanischer Politiker macht sich auf die weite und beschwerliche Reise nach Jerusalem. Eine Pilgerreise. Was er genau unternimmt, wird nicht berichtet. Nur so viel: Er kauft ein Reiseandenken, eine Schriftrolle – das Buch des Propheten Jesaja.
Auf der Rückreise begegnet er Philippus, den ein Engel Gottes ihm als Begleiter schickt. Dieser Philippus deutet die Worte des Propheten. Und angerührt von dieser Predigt, lässt sich der Finanzminister taufen und wird Christ.

Was mich an dieser Erzählung so fasziniert, ist weniger das Happyend, über das ich mich gleichwohl freue. Es ist vielmehr dies: Ich sehe in dieser Geschichte eine Herausforderung beschrieben, vor der wir als Kirche auch heute stehen. Wie kann es gelingen, dass Menschen die Botschaft von Jesus Christus für ihr je eigenes Leben als bedeutsam erkennen? Immer wieder ist zu hören, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens, die Frage nach Gott abgelöst, abgeschafft sei . Dem halte ich mit aller Entschiedenheit entgegen, dass die Suche nach Sinn – bleibt man ihr lange genug  auf der Spur – zwangsläufig in die Frage nach Gott einmündet.

Wie dieser Finanzminister, so sind viele Zeitgenossen in ihren Lebenskutschen unterwegs. Mag es manche geben, die dabei nur mit sich selbst beschäftigt sind. Ich erlebe allerdings viele, die ihren Ort in dieser Gesellschaft suchen und nach der Rolle fragen, in der sie unverzichtbar sind. Viele sind dabei in eine Lektüre vertieft, die ihnen nichts sagt. Das Leben ist komplex – eine Binsenweisheit. Aber jeder und jede sucht in der Gefahr, überfordert zu werden, in der Unübersichtlichkeit unserer Gesellschaft nach Orientierung. Mag sie sich Risikogesellschaft, Wissensgesellschaft, multikulturelle Gesellschaft, Spaß- und Erlebnisgesellschaft nennen.

In dieser Situation sehnen sich viele nach einem Zeitgenossen, der sie anspricht, gerade, wenn es um Glaubensthemen geht, und der sie fragt: „Verstehst du auch, was du liest?“.

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich Aspekte dieser Erzählung mit der
Tätigkeit in den kirchlichen evangelischen Akademien wie Tutzing und Loccum in Beziehung setzen will. Diese Häuser sind offen für alle.  Sie nehmen ihren Platz auf dem Marktplatz der Gesellschaft ein. Sie sind zugleich der Welt und der Bibel zugewandt. Sie sind neugierig auf Menschen und ihre Lebenserfahrung. Und sie versuchen, die vorfindliche Lebenswirklichkeit mit den Erfahrungen der Menschen, von denen die Bibel berichtet, zu verbinden.

Kirchen, Andachten und Gottesdienste sollten Orte der Begegnung sein. Wir brauchen diese Räume der Kommunikation. Nur so kann es gelingen, Gesellschaft und Leben zu gestalten. Dabei geht es nicht ohne Medien. Das sehen wir schon in der Erzählung der Apostelgeschichte: Der Politiker nutzt das Medium Schriftrolle. Im Zeitalter unserer medialen Kommunikation ist jedoch die persönliche Begegnung durch nichts zu ersetzen.

Kirchen und Andachtsräume können Orte der Entschleunigung sein. Wir bieten einen Raum zum Austausch, bei dem nicht nach dreißig Sekunden dem Gesprächspartner ins Wort gefallen wird, weil dieser vermeintlich zu einer ausschweifenden Argumentation ansetzt… Der Austausch, der Streit in Rede und Gegenrede, die Entwicklung einer gemeinsamen Perspektive – dafür muss Zeit
sein.

Kirchen und Andachtsräume sollten Orte der Bildung sein: Sie vermitteln Wissen – Fakten, die man kennen muss. Mehr noch geht es darüber hinaus aber um Orientierung, die sich als Ergebnis aus dem Dialog hoffentlich einstellt. Und es geht darum, dass sich Haltungen entwickeln können. Überzeugungen fallen ja nicht
vom Himmel. Sie müssen geprägt werden und entstehen oft aus der persönlichen Betroffenheit.

Kirchen und Andachtsräume sind Orte der Begegnung mit dem Glauben und können somit auch missionarisch sein – Philippus wird vom Geist geschickt: er und wir vergegenwärtigen die orientierende Kraft des biblischen Menschenbildes, wir vergewissern uns des biblischen Auftrags, Welt und Gesellschaft verantwortlich mit zu gestalten. Und wir leben die biblische Botschaft von der Rechtfertigung, dass der Mensch mehr ist als die Summe seiner Leistungen und seine Würde allen menschlichen Zugriffen entzogen bleiben muss.

Die Begegnung zwischen dem Politiker und Philippus war alles andere als oberflächlich. Sie hat in die Tiefe geführt und zwei Konsequenzen nach sich gezogen. Die eine hatte ich eingangs schon erwähnt: Der Finanzminister ließ sich taufen.

Die andere Folge des Gesprächs heißt am Ende der Erzählung: Er, der Finanzminister, zog seine Straße fröhlich. Eine großartige Perspektive! Sorgenfrei wird der Politiker nicht gelebt haben. Aber er wird im Lichte der Begegnung mit Philippus mit seinen Sorgen fortan anders umgegangen sein.

Das ist die Wirkung des christlichen Glaubens: Er macht fröhlich! Hoffentlich ist das zu spüren. Denn fröhliche Menschen sind die besten Botschafter und Botschafterinnen des Glaubens. Amen

Infos unter:

Erstellt am: 02.06.2013 08:17 Uhr

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